Ausgabe 04/2013: Zitronenauto

ZitronenautoNachbesserung von Sachmängeln – BGH bestätigt Recht zur zweiten Andienung. Autohaus Juristen Rechtsanwälte G. Haug und PartnerVon einem sogenannten Montags- oder Zitronenauto ist meist dann die Rede, wenn der Käufer (weitere) Nachbesserungen für unzumutbar hält und vom Vertrag zurücktreten will. Auch in der Rechtsprechung wird dieser Begriff – wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen – stets bemüht, wenn kurz nach der Auslieferung mehrere Sachmängel gleichzeitig auftreten und Nachbesserungsversuche fehlgeschlagen sind. Dass eine Nachbesserung nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen gilt, ergibt sich bereits aus § 440 Satz 2 BGB. Ist die Zumutbarkeitsschwelle jedoch auch dann überschritten, wenn bei einem sog. Montagsauto immer neue, unterschiedliche Qualitätsmängel auftauchen?MängelpaketAusgangspunkt des über drei Instanzen geführten Rechtsstreits auf Rückabwicklung war der Kauf eines neuen Wohnmobils zu einem Preis von rund 130.000 Euro. Nach der Übergabe im April 2009 befand sich das Fahrzeug im Zeitraum Mai 2009 bis Juli 2010 insgesamt dreimal zur Durchführung von Garantiearbeiten in der Werkstatt der Beklagten. Bei der ersten Nachbesserung wurden 20 Mängel gerügt (u. a. Knarren der Satellitenantenne beim Ausfahren, Flecken in der Spüle, schief sitzende Abdeckkappen der Möbelverbinder, lose Stoßstange etc.). Bei dem zweiten Werkstattaufenthalt im August 2009 beanstandete der Kläger vier Mängel und verlangte u. a. den Austausch der Nasszellentür. Im März 2010 suchte der Kläger erneut die Beklagtenwerkstatt auf und rügte diesmal neun Mängel (u. a. keine richtige Funktion der Stützen bei kaltem Wetter, Entlüftung Fäkalientank, vorschnelles Entleeren der Batterien etc.).In der Folgezeit wurden weitere Garantiearbeiten in Abstimmung mit der Beklagten durch einen am Wohnsitz des Klägers ansässigen Vertragshändler des Wohnmobilherstellers erbracht. Die dort durchgeführten Nachbesserungsarbeiten machten nochmals vier Werkstattaufenthalte im Zeitraum Mai bis Dezember 2010 erforderlich. Nachdem sich der Käufer zehn Monate nicht mehr bei der Verkäuferfirma gemeldet hatte, erklärte er im April 2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag, weil angeblich noch 15 Mängel an dem Wohnmobil vorhanden sind. Bei diesen Mängeln soll es sich zum Teil um neue und zum Teil um wiederholt aufgetretene, d. h. also von der Verkäuferin bzw. dem Vertragshändler nicht ordnungsgemäß behobene Defekte handeln. In Anbetracht der Vielzahl der insgesamt aufgetretenen Mängel handele es sich bei dem Wohnmobil um ein „Montagsauto“. Eine erneute Nachbesserung sei deshalb nicht zumutbar und der Rücktritt ohne Fristsetzung zur Mangelbeseitigung zulässig.Die Beklagte hat das Vorhandensein von Mängeln zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bestritten und eingewandt, diese seien nachträglich durch den Gebrauch des Wohnmobils bzw. die zum Teil vom Kläger selbst durchgeführten Reparaturen verursacht worden. Unabhängig davon sei der Rücktritt allein schon deshalb unwirksam, weil ihr wegen der zuletzt reklamierten Mängel keine Möglichkeit zur Nachbesserung eingeräumt bzw. eine Nachfrist gesetzt worden sei. Mangels Erheblichkeit der Frage stehenden Mängel sei der Rücktritt zudem nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen.InstanzenwegDie auf Rückabwicklung gerichtete Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen. Ob das Wohnmobil als Montagsauto anzusehen und deshalb eine (weitere) Nachbesserung im Sinne von § 440 BGB unzumutbar ist, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles ab. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass es einer Vielzahl, ggf. auch mehr oder weniger kleinerer, herstellerbedingter Defekte bedarf, die in einem relativ kurzen Zeitraum auftreten müssen. Selbst wenn man den klägerischen Vortrag als wahr unterstellt und annimmt, dass sämtliche behauptete Mängel an dem Wohnmobil tatsächlich schon bei Gefahrübergang vorlagen, genügt dies für sich genommen noch nicht, um von einem Montagsauto zu sprechen. Auch die Zahl der Nachbesserungsversuche spielt hierfür keine ausschlaggebende Rolle.Einer Einstufung des Wohnmobils als Montagsauto steht insbesondere entgegen, dass es sich im Wesentlichen um Probleme im Bagatellbereich handelte bzw. noch handelt, die zudem ganz überwiegend abschließend und beim ersten Nachbesserungsversuch beseitigt werden konnten. Dabei wird nicht verkannt, dass der Käufer eines hochwertigen Neufahrzeugs anderes erwartet und auch erwarten darf. Dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass die geltend gemachten Fehler in ihrer Gesamtheit größtenteils nur als „lästig“ einzustufen sind. Nachdem sich die Reparaturkosten für die zuletzt durch den Kläger behaupteten Sachmängel auf lediglich etwa 3 Prozent des gezahlten Kaufpreises belaufen, ist zudem von einer unerheblichen Pflichtverletzung im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB auszugehen. Auch dieser Umstand spricht gegen die Bewertung des Wohnmobils als Montagsauto. StörfaktorUnabhängig davon war eine Fristsetzung zur Nachbesserung der zuletzt gerügten Mängel als Rücktrittsvoraussetzungen nicht entbehrlich. Vorliegend besteht nämlich die Besonderheit, dass nur die ersten Nachbesserungsversuche bei der Beklagten als Vertragspartnerin des Klägers erfolgten. Danach und bis zum erklärten Rücktritt wandte er sich ausschließlich an den Vertragshändler des Wohnmobilherstellers. Von daher kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Be-klagte selbst nicht die Möglichkeit hatte, die behaupteten weiteren Mängel einer eigenen Prüfung zu unterziehen. Die vorangegangenen Nachbesserungsversuche in einer anderen Werkstatt stellen daher einen „Störfaktor“ im Rahmen der Gewährleistung dar, die sich der Verkäufer nicht als vergebliche Versuche der Nacherfüllung zurechnen lassen muss.Nach alledem hätte der Kläger der Beklagten abschließend zumindest noch einmal Gelegenheit zur Nacherfüllung geben müssen. Erst wenn sich dieser Versuch auch als vergeblich herausgestellt hätte bzw. danach erneut andere Mängel aufgetreten wären, könnte von einer Unzumutbarkeit im Sinne des § 440 BGB ausgegangen werden, die zu einem Rücktritt ohne weitere Fristsetzung berechtigt. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil die Beklagte vor dem Rücktritt weder über die Durchführung noch den Umfang der Garantiearbeiten durch den anderen Vertragshändler informiert worden ist. Die Berufung des Klägers wurde deshalb ebenso zurückgewiesen wie die Revision. ■Rechtsanwalt Walter SattlerKanzlei@raehaug-partner.dewww.haug-partner.de Kurzfassung1. Ob ein Neufahrzeug als Montagsauto anzusehen ist, bestimmt sich nach der Art, dem Ausmaß und der Bedeutung der aufgetretenen Mängel aus der Sicht eines verständigen Käufers.2. Auch bei einer Vielzahl von Mängeln im Bagatellbereich bedarf es jedenfalls dann einer Fristsetzung zur Nacherfüllung, wenn die Reparaturkosten weniger als 3 Prozent des Kaufpreises betragen.3. Der Verkäufer muss sich Reparaturversuche in einer anderen Werkstatt grundsätzlich nicht als vergebliche Nacherfüllung zurechnen lassen.Kommentar< Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen seiner Revisionsentscheidung zunächst klargestellt, dass die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einem gehäuften Auftreten von Mängeln ein so genanntes Montagsauto vorliegt, der wertenden Betrachtung durch den Tatrichter unterliegt. Nachdem die Vorinstanzen den Mängeln lediglich Lästigkeitswert beigemessen und eine Fristsetzung zur Nacherfüllung deshalb als zumutbar angesehen haben, waren diese Feststellungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass man im Einzelfall auch zu einem anderen Ergebnis kommen kann, hat der BGH allerdings mit Blick auf die Art, das Ausmaß und Bedeutung der aufgetretenen Mängel aus der Sicht eines verständigen Käufers betont. Von daher dürfte die Wohnmobil-Entscheidung nicht ohne weiteres auf andere Montagsautos übertragbar sein. >

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