AUTOHAUS Kongress: Physisch war gestern

Auf dem AUTOHAUS Kongress "Digitalisierung Kundenschnittstellen" gaben Branchenexperten Tipps und Lösungen, worauf es beim digitalen Fahrzeugkauf ankommt und wie das Miteinander von physischem und digitalem Kundenkontakt im Handel gelingen kann. Moderiert wurde die Veranstaltung von AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel und Stefan J. Gaul, Digital Expert bei der GaulCompany, aus dem Verlagsstudio in München. Bausteine der Digitalstrategie Zu Beginn stellten Stefan J. Gaul und Frank Wirzberger, Vertrieb DACH, Deutsche Autohaus AG, die Kernpunkte einer erfolgreichen Digitalstrategie im Autohaus vor. Neben neuen Vertriebsmodellen sind es vor allem die sich ändernden Erwartungen der Kunden. Denn die Kaufprozesse, die sie aus dem E-Commerce kennen, suchen sie inzwischen im Autohaus auch. Das gilt auch für die Onlinezahlung und Online-Preisverhandlungen, und das am besten auch außerhalb der Geschäftszeiten, worauf sich der Handel einstellen sollte. Die Lösung für solche Ansprüche ist Künstliche Intelligenz (KI), die die Verkäufer entlastet und dem Kunden 24/7-Zugang zum Autohaus gewährt. Ohne Daten geht es nicht Wie wichtig die Analyse, Steuerung und das Monitoring von Daten ist, zeigte Christian Stallkamp, Partner bei MUUUH! Consulting in seinem Vortrag. Dabei spielt der Data Hub eine zentrale Rolle, denn er bildet "das Fundament für das digitale datengetriebene Autohaus der Zukunft", so Stallkamp. Er geht davon aus, dass es nie ein perfektes allumfassendes System im Autohaus geben werde, das die vielen Einzelsysteme ersetzt. Stattdessen werden in Zukunft immer neue Systeme auf den Markt kommen, die durch eine vorgeschaltete Datenverwaltung die Daten in die richtigen Kanäle einspielt. Dr. Johannes Spandau, IT-Leiter bei Beresa, und Ben Ellermann, Managing Director bei MUUUH! Next, zeigten dazu einen umfassenden Überblick über die Bestrebungen von Beresa, die Autohandel ähnlich wie Amazon zum digitalen Full-Service-Erlebnis für den Kunden werden lassen. Dazu gehören ein Online-Fahrzeugshop, ein Leasingratenrechner sowie Services wie ein Kundencockpit oder eine Ansprechpartnersuche. Digitaler Vertrieb ist im Autohandel inzwischen fast so wichtig wie der stationäre Handel. Das berichtete Carl Biedermann, Digital Manager bei Koch Automobile. Neben dem Koch Store in Berlin können die Fahrzeuge bei Koch auch online erworben werden. Wie im E-Commerce üblich kann der Kunde demnächst auch in einem eigenen Kundenkonto Bestellungen ansehen, Einstellungen anpassen und seine Daten selbst verwalten. Neue Ideen rund um Digitalisierung entwickelt Koch mit seinen Mitarbeitern in seinem Digital Lab, die auch für den restlichen Handel zur Verfügung stehen sollen. Mobilgeräte wichtig Der erste Berührungspunkt mit Kunden findet inzwischen in den meisten Fällen auf digitaler Ebene statt. John Grieve, Country Manager Germany von MotorK, betont daher die Wichtigkeit einer gut durchdachten Digitalstrategie mit dem Fokus auf Mobilgeräten. Mit verschiedenen Angeboten wie der Vertriebsplattform WebSparK oder dem Lead-Management-Tool LeadSparK möchte das international agierende Unternehmen den Automobilhandel bei der Digitalisierung und Optimierung von Prozessen unterstützen. Luca Vulmahn, Vertriebsleiter Digital Solutions Mobility von Santander, rät Autohändlern das Hauptaugenmerk bei der Digitalisierung auf die Kundenbedürfnisse zu richten. Es sei nach wie vor wichtig, den Kunden zusätzlich zu allen digitalen Lösungen auch die Möglichkeit zu bieten, Prozesse analog abzuwickeln. Der Übergang von der Online- in die Offline-Welt sollte dabei nahtlos funktionieren. Wie das in der Praxis aussehen kann, präsentierte Frank Ulf Perez, Gesamtvertriebsleiter Neu- und Gebrauchtwagen, Auto Weller GmbH. Die Autohaus-Gruppe arbeitet seit 2021 unter anderem mit einem digitalen Lead-Management-Tool und einer digitalen Lösung für Online-Kreditabschlüsse von Santander. Was möchte der Kunde? Nicht nur Kundenbedürfnisse, sondern auch Kundendaten sind von besonderer Bedeutung, wie Kristina Neff, Teamlead Retail Business Consulting, und Paul Anderie, Product Owner Driver.Centric, von NTT Data in ihrem Vortrag erläuterten. Um ein bestmögliches Kundenerlebnis und somit auch Kundenbindung zu schaffen, ist Neff zufolge ein ganzheitliches Kundenprofil notwendig. Gemeinsam mit Paul Anderie präsentierte sie das Datenmanagementsystem Driver.Centric. Dabei handelt es sich um ein "lernendes Kundenprofil", das alle Kontaktdaten, Aktivitäten und Interaktionen entlang der Customer Journey speichert. Mit Hilfe dieses Tools sollen Arbeitsprozesse des gesamten Teams sowie das Erstellen von Kampagnen erleichtert werden. Die AVAG Holding ist als einer der größten Autohandelsunternehmen Europas eine Referenz für die Branche in Sachen Digitalisierung. Und was die Kunden in dieser Hinsicht beim Autokauf erwarten, demonstrierte Roman Still zu Beginn mit ein paar eindeutigen Zahlen. So informieren sich 80 Prozent aller Kunden vor dem Kauf im Internet. 72 Prozent würde eine Finanzierung online abschließen und 63 Prozent sogar den ganzen Kauf online abwickeln. Gleichzeitig wollen rund 70 Prozent wiederum nicht auf die Probefahrt oder einen Ansprechpartner im Autohaus verzichten. Deshalb bleibt der Omnichannel-Vertrieb, bei dem der Kunde zwischen digitaler und physischer Customer Journey wechseln kann, für die AVAG weiterhin wichtig. Leads sind wertvoll Wie sich verschiedene Leadquellen im Autohaus in einer App kombinieren lassen, zeigte Philip Junge, MCON Germany. Mit der Softwarelösung Cardess können die Mitarbeiter auf interne und externe Leads, die gesamte Kundenkommunikation sowie die Kundendaten und den Fahrzeugbestand zugreifen. In der App laufen nicht nur digitale Leadquellen, sondern auch analoge wie die Telefonanlage zusammen. Google-Bewertungen sind inzwischen so etwas wie die digitale Visitenkarte für ein Unternehmen. Gerade die jüngere Zielgruppe vertraue immer mehr auf die Anzahl der Sterne. Das bestätigt Christian Hackerott, Geschäftsführer Autopark Hackerott. Schlechte Bewertungen würden sich mittelfristig sogar negativ auf das Geschäft von Autohäusern auswirken. In einigen Ländern setzen Händler bereits eigene Reputation Manager ein, um ein gutes Google-Rating zu gewährleisten. Immer noch werden laut Robert Skubiszewski, Head of Key Account bei dealerdesk, Leads im Handel oft unzureichend bearbeitet. Deshalb ist ein gutes Lead Management System im Autohaus unverzichtbar. Zu den wichtigsten Leadquellen gehören laut Skubiszewski E-Mail, Fahrzeugbörsen, Website, Social Media, vor Ort im Autohaus, Whatsapp und immer noch das Telefon. Anfragen über Telefon können über das systemeigene Call Tracking Modul erfasst und das Anliegen mittels der Daten aus dem DMS des Kunden an die richtige Abteilung weitergeleitet werden. Herausforderungen im E-Commerce Andreas Hinrichs, Chef Executive Officer bei digitalmotors, wies auf die Wichtigkeit des Onlinegeschäfts hin. Demnach benötige jeder Händler in Zukunft einen Onlinevertrieb, um konkurrenzfähig zu bleiben. Das Vorbild ist für Hinrichs nicht Amazon, sondern Apple, denn der Kunde soll auch im Autohandel flexibel selbst entscheiden können, ob er sein Produkt online kauft, im Geschäft oder online bestellt und dann im Geschäft - zum Beispiel nach einer Probefahrt - kauft. Laut Steven Zielke, Geschäftsführer bei mobilApp, muss eine funktionale Website schlank, schnell und übersichtlich sein. Die Kunden von heute erwarten ständige Erreichbarkeit und optimalen Komfort. Dabei sollen sie keine Fehlermeldungen sehen. Wenn ein System beispielsweise bei der Online-Terminvereinbarung ausfällt, sollte in jedem Fall dem Kunden die Buchungsanfrage bestätigt werden. Das Autohaus kann dann mit dem Kunden telefonisch Kontakt aufnehmen. Mehrwert für alle Mitarbeiter gehören zur Digitalisierung genauso wie die Technik selbst. Das zeigt Werner Tönnemann, Geschäftsführender Partner bei S&B Consulting Freitag-Tönnemann. Zunächst sollten Mitarbeiter befragt werden, was in ihren Augen gut und schlecht bei der Digitalisierung im Unternehmen läuft. In sogenannten Lab Teams werden dann die in Schwerpunkte eingeteilten Antworten bearbeitet und umgesetzt. Der Vorteil ist, dass die Lösungen von den Mitarbeitern nicht nur ermittelt, sondern auch mitgetragen werden. Laut Karl Hell, Direktor Aftersales, Hyundai Motor Deutschland, ist die Basis der Digitalisierung, dass sie einen Mehrwert für Händler und Kunde schafft. Die Einführung neuer Systeme erfolgt bei Hyundai in Etappen, so dass die Mitarbeiter nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden und Systemanpassungen bereits im Vorfeld vorgenommen werden können. Digitale Prozesse im Aftersales Markus Gold, Gesellschafter bei Lead-4Car und Leitung Business Development beim Mercedes-Händler Kunzmann, stellte ein Tool zur Kundenbindung vor. Auf der Plattform Lead4Car vermitteln Händler Kunden, die aus einer anderen Region stammen, für den Service am Fahrzeug an andere Händler aus der Heimatregion des Kunden. Für diese Vermittlung erhalten die Händler pro Lead eine Entlohnung. Gleichzeitig kann jeder Händler auf Lead4car auch solche Leads ankaufen und sich so zusätzliche Servicekunden sichern. Die Werkstätten können vieles, nur digitale Prozesse gehören noch nicht zu ihren Stärken. Das möchte Andreas Serra, Geschäftsführer von Promotor, mit dem Internetportal Fairgarage ändern. Hier geht laut Serra den Betriebsstätten viel Geschäft verloren, denn laut DAT-Report wären 44 Prozent aller Kunden bereit, online einen Werkstatttermin zu buchen. Ein Portal wie Fairgarage ist rund um die Uhr geöffnet und kann detaillierte persönliche Informationen über den Kunden und sein Fahrzeug zusammenstellen. Auch zeigt das Portal der Werkstatt an, nach welchen Reparaturen und Serviceleistungen die Nutzer in der Region des Betriebes suchen. Wie wichtig digitale Prozessketten besonders im Bereich Aftersales sind, das verdeutlichten auch Jörg Gudat, Founder und CEO von Gudat Solutions, und Stefan Reinhardt, Geschäftsführer AHG GmbH Gotha. Die Daten sollten gezielt erfasst werden und den Mitarbeitern in Echtzeit ausgespielt werden. Dabei sollte der Fokus besonders auf mobilen Endgeräten auch im Autohaus selbst liegen. Mit dem Tablet hat jeder Mitarbeiter seine Infoquelle stets zur Hand. Das sorgt auch für mehr Transparenz im Gegensatz zu den Daten auf Papier.

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