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Schadenslenkung aktuell: Wer steuert wen – oder sich selbst?

10.12.2016 18:42 Uhr
Schadenslenkung aktuell: Wer steuert wen – oder sich selbst?
Dieses Bild ist genau zehn Jahre alt und hing in dieser Form an einem freien K&L Betrieb im Rheinland. Es verdeutlicht die von Versicherern gesuchte Nähe zu ZKF-/Eurogarant-Betrieben. Das ist auch heute nicht anders. Die Schnittmengen der verschiedenen Netze mit gleichen Betrieben, die von allen Schadensteuerern genutzt werden, sind hoch und liegen häufig bei deutlich über 50 Prozent. Einen "Signalisationsstreit" gab es vor 10 Jahren allerdings noch nicht.
© Foto: Walter K. Pfauntsch

Die Instandsetzung von Unfallschäden ist in Deutschland ein milliardenschwerer Markt. Und Schadenslenkung, ursprünglich aus Großbritannien durch die Innovation Group in freie K&L Fachbetriebe gebracht, feiert hierzulande in wenigen Wochen bereits 20-jähriges Jubiläum. Aber wie ist der Markt für (gelenkte) Unfallschäden eigentlich verteilt?

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Auch wenn mit riparo Anfang Dezember 2016 ein weiterer Schadenslenker neu an den Start ging: Direkt lenkbare Unfallreparaturaufträge aus der Versicherungswirtschaft sind derzeit überall klar zugeordnet. Entweder kümmern sich die Gesellschaften mit eigenen Strukturen und Netzen selbst darum, oder sie haben feste Kontrakte mit Auftragnehmern, die das für sie erledigen.


Die eigengesteuerten "untouchable"-Aufträge
Nennenswerte, eigene Werkstattnetze unterhalten neben der HUK-Coburg Gruppe nur mehr DEVK, HDI und LVM. Das sind die von Fremddienstleistern her nicht greifbaren Schäden, da die Direktiven direkt von den Gesellschaften ausgehen. Zumindest beim Kaskoschaden, wo der Versicherer ein direktes Weisungsrecht hat.

Bleibt man jetzt zunächst einmal bei der sogenannten Schadenkooperation der HUK-Coburg, dann sprechen wir hier von rund einem Drittel des Gesamtschadenaufkommens, das von mehreren, dieser Kooperation angehörenden Versicherungsunternehmen in ein gemeinsames Werkstätten-Netzwerk eingesteuert wird. Dieses Netz (gemischt aus Autohäusern und freien K&L Betrieben) hat die HUK-Coburg zur Jahrtausendwende aufzubauen begonnen, mit eigenen Regeln und Standards ausgestattet und sukzessive auf aktuell gut 1.500 Partnerbetriebe erweitert.

Neben den HUK-eigenen Unternehmen (inklusive HUK24 und den Versicherern im Raum der Kirchen) gehören zur Schadenkooperation der oberfränkischen Assekuranz auch die VHV, Hannoversche, AachenMünchener, Generali, CosmosDirekt, Concordia, Gothaer, Janitos und Debeka. Dieser Verbund steuert heute deutschlandweit die meisten Schäden.

Innovation Group bündelt Aufträge von 48 Versicherungsmarken
Unbestrittene Nummer 2 im Markt ist die Innovation Group (IG) mit Hauptsitz in Stuttgart. Sie lenkt hierzulande für insgesamt 40 Versicherungen mit 48 Versicherungsmarken Unfallschäden und betreut darüberhinaus 110 Flotten, wie Vorstandsvorsitzender Matthew Whittall in dieser Woche auf Nachfrage gegenüber AUTOHAUS Schaden§manager aktuell mitteilte. Auf die Innovation Group entfällt ein weiteres Drittel der potentiell aus der Versicherungswirtschaft heraus lenkbaren Schäden. Die größten IG-Auftraggeber aus der Assekuranz sind (in alphabetischer Reihenfolge) die AXA, Continentale-Gruppe, ERGO, R+V, WGV, Württembergische und Zurich.

SPN und "Co."
Das letzte Drittel in der deutschen Schadenlenkung teilen sich derzeit im Wesentlichen das SPN-Netzwerk, die Selbststeuerer DEVK, HDI, LVM, ferner der Oberhausener Schadenslenker Damage Management Service (DMS), die ZKF-Tochter Eurogarant und einige wenige sonstige Schadenslenker. Das größte Werkstätten-Partnernetz im gesamten Markt unterhält dabei die DEVK mit mehr als 4.000 Betrieben. DMS verfügt über zwei getrennte Netze, die sich nach eigenen Angaben im einen Fall aus rund 1.600 Marken-Autohäusern und im anderen aus etwa 400 freien K&L Betrieben zusammensetzen.

SPN (Service-Partner-Netzwerk) entstand ursprünglich aus einer Kooperation der Versicherungskammer Bayern (VKB) mit dem ADAC (der seinerseits die Unfallschäden der ADAC Autoversicherung AG im Fokus hatte). Am 1. April 2015 wurde die Kooperation ausgedehnt auf die Allianz Versicherungs AG und die Sparkassen-Versicherung Sachsen. ADAC, Allianz und VKB sind mit jeweils 30 Prozent Gesellschafter an der SPN GmbH, die restlichen 10 Prozent entfallen auf die Sparkassen-Versicherung Sachsen als Ostdeutschlands größtem Versicherer mit Sitz in Dresden. Das SPN-Netz umfasst aktuell gut 1.000 Fachbetriebe.

2017 mehr Schadenslenkung aus München?
Im Gesellschaftervertrag hatte man übrigens festgehalten, dass alle öffentlichen Versicherer mit Autosparte (z.B. die Provinzialen, SV-Versicherungen, VGH, Feuersozietät Berlin etc.) über die Sparkassen-Versicherung Sachsen ebenfalls bei SPN  mit eintreten können. Nach einem eher verhaltenen Start sind – eindreiviertel Jahre nach Fixierung der aktuellen SPN-Zusammensetzung – erste Bestrebungen erkennbar, dass ab Frühjahr 2017 von Seiten der drei in München ansässigen Gesellschafter mehr „Dampf“ auf die Schadensteuerung kommen soll...


Wer ist auf gelenkte Schäden spezialisiert?
Vom Volumen her sind freie K&L Betriebe die Hauptabnehmer von Schadensteuerungsaufträgen. Sie unterliegen meist strengen Auflagen der Versicherungswirtschaft. Dazu gehören u.a. ISO- und auch weitergehende Zertifizierungen (meistens DEKRA, aber auch TÜV). Präferiert werden die ZKF-Werkstätten, insbesondere wenn sie auch Eurogarant-Fachbetrieb sind. Diese Unternehmen gehören in aller Regel zusätzlich Netzen der Lackhersteller an (z.B. Acoat Selected/Akzo Nobel Coatings; ColorMotion/BASF Coatings; Five-Star, Identica, Profi-Club, Repanet/alle gebündelt bei Axalta Coatings), in denen sie ebenfalls gecoacht werden. Lechler, Nexa und PPG unterhalten keine expliziten Netze, betreuen ihre Werkstattpartner jedoch auch in betrieblichen Fragen und zu aktuellen Marktthemen.

Auch viele Marken-Autohäuser haben sich längst für Schadenslenkung aufgestellt. Sie werden von den Versicherern meist dann genutzt, wenn es um Unfälle von neu im Markt eingeführten Modellen geht, bei denen Markenbetriebe zu diesem Zeitpunkt einen Schulungs- und Informationsvorsprung durch den Hersteller besitzen.

Und was macht die Automobilwirtschaft?
Nach mehreren Jahren, in denen Hersteller und Händler immer öfter Wegsteuerungen durch „Fremdversicherer“ aus den Autohäusern erlebten, setzt hier bei den Financial-Services- und Kundendienst-Einheiten ein Umdenken ein. Rückgänge bei Teileumsätzen und im Unfallreparaturgeschäft haben schmerzliche Spuren hinterlassen. Und allmählich begreift man auch in den meist von den Autobanken der Hersteller bestimmten Versicherungseinheiten, welche Wertschöpfung die Police ab Autohaus beinhaltet: Der Mehrumsatz durch jeden Kraftfahrtvertrag bringt pro Jahr und Kunde 1.000 Euro (und auch deutlich mehr) ins Autohaus.

Mit berücksichtigt sind hier neben der (überschaubaren) Provision und dem statistisch (nur) alle sieben bis neun Jahre stattfindenden Unfallschaden vor allem die Zusatzerlöse im Teile-, Zubehör- und Werkstatt-/Servicegeschäft. Wer rechnen kann, weiß, was schon 1.000 mit Versicherungsvertrag eingedeckte NW- und GW-Kunden jedes Jahr an Mehrumsatz in den Handelsbetrieb bringen. Und wie deutlich besser man damit eine Personal- sowie generelle Haushaltsplanung vornehmen kann.

Branchenprimus Aioi/Toyota
Den stärksten "Drive" hat in der Automobilwirtschaft zweifellos Toyota. Der Importeur kommt (auch ohne Sonderpakete) über seinen markeneigenen, japanischen Versicherer Aioi Dowa Nissay Insurance und den deutschen Toyota Versicherungsdienst auf kontinuierlich die höchsten Penetrationsraten und Händlerzufriedenheitswerte. Belegt ist dies nicht zuletzt durch die Top-Werte der Aioi-/Toyota-Versicherung und kategorieübergreifenden Siege beim alljährlichen AUTOHAUS-VersicherungsMonitor, den die Puls-Marktforschung durchführt und der TÜV NORD aktiv mit unterstützt.

Weitere Versicherer-Hersteller-Kooperationen
Ebenfalls gut unterwegs sind die Marken im VW-Konzern und bei Opel, die beide seit 1948 eine feste Kooperation mit der Allianz als Risikoträger unterhalten. Zum 1. Januar 2013 starteten die VW Financial Services AG und die Allianz mit der Volkswagen Autoversicherung AG sogar einen eigenen Erstversicherer, der seit 1. April 2013 auch operativ tätig ist.

Vom Grundsatz her sind heute alle Automarken in direkten Kooperationen mit Versicherern befindlich. Die mit Abstand meisten Fabrikate in Deutschland bündelt die Allianz (26). Außerdem als Risikoträger in Verbindung mit der Automobilwirtschaft stehen HDI, Helvetia, Alte Leipziger, Direct Line und die Nürnberger/Garanta.

Ausbaufähiger Lenkungsansatz: Schadensrückführung ins Autohaus
Im Fokus der Hersteller-Versicherer-Kooperationen steht zwar die Rückführung vor allem des Unfallreparaturgeschäftes zu den jeweils eigenen Händlern. Doch nach wie vor muss in diesem Bereich auch künftig noch eine Menge an Überzeugungsarbeit in den Autohäusern auf Unternehmer- und Verkäuferebene geleistet werden. Echter Mehrumsatz ist nur über  höhere Penetration und damit Kundenbindung auch im Versicherungsgeschäft machbar! Und genau da hapert es vielfach noch. Zur Freude der großen Schadenlenker wie HUK-Coburg oder Innovation Group – und künftig möglicherweise auch einer neuen riparo.   (wkp)

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