HB ohne Filter vom 19. Dezember 2008

präsentiert von

Datum:
19.12.2008

3 Kommentare

jetzt mitdiskutieren


Heute mit den Themen: Der Stall brennt, Herausforderungen und Weichenstellungen 2009



Steigen Sie ein in die Diskussion! Am Ende des Beitrags finden Sie den Button “Kommentare”. Klicken Sie darauf und kommentieren Sie Prof. Brachats Kommentar.



19. Dezember – Freitag



"...ein Lichtlein brennt....". Nicht nur "ein Lichtlein". Im Advent. Der ganze Stall brennt. So es brennt, ruft man die Feuerwehr. Da liegt es gegenwärtig nahe, vom Staat, vom Hersteller und den Banken "Blaulicht-Aktionen" zu fordern. Was aber nützt die beste Feuerspritze, wenn der Tank leer ist? Die Einsatzpläne zur Löschung gleichen mehr Geheimplänen oder sind vom Wohlwollen von oben abhängig oder zur Stunde schlichtweg gar nicht vorhanden. Die Sirenen werden aber in den kommenden Monaten penetrant aufschrillen. Die Branchen-Reformation steht für 2009 ante portas!



Wer hätte für 2008 diesen Wandel auf den (internationalen) Märkten in dieser Dimension erahnt? Sicherheiten lösen sich auf. Vertraute Regeln werden außer Kraft gesetzt. Welch eine Geschwindigkeit des Zerfalls? Keiner der "Wirtschaftsweisen" hat dieses Phänomen vorhergesehen. Das wird die Wirtschaftsprognostiker verdammt demütig stimmen. Noch immer verfügen die Wirtschaftswissenschaften über keine verlässlichen Prognoseinstrumente. Ein trauriges Kapitel! Man lebt von der Retrospektive der Phänomene. Mal sehen, bis wann wir eine fundierte Ursachenanalyse für die wahren Zusammenhänge der Finanzkrise erhalten? Für 2008 dürfen wir für die Branche die Erkenntnis und den Beweis festhalten: Jeder Automobilverkäufer ist solider als es die Banker sind! 2009 fahren wir mit einer scharfen Wende in die Rezession. Auf breiter Front ist eine Vollbremsung zu registrieren. Erste markante Bremsspuren sind sichtbar!



Wandlungen



Der weltweite Absatzeinbruch setzt sich fort. Der Kollaps der US-Autoindustrie ist absehbar. Bei Opel schlägt der Blitz ein. Möglicherweise agieren stringente Opel-Händler als Blitzableiter. Prof. Dr. Christian Genzow berichtete darüber in AH 20 am 27. Oktober des Jahres. Volvo und Saab erhalten Staatsgelder. Daimler verabschiedet sich ab heute in den "Winterschlaf". Werksferien! Danach ist Kurzarbeit angesagt. Porsche profitiert von Volkswagen. Die VW Bank kauft beim Staat Vertrauen. Fiat spricht mit PSA. Audi verkauft zum Jahresschluss sein letztes Hemd, um die Messlatte von einer Million produzierter Einheiten zu überspringen. BMW poliert die Wertberichtigungsschraube in Sachen Leasingrückläufer und freut sich, den Händler eine neue Testergeneration für 50.000 Euro angedreht zu haben. Der Volkswagen-Konzern löst das für vier Marken unter dem gleichen Testerdach für 7.500 Euro! Premium, sprich inklusive Audi! In Bremerhaven türmen sich die Fahrzeughalden. Selbst die Autovermieter Sixt & Co. werden abspecken. An Fahrzeugen wie an Vermietstationen. Die ersten Zulieferer haben Insolvenz angemeldet. So ist das alles in der (Tages-)Presse zu lesen. Meinen sie, irgendeiner der Allerweltswirtschaftsjournalisten würde einmal die katastrophale Situation des Handels darstellen? Zum Anzeigen zu schalten ist das Gewerbe gut genug. Ergo: Streiken!



Marktbereinigung



Für die Hersteller steht auch im Chaosjahr 2009 die Auslastung der Werke immer noch an erster Stelle der Prioritätenliste. Die Entwicklung im Automobilhandel läuft dort unter der Überschrift "Konzentrationsprozess". Das bedeutet, es stehen 2009 zahlreiche Firmenübernahmen an. Im Verbund damit steht eine Pleitewelle im Handel vor der Tür. Damit geraten dank der Bankenpolitik etliche Betriebe ohne eigenes Verschulden unter die Räder. Der Handel hat weder die Finanzkrise, noch die Konjunkturkrise, noch die Strukturkrise in gegebener Form zu vertreten. Überproduktion, Markenwettbewerb, falsche Preisfestlegungen sind nicht seine Sache. Und wer trägt nun die sozialen Kosten dieser Opfer, die unterm Rad liegen? Das steht bei gegebenem System nicht zur Disposition.



Mit Klein-Klein ist allerdings dieser Brand nicht zu löschen. Die "Werksfeuerwehr" wird in de anstehenden Monaten zahlreiche Einsätze fahren müssen. Ansonsten werden die "weißen Brandflecken" auf Dauer zu Zulassungseinbrüchen führen. Diese Marktveränderung geht zu Lasten von Familienbetrieben, die bislang unternehmerisch persönliche Risikoträger waren. Wir werden, vergleichbar den werkseigenen Niederlassungen, mehr den Unternehmertyp des angestellten Managers erhalten. Ist das für das Ganze ein Fortschritt? Wirklich nicht! Wenn die Hersteller wie Importeure 2009 selbst unter Renditeschwund "leiden", werden sie in der Kassenführung gegenüber ihrem wichtigsten Kunden, dem Händler, noch rigider vorgehen. Herr Piëch würde das klarer formulieren. Wir haben Wirtschaftskrieg. Da werden die Winde schärfer und die Waffen spitzer.



Herausforderungen



Wo sitzen jene Manager, die endlich die Reißleine ziehen und zur radikalen Umkehr blasen? Weg mit den unsinnigen, nichts sagenden kurzfristigen Modellwechseln. Weg mit den Luxusmätzchen an Ausstattungsdetails, die nur Geld kosten und dem Kunden überschaubaren Nutzen bringen. Das hat alles den Charakter von technischem Innovationsgeplänkel. Weg mit der überzogenen und teuren Nischenpolitik. Weg mit den perversen monetären Begleiterscheinungen im Formel I-Bereich. Eccleston-Effekt! Her das Einliter-Auto! Echte Innovationen! Kein Elektro-Smart, bei dem allein die Batterie 15.000 Euro kostet. Das ist keine Serienreife! Nicht jeder Hersteller muss für sich das Elektroauto neu erfinden. Kooperation ist angesagt!



Weg mit völlig überzogenen Standards. Weg mit der Hybris ewiger Kundenbefragung und Call-Center-Telefonitis. Sie sind mehr Kundenbelästigung als Nutzenfaktor. Die Hersteller/Importeure zeigten besser ein angemessenes Garantie- und Kulanzverhalten. Das schafft viel höhere Kundenzufriedenheit. Nicht nur bei lädierten E-Klasse-Kunden. Man entwickle bessere IT-Systeme, um für Kunden eine flexiblere Termingestaltung im Service zu garantieren, um eine bessere Preisauskunft geben zu können, um die Garantieabwicklung zu vereinfachen. Was sitzen hier für "Werksknechte" an den Schaltpulten, die inzwischen den einzelnen Händler bei Garantie-Revisionen vorab taxieren, welcher Beitrag in Sachen Garantien zurückzuholen ist. Betrugsunterstellung ist das Denkmodell, obwohl einschlägige Durchschnittswerte bekannt sind.



Was Premium ist, muss neu definiert werden. Auch für Premiumkunden spielt der Preis eine entscheidende Rolle. Man muss es wollen, dass im Fahrzeuggeschäft Geld verdient wird. Wer verdient heute im Automobilhandel das meiste Geld? Wer in einem Büro über Internet dem Kunden sein Wunschauto sucht und verkauft. Und das gelingt ohne Standards. Ohne Markenvertrag. Ohne Vasallentum! Wie zahlreiche Händler – so sie nicht Gefangene eines Systems wären –, lieber als freie Händler oder Werkstätten agieren würden! Es hat sehr wohl seine Gründe, weshalb freie Werkstätten zunehmend erfolgreicher agieren als die uniformierten "Standardknechte". Das ist der Unterschied zwischen Freiheit und Fessel!



Weichenstellung 2009



Im Verbund mit der anstehenden GVO-Diskussion müssen die Vertriebsgleise neu ausgerichtet werden. Gelingt das evolutorisch, ist eine Reformation oder gar eine Vertriebsrevolution im Geschäftsmodell angesagt. Die Ziellatte für den Automobilhandel liegt bei zwei Prozent Umsatzrendite. Alles andere ist von Übel. Wer als Hersteller immer noch der Auffassung ist, dass zehn Prozent Umsatzrendite für ihn das Maß aller Dinge ist, muss wissen, dass er das nur zu Lasten Dritter arrangiert. In der Piëch-Sprache: Wir müssen die Handelszitrone bis zum letzten Tropfen ausdrücken! Ergo: Der Handel muss sich 2009 ganz massiv zur Wehr setzen. Die Bauern nehmen es auch nicht länger hin, dass sie das ausbezahlt bekommen, was ihnen die Konzerne übriglassen. Auch wenn die Bauern unlängst eine Schlacht verloren haben, so geht der Kampf weiter. Die Zeit ist nun gekommen, rigoros "Nein" zu sagen!



Das alles wird zusätzlich verschärft durch die konjunkturelle Unsicherheit. Kommt es zu einer raschen Erholung, zu einer Rezession, zu einer Depression? Also Einbruch oder andauernde Flaute? Die Kern-Forderung des markengebundenen Autohauses für 2009 lautet: Wie sieht ein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell für die Zukunft aus? Das wird für 2009 die zentrale Frage für das Kfz-Gewerbe sein. AUTOHAUS wird dazu bei meinen Perspektiv-Seminaren ab Januar die konkreten Antworten setzen. 2009 feiert der Automobilhandel sein 100-jähriges Jubiläum. Man darf gespannt sein, mit welchen Perspektiven der ZDK aufwarten wird. Oder kommt es – wie bei den Bauern – zur Gründung eines Konkurrenzverbandes?


Lassen sie mich weihnachtlich schließen:



Das Jahr 2008 verlässt uns


ohne Zeichen auf ruhigere Zeiten.


Ganz im Gegenteil!


Die Entwicklungen beschleunigen sich,


werden noch turbulenter,


radikaler, globaler.



Schreiten wir weiter


ins Unbekannte,


ins Ungewisse,


ins Unsichere.



Verwenden wir die Vernunft,


die uns gegeben ist,


um – so gut wir es eben können –


für beides zu planen:


nicht nur für die Sicherheit,


sondern zugleich für eine offene Zukunft,


genannt „Freiheit“.


Unsere Antwort: Veränderungsbereitschaft – Flexibilität!



Der offene Dialog lässt jene Schritte entwickeln,


die eine faire Art der Zukunftsgestaltung für alle ermöglicht.



Ich habe an dieser Stelle vielen Branchenkollegen und Kolleginnen für das abgelaufene Jahre zu danken. An erster Stelle für das Vertrauen. Für den Blick in die Alltagsrealitäten. Goethe sagte aus gutem Grunde: "Unsere größte Herausforderung ist, den jeweiligen Tag zu gestalten!" Ich weiß sehr wohl, dass wir für viele Anfragen und Anforderungen nicht die geeignete Antwort gefunden haben. Auch wir gehören zu den Suchenden. Aber, engagiertes und redliches Bemühen, das wird auch 2009 unser Anspruch sein. Warten sie das neue AUTOHAUS 2009 ab. Sie werden die Freude am Fortschritt, sobald sie unser erstes Heft im neuen Jahr in Händen halten, mit uns teilen. Das ist eine gute Botschaft!



Mit meinen besten Weihnachtsgrüßen und Wünschen – egal was wird – bis zum 16. Januar 2009



Ihr



Prof. Hannes Brachat


Herausgeber AUTOHAUS

MEISTGELESEN


STELLENANGEBOTE


KOMMENTARE

Jörg Gutjahr

20.12.2008 - 09:02 Uhr

Sehr geehrter Herr Prof. Brachat, wie wahr sind Ihre Worte. Sie treffen, wie fast immer in Ihren Berichten, den Nagel auf den Kopf. Für uns ( wir sind ein kleiner Neuwagen - Händler ieines franz. Herstellers ) stellt sich wirklich die Frage ob, bzw. wie, wir mit unserem Hersteller weiter machen sollen. Wir haben 2008 unser Verkaufsziel mit ca. 96 % erreicht und wurden dafür, man glaubt es kaum, mit einer neuen Zielvorgabe für 2009 mit einer Soll - Steigerung von 15 % "belohnt". Mir fehlten die Worte. Ich wünsche Ihrem Team und besonders Ihnen - Alles Gute - Machen Sie weiter so ! Fröhliche Weihnachten und alles Gute für 2009 MfG J.Gutjahr


Magdeburg

20.12.2008 - 10:23 Uhr

Die Prognosen für die derzeitige Krise fand und findet man nicht bei den sog. Wirtschaftsweisen, sondern schon vor Jahren wurde im Buch "Kapitalismus im Koma" (Sahra Wagenknecht, Verlag edition ost) genau diese Krise durch fundamentiertes Wissen vorhergesagt. Begründungen sind u.a. in den Analysen der amerikanischen/globalen Finanzsysteme, dem Abbau von gerecht entlohnten Arbeitsverhältnissen sowie dem Abbau der sozialen Sicherungssysteme zu finden. In der alltäglichen Praxis werden die Feststellungen der Autorin durch ihre Zugehörigkeit zur Linkspartei an der oft üblichen Mauer der Arroganz gegenüber entsprechenden Alternativen ignoriert.


Heinrich Palitsch

27.12.2008 - 15:52 Uhr

Hallo Herr Brachat, viele Grüße aus Oldenburg, wo ich seit einem Jahr wohne, nachdem ich bei Mitsubishi in Ruhestand gegangen bin. Ein Glück, dass ich nicht mehr dort bin, wo heute nichts mehr stimmt. Wir haben seinerzeit noch mehr als die 3-fache Menge Fahrzeuge verkauft und mit "Papa Driess" einen vorbildlichen Unternehmer gehabt. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie Gottes Segen für das neue Jahr! Wie hatte ich damals geschrieben: "Der Mensch denkt und Gott lenkt!"


SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!


NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Auto News für die Automobilbranche: AUTOHAUS ist eine unabhängige Abo-Fachzeitschrift für die Automobilbranche und ein tagesaktuelles B2B-Online-Portal. AUTOHAUS bietet Auto News, Wirtschaftsnachrichten, Kommentare, Bilder und Videos zu Automodellen, Automarken und Autoherstellern, Automobilhandel und Werkstätten sowie Branchendienstleistern für die gesamte Automobilbranche. Neben den Auto News gibt es auch Interviews, Hintergrundberichte, Marktdaten und Zulassungszahlen, Analysen, Management-Informationen sowie Beiträge aus den Themenbereichen Steuern, Finanzen und Recht. AUTOHAUS bietet Auto News für die Automobilbranche.