Das geplante Fahrverbot für Kriminelle wird vom Deutschen Verkehrsgerichtstag (VGT) scharf kritisiert. Eine Kriminalstrafe nach der Devise, wo treffe ich Straftäter am empfindlichsten, widerspreche den Prinzipien des Schuldstrafrechts, sagte der Präsident der jährlichen Verkehrsrechtskonferenz, Kay Nehm, am Donnerstag in Goslar.
Der frühere Generalbundesanwalt wies darauf hin, dass der Verkehrsgerichtstag Fahrverbote für Straftäter, deren Vergehen nichts mit dem Straßenverkehr zu tun hat, bereits in der Vergangenheit nachdrücklich abgelehnt hatte. CDU, CSU und SPD beabsichtigen laut Koalitionsvertrag, das Fahrverbot als eigenständige Sanktion im Strafrecht einzuführen.
Wenn jeglicher Bezug zwischen Tat und Sanktion fehle, strafe ein allgemeines Fahrverbot die Verurteilten auf ganz unterschiedliche Weise, sagte Nehm. Dies führe zu Ungerechtigkeiten, unterstützte ihn die niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) in Goslar. Wer auf dem Land wohne, werde von einem Fahrverbot ungleich härter getroffen als Stadtbewohner. Und wer Geld hat, könne sich fahren lassen. "Die Mehrheit der Bevölkerung kann das aber nicht", sagte die Ministerin.
Überladene Lastwagen im Visier
In seiner offiziellen Eröffnungsansprache forderte VGT-Präsident Nehm Deutschlands Behörden auf, verstärkt Jagd auf überladene Lastwagen zu machen. Diese Lkw gehörten zu den Hauptverursachern schwerer Straßenschäden. Viele Landesstraßen seien in schlechterem Zustand als manche Feldwege, sagte Nehm. Und marode Brücken seien der Grund dafür, dass die Lebensadern ganzer Landstriche getrennt seien.
Angesichts dieser Situation seien "in naher Zukunft erhebliche finanzielle Anstrengungen" erforderlich, sagte der VGT-Präsident. Er appellierte in diesem Zusammenhang an die verantwortlichen Politiker, das Verursacherprinzip nicht aus den Augen zu verlieren. "Der Verschleiß unserer Straßen ist ja keineswegs Gott gegeben", sagte Nehm.
Schon ein normal beladener Lkw verursache tausendfach mehr Verschleiß als ein Pkw. Und überladene Lastwagen richteten an den vorgeschädigten Straßen ein vielfaches an Zerstörungen an, sagte Nehm. Um überladenen Lastern auf die Spur zu kommen, forderte Nehm flächendeckende Kontrollen mit moderner Technik. Man könne dies jedenfalls nicht "einem mit Anhaltekelle ausgestatteten Polizisten am Fahrbahnrand überlassen". Angesichts der beträchtlichen Schäden sei auch die Pkw-Maut eine Option, sagte Nehm. Der Plan, ausschließlich Ausländer zu belangen, erscheine aber in seiner "plakativen Europarechtsfeindlichkeit eher als frühes Eingeständnis des Scheiterns".
1.900 Experten und Juristen in Goslar
Am 52. deutschen Verkehrsgerichtstag nehmen mehr als 1.900 Verkehrsexperten und Juristen aus dem In- und Ausland teil. Sie beraten noch bis Freitag über aktuelle Themen des Verkehrsrechts. Diskutiert wird in diesem Jahr unter anderem über den Schutz von Fahrdaten im Auto, die auch als "Idiotentest" bezeichnete medizinisch-psychologische Untersuchung von Verkehrssündern, Schmerzensgeld nach Verkehrsunfällen und rätselhafte Unfälle. Der Kongress endet mit Empfehlungen an den Gesetzgeber. (dpa)
Michael Kühn