Ausgabe 04/2013: Zu wenig angeboten

Zu wenig angebotenautogas – Trotz überzeugender Preis- und Emissionsvorteile von Autogas-Pkw liegt deren Marktanteil erst bei 1,3 Prozent – eine Chance und Aufgabefür den Autohandel. Von Dagmar ziegnerNahezu halbierte Kraftstoffkosten, ein bundesweit flächendeckendes Tankstellennetz mit 6.500 Stationen und dazu noch eine umweltfreundliche CO2-Einsparung – viele Gründe sprechen für den Alternativkraftstoff Autogas (LPG). Dennoch haben sich bisher nur relativ wenige Autofahrer für die Umrüstung ihres Altfahrzeuges oder den Kauf eines mit Autogas betriebenen Neufahrzeugs entschieden. Aktuell fahren nach Angaben rund 550.000 beim Kraftfahrt-Bundesamt erfasste LPG-Fahrzeuge auf deutschen Straßen. Angesichts der Gesamt-Pkw-Zahl von knapp 43 Millionen ist dies ein verschwindend geringer Anteil von nur 1,3 Prozent.Dabei kann Autogas auf eine durchaus beeindruckende Entwicklung zurückblicken, die Zahl der Fahrzeuge wuchs seit 2005 um über 4.000 Prozent. Autogas ist damit der bei weitem erfolgreichste alternative Kraftstoff. Doch warum entscheiden sich nicht viel mehr deutsche Autofahrer, die seit Jahren über hohe Kraftstoffpreise stöhnen und für eine Ersparnis von zwei Cent pro Liter Umwege in Kauf nehmen, für die preiswerte Alternative Autogas? „Exotisches Produkt“„Autogasfahrzeuge werden dem Kunden durch die Automobilindustrie und den Autohandel viel zu wenig angeboten. Wenn man den Markt nicht fördert, kann er sich auch nicht entwickeln“, analysiert Robert Schneiderbanger, Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Verband Flüssiggas e.V. (DVFG). Zwar werden in Deutschland aktuell nicht nur rund 100 LPG-Fahrzeugmodelle ab Werk – sogenannte OEM-Fahrzeuge (Original Equipment Manufacturer) –, sondern auch verschiedene Umrüstlösungen der Hersteller angeboten. Doch über diese umfangreiche Produktpalette wird nur selten informiert. „Die Informationen seitens der Automobil- und Gasanlagenhersteller sind zu spärlich gesät, und Journalisten der Motor- wie Tagespresse haben anscheinend wenig Interesse daran. „Lieber wird über exotische, für Otto Normalverbraucher unerreichbare Fahrzeuge berichtet als über Brot- und Butterautos“, kritisiert Elbert Vleeshhouwer von Vogels Autogassysteme, einer der Pioniere der deutschen Autogastechnologie, der in seinem Betrieb in Rheinbach bereits seit Ende der 90er Jahre Fahrzeuge umbaut.Das Informationsdefizit zeigt sich bei Autofahrern und vor allem bei Verkäufern: In den meisten Autohäusern gelten LPG-Fahrzeuge nach wie vor als exotisches Produkt. „Nur wenige Verkäufer sind ausreichend über das Thema Autogas informiert, und daher verkaufen sie lieber Benzin- und Diesel-Fahrzeuge, statt auf die hauseigenen Autogas-Fahrzeuge hinzuweisen“, so Schneiderbanger. Auch Joan-Hendrik Rüschkamp, einer der großen Opel-Händler Deutschlands mit vier Standorten im Münsterland und ausgewiesener Förderer alternativer Kraftstoffe, kennt das Problem: „Autoverkäufer haben wenig Interesse am Verkauf von LPG-Fahrzeugen. Das Produkt ist erklärungsbedürftig, und die Verkäufer haben aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre immer im Hinterkopf, dass Autogasautos viele Probleme machen können.“Hohe ZufriedenheitswerteTatsächlich hat der Ruf von Autogas vor nicht allzu langer Zeit gelitten: Dabei entstanden die Probleme vor allem bei den umgerüsteten Altfahrzeugen, die den Großteil der in Deutschland zugelassenen LPG-Fahrzeuge ausmachen. Denn nachdem 2006 die Steuerbegünstigung von Autogas bis zum Jahr 2018 verlängert worden war, stieg die Nachfrage nach Autogasumrüstungen stark an und erreichte im Jahr 2008 ihren Höhepunkt. In dieser Zeit sprangen zahlreiche Werkstätten auf den fahrenden Zug, so dass auf dem Gebiet der Umrüstung erhebliche Überkapazitäten aufgebaut wurden. Dies führte zu einem enormen Preisdruck. Zudem fehlte vielen Werkstätten schlichtweg die Qualifikation für eine fachgerechte Umrüstung. Beispiele fehlerhafter Umrüstungen gingen damals durch die Presse und verunsicherten die Autofahrer.Doch inzwischen hat sich der Markt bereinigt. Wer heute in einer zertifizierten Fachwerkstatt eine Umrüstung vornehmen lässt, dürfte nur noch in Ausnahmefällen Probleme bekommen. Dies zeigt auch eine aktuelle Umfrage des ADAC, bei der im vergangenen Jahr rund 4.400 Fahrer von Autogas-Fahrzeugen befragt wurden. Die Ergebnisse, so der ADAC, zeichnen ein durchweg positives Bild: Die große Mehrheit der Umfrageteilnehmer ist mit der Autogas-Nachrüstung und der täglichen Fahrzeug-Nutzung zufrieden. 88 Prozent der Umfrageteilnehmer würden sich auch in Zukunft für Autogas entscheiden. Emissions- und PreisvorteileIn der Praxis kann Autogas also überzeugen. Das liegt natürlich auch am deutlich günstigeren Preis. Während pro Liter Benzin 65,4 Cent Mineralölsteuern erhoben werden, sind es bei Autogas nur zehn Cent. Der Verbrauch im Autogasbetrieb liegt allerdings höher als im Benzinbetrieb, da LPG zwar einen höheren Brennwert pro Kilogramm aufweist, gleichzeitig aber eine um rund 40 Prozent geringere Dichte hat. Nach Angaben des DVFG liegt der Mehrverbrauch bei maximal 20 Prozent, bei Direkteinspritzern sogar nur bei 10 bis 15 Prozent. Unter dem Strich aber sinken für den LPG-Nutzer die Kraftstoffkosten dank des deutlich niedrigeren Autogas-Preises. Und auch unter Umweltgesichtspunkten überzeugt der alternative Kraftstoff. Autogasfahrzeuge haben gegenüber Benzinern einen um ca. 15 Prozent verringerten Kohlendioxid-Ausstoß. Dies gilt nicht nur für den Kraftstoffverbrauch, wie die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW) jetzt in einer Well-to-Wheel-Studie ermittelte. Sie erfasst den gesamten umweltrelevanten Prozess von der Förderquelle (Well) bis zum Einsatz im Fahrzeug (Wheel). Bei dieser Betrachtung spart Autogas im Vergleich zum benzingetriebenen Fahrzeug 16,3 Prozent CO2-Emissionen und schneidet damit besser ab als Erdgas, das nur eine CO2-Einsparung von 13 Prozent erreicht. Im Vergleich zu herkömmlichen Kraftstoffen setzt LPG zudem weniger Schadstoffe wie Feinstaub oder Stickoxide frei. Vorurteile und andere HürdenTrotz aller guten Argumente bleiben die Autofahrer zurückhaltend. „Leider wissen immer noch zu viele Autofahrer zu wenig über die Vorteile von Autogas. Hinzu kommt sicherlich auch die Scheu vieler Autofahrer, ein Neufahrzeug umrüsten zu lassen, weil sie befürchten, die Garantieleistungen zu verlieren. Die Sorge ist jedoch unbegründet, da es mittlerweile auch für diese Fälle Versicherungen gibt“, erklärt Frank Althoff, Produktmanager Autogas bei der Westfalen AG. Die mittelständische Mineralölgesellschaft aus Münster bietet Autogas bereits seit Mitte der 90er Jahre an. Heute versorgt der Geschäftsbereich Westfalengas 900 Tankstellen mit Autogas, davon gut 100 allein im Netz der 260 Westfalen-Tankstellen. Ohnehin war der Mittelstand treibende Kraft bei Aufbau des Autogasnetzes. Vorreiter waren dabei zum einen die Umbaubetriebe, die ihren Kunden zumindest am Anfang mit einer eigenen Zapfsäule locken mussten, und die freien Tankstellen, die das Geschäft mit den im Vergleich zum herkömmlichen Kraftstoff interessanten Margen gern mitnahmen. Die großen Mineralölgesellschaften wie Aral, Shell und Co haben das Thema Autogas lange verschlafen und sich auf das wenig erfolgreiche Geschäft mit Erdgas konzentriert. Inzwischen investieren zumindest einige der großen Gesellschaften in Autogaszapfsäulen, so dass die Hinterhof-Tankstellen immer mehr verschwinden. Mit bundesweit 6.500 Stationen hat das Tankstellennetz eine gewisse Sättigung erreicht. Die Zahl der Autogasfahrzeuge wird dagegen auch in den nächsten Jahren wachsen. In Deutschland wurden Neuzulassungen und Umrüstungen aufgrund der hohen Kraftstoffpreise bereits 2012 verstärkt nachgefragt. Und die EU hat ehrgeizige Ziele formuliert: Der europaweite Anteil an Autogas-Fahrzeugen, der in Ländern wie Polen oder Italien bereits jetzt deutlich höher ist als in Deutschland, soll bis 2020 zehn Prozent betragen. Gegenüber dem Vergleichswert von 2011 wäre das eine Verfünffachung. Konkurrent ErdgasDie Entwicklung in Deutschland hängt vor allem davon ab, ob die steuerliche Förderung von Autogas über das Jahr 2018 fortgeschrieben wird. Über dieses Thema wird jedoch sicherlich erst nach der Bundestagswahl ernsthaft diskutiert werden. Von Seiten der Automobilindustrie dürfte es allerdings auch in Zukunft wenig Unterstützung für den Alternativkraftstoff geben. „Die deutschen Hersteller betrachten Erdgas als den strategisch besonders vorteilhaften Kraftstoff – mehr noch als Autogas. Gegenüber einem Benziner spart Autogas rund 15 Prozent CO2, und Erdgas verursacht sogar ein Viertel weniger CO2-Emissionen. Hinzu kommt: Erdgas kann man in beliebigen Mengen künstlich erzeugtes Methan zusetzen. Mit nachhaltig erzeugtem Biomethan oder mit E-Gas aus erneuerbaren Energien können Erdgasfahrzeuge in der Zukunft nahezu CO2-frei fahren. Die Automobilindustrie setzt daher – zusammen mit der Elektrifizierung des Autos – besonders auf den Kraftstoff Erdgas“, erklärt Dr. Ulrich Eichhorn, Geschäftsführer beim Verband der Automobilindustrie. Es ist allerdings kaum absehbar, ob und wann sich die Vorstellung vom CO2-freien Erdgasauto verwirklichen lässt. Eines ist jedoch heute schon klar: Mit ihrem Einsatz für Erdgas geht die Automobilindustrie an den Wünschen der Verbraucher vorbei. Trotz massiver Werbemaßnahmen, besonders durch die Energieversorger, die genau wie die Mineralölindustrie schon immer auf den Kraftstoff Erdgas gesetzt haben, fuhren im vergangenen Jahr gerade mal 75.000 Erdgasfahrzeuge auf deutschen Straßen. Und das Tankstellennetz ist immer noch weit von den schon seit Jahren angestrebten 1.000 Stationen entfernt.Zwei Fliegen mit einer KlappeFür die Autohäuser ist die Vernachlässigung der Autogas-Fahrzeuge zumindest beim Neuwagengeschäft unproblematisch, solange sie stattdessen Diesel- und Benzinfahrzeuge an den Kunden bringen. Doch bei dieser Strategie bleiben zwei Aspekte unberücksichtigt: Umrüstungen können nicht nur für viele Werkstätten ein interessantes Zusatzgeschäft werden, sondern vor allem neuen Schwung ins Gebrauchtwagengeschäft mit Langstehern bringen. Gerade Kunden mit kleinem Geldbeutel entscheiden sich auf der Suche nach einem sparsamen Fahrzeug meist für einen Diesel mit vielen Kilometern und geringer Ausstattung und müssen dafür zudem hohe Steuern und Versicherungsprämien in Kauf nehmen. Zum gleichen Preis könnte der Verkäufer einen meist deutlich besser ausgestatteten Benziner anbieten, der sich in der eigenen Werkstatt auf den sparsamen Autogasbetrieb umrüsten lässt. Damit lassen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Langsteher wie großvolumige Benziner kommen vom Hof, und die Werkstatt wird zusätzlich ausgelastet. ■Lesen SIe hier...... warum sich die preiswerte Alternative Autogasfahrzeug beim Kunden bisher nicht durchsetzen konnte und warum Autohäuser dieses Geschäftsfeld stärker beachten sollten.KurzfassungAutogas ist der erfolgreichste alternative Kraftstoff. Dennoch entscheiden sich immer noch verhältnismäßig wenig Autofahrer für die Umrüstungen ihres Altfahrzeugs und noch weniger für ein Autogas-Neufahrzeug. Dies liegt vor allem an mangelnder Information und Werbung durch die Automobilindustrie, die stattdessen auf Erdgas setzt, und durch den Autohandel, speziell die Automobilverkäufer.Autogas und ErdgasAutogas ist ein Gemisch aus Butan und Propan. Es wird unter geringem Druck flüssig gespeichert. Dies erklärt den Namen Flüssiggas und das Kürzel LPG (Liquified Petroleum Gas). Erdgas besteht dagegen im Wesentlichen aus Methan. Es wird unter hohem Druck von 200 bar in die Tanks gepresst. Daher stammt die Abkürzung CNG (Compressed Natural Gas).

Renault Deutschland-Chef Siebrecht: Agenturvertrieb ist "reine Berateridee"

Mercedes G 580 EQ: Offroad-Legende wird zum Stromer

Geplantes Verbrenner-Aus: Wagenknecht will Abstimmung im Bundestag

Xiaomi: Erstes Auto kommt in China gut an

Hyundai: Im ersten Quartal weniger Autos verkauft

Alle Schlagzeilen

Ausgabe 04/2013: Zu wenig angeboten

Zu wenig angeboten

WEITERLESEN

NEWSLETTER