Dekra-Interview: "Bis zu 30 Prozent überziehen die HU-Frist"

AH: Herr Klinke, mit welchen neuen Services wollen Sie unsere Leser in diesem Jahr unterstützen? C. Klinke: Ich glaube, dass wir Autohäusern vor allem beim Gebrauchtwagenmanagement Unterstützung geben können - damit sie letztlich mehr Ertrag erzielen. Wir haben festgestellt, dass dort, wo das Gebrauchtwagengeschäft professionell gemanagt wird, auch gutes Geld verdient wird. Bei größeren Autohaus-Gruppen ist diese Dienstleistung heute fast Standard. Bei der periodischen Fahrzeugüberwachung, einer genormten Dienstleistung, läuft die Differenzierung hingegen über die Flexibilität und den Service der Mitarbeiter. AH: Fahrzeugüberwachung ist ein gutes Stichwort: Was erwarten Sie sich denn von dem neuen HU-Adapter, der im Juli eingeführt wird? C. Klinke: Der HU-Adapter ist eine sehr sinnvolle Sache. Denn meiner Meinung nach sind elektronische Assistenzsysteme einer der größten Hebel, die Verkehrssicherheit weiter zu erhöhen. Damit das möglich ist, müssen die Prüfmethoden mit der technischen Entwicklung der Fahrzeuge Schritt halten. Der HU-Adapter soll künftig dabei helfen, Fehler aufzudecken, die auch bei sicherheitsrelevanten elektronischen Systemen auftreten. Ich bin froh, dass der HU-Adapter entwickelt und vorgeschrieben wurde - und zwar einheitlich für alle Prüforganisationen. Er ist genau auf den Prüfauftrag der Überwacher zugeschnitten: Es geht darum, Mängel festzustellen - anders als bei der Werkstattdiagnose, wo die Ursache im Detail zu klären ist. Wichtig ist aber, dass der HU-Adapter im Prinzip mit den gleichen Dialogroutinen des Herstellers arbeitet wie die Diagnose, so dass man auf beiden Wegen zu gleichen Aussagen kommt, im Rahmen der HU sowie in der Werkstatt, bei der Vorbereitung zur HU oder der Reparatur. AH: Da sind wir ja schon mittendrin im Thema Fahrerassistenzsysteme, teilautonomes und autonomes Fahren. Was erwarten Sie hier in Zukunft? C. Klinke: Ein sehr interessantes Thema. Gerade heute Morgen haben wir in einer längeren Sitzung darüber gesprochen. Ich persönlich glaube, dass es noch ein langer Weg ist, bis wir mit dem Fahrzeug vollautonom oder vollautomatisch fahren können, so dass wir als "Fahrer" quasi auf der Rücksitzbank sitzen können. Wenn wir so weit sind, führt das zu tiefgreifenden Veränderungen bei der Mobilität. Meiner Meinung nach wird das aber noch 20 Jahre dauern. Das Komplizierte ist eigentlich der Weg dorthin - das teilautonome Fahren, insbesondere die rechtlichen und haftungsrechtlichen Themen. Immer wichtiger werden hier Regelungen zur Bereitstellung der notwendigen Daten und technischen Informationen für die Fahrzeugüberwachung. Dieser Zugang muss durch nationale und internationale Regelungen gesichert werden. Mit großem Interesse beobachten wir natürlich auch die Entwicklung in den USA. In Kalifornien soll ja bereits dieses Jahr die Zulassung solcher Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen möglich sein. AH: Machen wir einen Schwenk zu einem weiteren Thema: den Harmonisierungs-Tendenzen aus Brüssel. Auf was müssen wir uns hier für den deutschen Markt einstellen? C. Klinke: Wir alle begrüßen ja Harmonisierungs-Bestrebungen. Das Thema wurde in den letzten Jahren intensiv diskutiert. Ziel war es, die Fahrzeugüberwachung in Europa zu harmonisieren. Dazu fanden auch Vergleichsuntersuchungen durch Behörden statt. Wir haben dies unterstützt. So wurde damals gefragt: Was ist denn überhaupt der für alle erreichbare Standard? Weil wir selbst in vielen europäischen Ländern in der Fahrzeugüberwachung vertreten sind, konnten wir deutlich aufzeigen, dass das erreichte Niveau sich stark unterscheidet, selbst bei den Prüfinhalten. In Brüssel und in Straßburg hat man daraus die richtige Schlussfolgerung gezogen, dass es nicht vorrangig um eine Harmonisierung geht, sondern dass es viel wichtiger ist, höhere einheitliche Mindeststandards zu erreichen. Viele Länder müssen zum Beispiel erst einmal ihre Standards in Richtung auf das deutsche Niveau anheben. In Deutschland stehen wir bei der Fahrzeugüberwachung weltweit ganz vorne. AH: Wie lange wird das Ihrer Meinung nach dauern? C. Klinke: Das ist eine Aufgabe für die nächsten zehn Jahre, davon bin ich überzeugt. Einige Länder sind hier noch weit weg vom deutschen Standard - auch beim Thema Prüfung elektronischer Assistenzsysteme, von dem wir eingangs gesprochen haben. AH: Kommen wir zurück zum deutschen Markt. Der Trend zur Fristen-Überziehung bei der Hauptuntersuchung wirkt sich auf Ihr Geschäft aus. C. Klinke: Das trifft alle Prüforganisationen ähnlich. Bis zu 30 Prozent der Halter überziehen die Hauptuntersuchungs-Frist. Bei uns sind es konkret 28 Prozent - vor allem Halter von sehr alten Fahrzeugen. Das ist nicht in Ordnung und kann nicht im Sinne der Verkehrssicherheit sein. Was früher die Ausnahme war, wird immer mehr zur Regel. Dabei muss man wissen, dass vor dem Wegfall der Rückdatierung der Anteil der Überzieher bei unter fünf Prozent lag. Hier muss der Gesetzgeber etwas ändern. Die "Fristüberzieher" haben zusätzlich noch 30 bis 40 Prozent mehr erhebliche Mängel, auch das ist nicht im Sinne der Verkehrssicherheit. Wie Sie wissen, treten wir deshalb - gerade bei älteren Fahrzeugen - eher für eine kürzere Frist ein. AH: Welche Bedürfnisse nehmen Sie bei den eben angesprochenen Servicebetrieben aktuell wahr? C. Klinke: Wir versuchen, wie gesagt, im Bereich der Hauptuntersuchung den besten Service zu bieten. Möglichst flexible Termine - das erwarten die Autofahrer von ihren Kfz-Betrieben. Beim Gebrauchtwagenmanagement werden wir dieses Jahr mit einer neuen, besseren IT-Lösung auf den Markt kommen. Und: Die Autohäuser müssen sich in den nächsten Jahren verstärkt an die neue Fahrzeugtechnik anpassen, beispielsweise bei der Lichttechnik. Auch hier beraten wir die Betriebe gern. Eines möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen: Im Sinne der Verkehrssicherheit ist es nicht nur wichtig, dass wir alle Mängel finden, sondern auch, dass diese umfassend und fachgerecht repariert werden. Dies ist ein immer wichtigerer Teil des Geschäfts der Kfz-Betriebe. Schließlich steht Dekra seit 1925 für sichere Mobilität und wirtschaftlichen Erfolg. AH: 90 Jahre Dekra - da haben Sie dieses Jahr sicherlich öfter Grund zum Feiern. C. Klinke: Mitte des Jahres werden wir dieses wichtige Jahr entsprechend feiern, für uns ist das schon eine Erfolgsgeschichte. Zumal wir 1925 auf freiwilliger Basis mit der Fahrzeugüberwachung begonnen haben - die Hauptuntersuchung ist ja erst 1951 eingeführt worden und wurde erst ab 1961 durch die Einführung der HU-Plakette richtig gelebt. AH: Das Thema Internationalität ist bei Dekra wichtig. Wie sind Sie hier aktuell unterwegs? C. Klinke: Wir sind sehr froh, dass wir weltweit die größte automobile Prüforganisation sind. Ende 2013 haben wir beispielsweise in Neuseeland den Marktführer übernommen. Das war ein sehr wichtiger Schritt für uns. In diesem Jahr werden wir uns um den chinesischen Markt kümmern, auch in den USA werden wir die Fahrzeugüberwachung ausbauen. In diesen beiden Ländern werden wir in den nächsten Jahren richtig Gas geben. AH: Ideen, die Sie aus Deutschland dorthin mitnehmen können? C. Klinke: Den Bedarf an Fahrzeugsicherheit gibt es in allen Ländern. Doch insbesondere das deutsche Know-how hilft uns natürlich, dort Fuß zu fassen. Zwar gibt es in diesen Ländern unterschiedliche Regularien, aber beispielsweise im Gebrauchtwagenmanagement sind ähnliche Lösungen gefragt. AH: Herr Klinke, Glückwunsch zum Jubiläum und vielen Dank für das interessante Gespräch. Interview: Patrick Neumann Kurzfassung Dekra feiert dieses Jahr den 90. Geburtstag. Im Jubiläumsjahr macht sich der Prüfkonzern Gedanken darüber, wie Autohäuser ihr GW-Management professioneller gestalten können, was das autonome Fahren für die Branche bedeuten wird und wie der Fristen-Überziehung bei der Hauptuntersuchung (HU) zu begegnen ist.

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