Pablo di Si ist in Plauderlaune. Der aus Argentinien stammende Chef vom VW do Brasil berichtet von einem Routine-Besuch seiner Chefs aus dem fernen Wolfsburg. "Dabei haben wir unseren deutschen Kollegen den Prototyp eines neuen Autos gezeigt, dass unsere Designer in Sao Paulo gestaltet haben. Und die Reaktion war positiv." Das ist sogar eine leichte Untertreibung. Denn was dann wenig später beschlossen wurde, gleicht einer Revolution im VW-Imperium: Erstmals wird ein in Brasilien eigenständig entwickeltes Modell auch außerhalb des Landes gebaut, zum Beispiel in Europa und vielleicht auch in China.
Es geht um ein kompaktes Auto mit breitgezogenem Grill, also typischer VW-Front, das auf der Plattform des Polo steht. Eine langgezogene Dachlinie endet in einem Spoiler und geht dann in ein flach abfallendes Heckfenster über. Die Form eines sogenannten Crossover also, einer Mischung zwischen sportlichem Kombi und hoch gebautem SUV. Der in Brasilien Nivus getaufte Neuling erinnert in seiner Silhouette ein wenig an den Mercedes CLA Shooting Break oder den Kia ProCeed. Pablo Di Si: "Das Auto ist höher als der ebenfalls von uns entwickelte Virtus und flacher als der T-Cross." Virtus (Bild unten) heißt ein nur in Brasilien gebauter Polo mit Stufenheck, der etwas länger ist als die bei uns bekannte Schrägheck-Limousine.
Di Si berichtet vom Stolz seiner Designer, ohne Zutun der bislang so strengen Wolfsburger Zentrale völlig eigenständig die Idee eines coupéartigen Kompakt-Kombis verfolgt und verwirklicht zu haben. "Wir bringen erstmals in unserer Geschichte brasilianischen Spirit in die Welt, kombinieren Sportlichkeit mit einer höheren Sitzposition und statten das Auto mit all dem aus, was in unserer vernetzten Welt von den Kunden erwartet wird." Damit meint er unter anderem das virtuelle Cockpit, Internetanbindung und zahlreiche Dienste rund um das Auto.
Während der Nivus auf seinem Heimatmarkt mit den dort üblichen kleinen Benzinern angetrieben wird, bekommt er für Europa stärkere Motoren, vielleicht sogar den 147 kW/200 PS leistenden Zweiliter-Turbo aus dem Polo GTI. Einen Namen für Europa allerdings hat der schöne Unbekannte noch nicht. Den will VW erst kurz vor der Europa-Premiere bekannt geben.
Folge einer kleinen Revolution
Pablo di Si nennt die Entscheidung, das südamerikanische Auto auch anderswo auf der Welt zu bauen, die Folge einer kleinen Revolution aus dem Jahr 2016. Damals hatten der damalige VW-Markenchef Herbert Diess (inzwischen Chef des ganzen Konzerns) und Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann angekündigt, dass die VW-Töchter rund um den Globus künftig eigenständiger agieren dürfen als es bislang üblich war. Für Brasilien wurden 1,5 Milliarden Euro für die Entwicklung neuer Produkte, Digitalisierung und technische Innovationen bereitgestellt. Die Folge war eine Offensive mit 20 neuen Modellen bis 2020, die größtenteils schon auf dem Markt sind. Inzwischen hat sich VW in Brasilien als zweitstärkste Marke zurückgemeldet und will Marktführer Chevrolet demnächst überholen. (SP-X)