-- Anzeige --

Verkehrskommissar Kallas: 57 Prozent aller tödlichen Unfälle passieren EU-weit auf Landstraßen

19.11.2013 13:31 Uhr
DEKRA e.V.
Stefan Kölbl, Vorsitzender des Vorstands von DEKRA e.V. und DEKRA SE (l.) mit Siim Kallas, Vizepräsident der Europäischen Kommission und Kommissar für Verkehr (mi.) sowie DEKRA SE Vorstandsmitglied Clemens Klinke, der für die Business Unit Automotive verantwortlich zeichnet.
© Foto: DEKRA e.V.

Trotz grundsätzlichem Rückgang der Verkehrstotenzahlen in der EU von 54.300 im Jahr 2001 auf knapp 28.000 im Jahr 2012 ist dem europäischen Verkehrskommissar Siim Kallas diese Zahl zu hoch. In Brüssel hat er jetzt angekündigt, vor allem den Landstraßenunfällen den Kampf anzusagen.

-- Anzeige --

Bei ihren Anstrengungen zur Reduzierung der Verkehrstoten in der EU nimmt die Europäische Kommission gezielt auch die Landstraßen ins Visier. Hier ist seit Jahrzehnten der Anteil der Verkehrstoten am höchsten. "Auf Landstraßen blicken wir sehr besorgt. Durchschnittlich ereignen sich 33 Prozent aller Unfälle im Straßenverkehr und 57 Prozent der tödlichen Unfälle in der Europäischen Union auf Landstraßen", so EU-Verkehrskommissar Siim Kallas beim Parlamentarischen Abend der Sachverständigenorganisation DEKRA vor kurzem in Brüssel. Gründe dafür seien häufig hohe Fahrgeschwindigkeiten und Geschwindigkeitsunterschiede, wechselnde Fahrbahnqualitäten, Gegenverkehr, unübersichtliche Kurven, oft schlechte Überholmöglichkeiten, Kreuzungen und ungeschützte Hindernisse wie Bäume direkt neben der Fahrbahn. 

DEKRA Report deckt sich mit EU-Analyse von Kallas

Wo die größten Optimierungspotenziale für mehr Verkehrssicherheit auf Landstraßen liegen, zeigt auch der DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2013 aus Sicht von Unfallforschung, Verkehrspsychologie und Prüftechnik auf. 

"Dieser Report ist weit mehr als eine Ansammlung von Fakten über den Ist-Zustand. Er soll Denkanstöße liefern für Politik, Verkehrsexperten, Hersteller, wissenschaftliche Institutionen sowie Verbände und zugleich Ratgeber für alle Verkehrsteilnehmer sein", sagte in Brüssel Stefan Kölbl, Vorsitzender des Vorstands DEKRA e.V. und DEKRA SE. 

Landstraßentod in Deutschland über EU-Durchschnitt

Auf den ersten Blick sind die jüngsten EU-Zahlen zu den Verkehrsopfern durchaus erfreulich. Kamen auf den Straßen der EU im Jahr 2001 rund 54.300 Menschen ums Leben, waren es 2012 "nurmehr" knapp 28.000. Allein gegenüber dem Jahr 2011 bedeutet dies einen Rückgang um rund neun Prozent. Im Verhältnis unverändert hoch ist allerdings die Zahl der Getöteten auf den Landstraßen. Hier werden in der EU seit Jahren regelmäßig mehr als die Hälfte aller Verkehrstoten verzeichnet. 

Dabei sind die Anteile in einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich – sie reichten beispielweise laut Statistik für das Jahr 2010 von 36 Prozent in Staaten wie Rumänien oder Portugal bis zu 75 Prozent etwa in Irland und Finnland. Unter anderem auch Frankreich (66 Prozent), Österreich (64), Spanien (63), Tschechien (60) und Deutschland (60) verzeichnen überdurchschnittlich hohe Anteile der Verkehrstoten auf Landstraßen. 

Klinke fordert nachhaltige Maßnahmen "auf allen Ebenen"

"Um nicht nur das EU-Ziel einer weiteren Halbierung der Zahl der Verkehrstoten bis 2020 zu erreichen, sondern speziell auch die Verkehrssicherheit auf Landstraßen zu erhöhen, sind nachhaltige Anstrengungen auf allen Ebenen nötig", so Dipl.-Ing. Clemens Klinke, Mitglied des Vorstands der DEKRA SE und verantwortlich für die Business Unit Automotive. "Trotz aller Erfolge der vergangenen Jahre sind die aktuellen Zahlen insbesondere mit Blick auf die Getöteten auf Landstraßen eine Herausforderung, der sich auch DEKRA engagiert stellt."

Zeigen Wirkung: Überholfahrstreifen und Geschwindigkeitsüberwachung 

Überholvorgänge auf Landstraßen enden noch viel zu oft mit Frontalkollisionen oder schleuderndem Abkommen von der Fahrbahn. "Unzureichende Sicht, Fehleinschätzung von Abständen und Geschwindigkeiten sowie die eigene Ungeduld sind nur einige Gründe für den oft fatalen Entschluss zum Überholen", erklärt DEKRA Vorstand Klinke. "Gerade hohe Lkw-Dichte führt zu deutlichen Geschwindigkeitsdifferenzen und dem Wunsch von Pkw- aber auch Motorradfahrern, schnell zu überholen." Abhilfe schaffen könne hier etwa der abschnittsweise Ausbau mit einem dritten Fahrstreifen im Richtungswechsel. 
Die Effizienz dieser Maßnahme wurde aktuell in einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) unter Beweis gestellt: Die Überholunfälle wurden deutlich reduziert. Im Rahmen der Studie untersuchte die BASt auch die Wirksamkeit von ortsfesten Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen. Auf den Untersuchungsstrecken sank die Zahl der Unfälle dadurch um bis zu 52 Prozent. 

Aktive und passive Sicherheitssysteme retten Leben

Ein hohes Potenzial bieten auch Fahrerassistenzsysteme wie das elektronische Stabilitätsprogramm ESP. Es kann dazu beitragen, dass etwa bei zu schneller Einfahrt in eine Kurve ein instabiler Fahrzustand und schleuderndes Abkommen von der Fahrbahn verhindert wird – zumindest innerhalb der Grenzen der Fahrphysik. Ein Abkommen von der Fahrbahn durch Unaufmerksamkeit kann auch der „Spurverlassenswarner“ verhindern. 

"Funktion über gesamte Nutzungsdauer sicherstellen!"

"Solche Systeme werden mittlerweile auch in Volumenmodellen der Klein- und Mittelklasse serienmäßig oder gegen einen vergleichsweise geringen Aufpreis angeboten", begrüßt Clemens Klinke die Entwicklungen auf dem Fahrzeugmarkt. "Autokäufer sollten im Interesse ihrer eigenen Sicherheit darauf setzen." Ziel muss es laut DEKRA auch sein, für jedes sicherheitsrelevante System die zuverlässige Funktion über die gesamte Nutzungsdauer des Fahrzeugs zu gewährleisten. Wartung und Service dürften also nicht vernachlässigt werden. 

Jeder zweite Landstraßenunfall geht auf technische Mängel zurück

Einen entscheidenden Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit leiste hier auch die periodische Fahrzeugüberwachung. Wie wichtig die Aufdeckung von technischen Mängeln gerade für die Verkehrssicherheit auf Landstraßen ist, zeigen die von DEKRA erstellten Auswertungen von Unfallgutachten der Jahre 2002 bis 2011. Danach waren in diesem Zeitraum 52 Prozent aller unfallrelevanten technischen Mängel auf Landstraßen zu verzeichnen. 

Sicherheitsgurt als "Insassenschützer" absolut unabdingbar

Unabhängig von Fahrerassistenzsystemen bleibt der Sicherheitsgurt aber Lebensretter Nummer eins und sollte konsequent genutzt werden. Nach Angaben der BASt liegt die Sicherungsquote für Pkw-Insassen auf Landstraßen bei 98 Prozent. Diese Zahlen bestätigt auch eine bundesweite DEKRA Erhebung vom Mai 2012. Andererseits zeigt eine Auswertung der Datenbank GIDAS (German In-Depth Accident Study) von 2006, dass die bei Unfällen ermittelte Gurtanlegequote mit der Zunahme der Verletzungsschwere sinkt. Bezogen auf alle unfallbeteiligten Pkw-Insassen ergab sich über sämtliche Verletzungsklassen hinweg eine Gurtquote von unter 85 Prozent. Besonders alarmierend: 60 Prozent der auf Landstraßen in Unfälle mit Personenschaden verwickelten, nicht angeschnallten Pkw-Insassen erleiden schwere oder tödliche Verletzungen. 

Die Forderungen der DEKRA

Beim parlamentarischen Abend ihrer SV-Organisation haben DEKRA-Vorstandschef Stefan Kölbl und -Automotive-Vorstand Clemens Klinke nochmals die Forderungen ihres Hauses wiederholt. Zusammengefasst lauten sie:
– Höhere Regelakzeptanz und Verantwortungsbewusstsein aller Verkehrsteilnehmer.
– Erhöhung der Gurtanlegequote auf 100 Prozent.
– Gezieltere Geschwindigkeits-, Alkohol- und Drogenkontrollen an potenziellen Gefahrenstellen.
– Einführung von Überholverboten an kritischen Streckenabschnitten und verstärkter Ausbau von Abschnitten mit drittem Fahrstreifen im Richtungswechsel, um ein sicheres Überholen zu ermöglichen.
– Anpassung des Tempolimits an den Straßenzustand und das Risiko. Auf gut ausgebauten Strecken kann für Lkw Tempo 80 erlaubt werden.
– Sicherung der Seitenräume von Straßen durch wirkungsvolle Schutzeinrichtungen. 
– Genügend Abstand von Bäumen zur Fahrbahn.
– Bereitstellung ausreichender Mittel und Investitionen für den Erhalt, Ausbau und Neubau von Straßen.
– Rechtzeitige Ankündigung von Kreisverkehren, Kreuzungen und Einmündungen.
– Höhere Marktdurchsetzung mit Fahrerassistenzsystemen wie ESP, Notbremsassistent, Spurverlassenswarner, kamerabasiertes aktives Lichtsystem oder Nachtsichtassistent.
Gewährleistung der Funktionsfähigkeit mechanischer und elektronischer Komponenten der Fahrzeugsicherheit über das gesamte Fahrzeugleben.
(wkp)

-- Anzeige --
-- Anzeige --

MEISTGELESEN


-- Anzeige --

STELLENANGEBOTE


-- Anzeige --
KOMMENTARE

Hans Sachs

21.11.2013 - 08:12 Uhr

Wir sehen das Thema Landstraße genau so, haben deshalb eine Erfindung zum Patent angemeldet, die trotz ihres einfachen und damit kostengünstigen Aufbaus niemanden der Fahrzeuhersteller interessiert. Potential: Halbierung aller Unfälle mit Todesfolge.


SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

-- Anzeige --
WEITERLESEN



NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Auto News für die Automobilbranche: AUTOHAUS ist eine unabhängige Abo-Fachzeitschrift für die Automobilbranche und ein tagesaktuelles B2B-Online-Portal. AUTOHAUS bietet Auto News, Wirtschaftsnachrichten, Kommentare, Bilder und Videos zu Automodellen, Automarken und Autoherstellern, Automobilhandel und Werkstätten sowie Branchendienstleistern für die gesamte Automobilbranche. Neben den Auto News gibt es auch Interviews, Hintergrundberichte, Marktdaten und Zulassungszahlen, Analysen, Management-Informationen sowie Beiträge aus den Themenbereichen Steuern, Finanzen und Recht. AUTOHAUS bietet Auto News für die Automobilbranche.