Händlerprognosen 2023: Auftragsbestand und Aftersales helfen

Wer denkt, dass die Branche angesichts von Lieferengpässen, Mitarbeitermangel und mauen Konjunkturaussichten in negativer Stimmung versinkt, liegt falsch. Die von uns befragten Händler äußerten sich sogar überwiegend positiv. Klar, jeder sieht die Herausforderungen, die in der Transformation stecken. Aber die Veränderungen bieten auch Chancen. Und bei aller Vorsicht in Hinblick auf das Neugeschäft ist da noch der sehr gute Auftragsbestand und die beständige Säule Aftersales. Aber: Kein Stellantis-Händler war zu einem Statement bereit. Franco Barletta, Sternpartner: Mercedes-Benz, Smart, BYD, Fuso an 20 Standorten in Norddeutschland: "Für 2023 erwarte ich den Shift vom Angebotsmangel zum Nachfragemangel im Vertrieb über alle Sparten hinweg. Hinzu kommen Auftragsstornos. Der Service wird wieder einmal mehr zum Stabilitätsfaktor unserer Branche. Hier rechne ich mit guter Auslastung unserer Betriebe. In der Branche wird es je nach Dauer und Intensität der vor uns liegenden Krise zu einer weiteren Konsolidierung kommen. Kleine Betriebe und hoch verschuldete Unternehmen dürften es besonders schwer haben. In jedem Fall eine spannende Zeit, die uns vielleicht Opportunitäten zum weiteren Wachstum und Marken-Diversifizierung bietet. Im Hinblick auf die Einführung des Agenturmodells bei Mercedes-Benz ist es vielleicht sogar der beste Zeitpunkt, weil der Hersteller u. a. die Preissteuerung direkt übernimmt. In unserem Autohaus reicht der Auftragsbestand bei Pkw und Lkw bis ins Jahr 2024. Wir sind sehr solide finanziert und bisher sehr profitabel, und das nicht nur wegen der Sonderkonjunktur der vergangenen 18 Monate. Das hilft uns dabei, die Mitarbeiter durch Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie zu unterstützen." Thomas Kestenholz, Kestenholz Gruppe: Mercedes-Benz an acht Standorten in Koblenz, Baden-Württemberg und der Schweiz: "Für 2023 erwarte ich weiterhin ein volatiles Marktumfeld mit sprunghaften Schwankungen, wie in den letzten drei Jahren ausführlich erlebt. Die Automobilbranche wird trotz der befürchteten Rezession ein erfolgreiches Jahr 2023 haben, da die Auftragsbestände aufgrund der vergangenen Krisen noch immer vorhanden sind. Durch die Umstellung zum Agentur-Geschäft der Marke Mercedes-Benz wird es sicherlich ein spannendes Jahr 2023. Ich bin aber guter Dinge, dass wir die notwendigen Maßnahmen bereits ergriffen haben, um auch 2023 ein erfolgreiches Jahr zu erleben. Auch für unser Autohaus erwarte ich ein positives Jahr 2023 und bin der festen Überzeugung, dass die eingeleitete Transformation sich trotz negativer Einflüsse betriebswirtschaftlich auszahlen wird." Stefan Bäckmann, Autohaus Bäckmann: Mazda, Suzuki, Ford an drei Standorten in Köln, Wesseling und Düsseldorf: "Wir blicken im Autohandel mit Zuversicht auf das Jahr 2023. Die Lieferproblematik nimmt sich langsam zurück, und mit rund 500 Privatkundenbestellungen starten wir bereits sehr gut ins neue Jahr. Die solide Nachfrage verdanken wir der Tatsache, dass der Hersteller unserer Hauptmarke Suzuki so lange wie möglich am Verbrenner festhält. Auf diese Weise belegen wir im Bereich Kleinwagen eine Nische und wecken Begehrlichkeit. Darüber hinaus erweist sich unser betrieblicher Ausbau von Digitalstrukturen als zukunftssichernde Entscheidung. Denn er macht sich bereits jetzt positiv im Geschäft bemerkbar und wird uns auch 2023 weiter in die Karten spielen. Die Akzeptanz der digitalen Medien steigt merklich, und wir punkten mit unseren Digitalangeboten zunehmend gegenüber Kunden. Gleichzeitig verschlanken wir auf diesem Weg unsere Prozesse. Damit sind wir auch in schwierigeren Zeiten gut aufgestellt. Das Großkundengeschäft ist derzeit noch zurückgefahren. Wir gehen aber davon aus, dass wir 2023 so weit in die Verfügbarkeit kommen, um auch Großkunden wieder zu bedienen. Während unser Geschäft mit jungen Gebrauchten aufgrund des fehlenden Nachschubs zuletzt zu kurz gekommen ist, hoffen wir mit den 2023 reinkommenden Neuwagen auf wieder wachsende Inzahlungnahmen. Bei allen Ungewissheiten, die in Zeiten von Krieg und Corona bleiben, stehen demnach viele Zeichen für das Autojahr 2023 auf Hoffnung. Nehmen wir alle unsere Erwartungen in den Segmenten Neu- und Gebrauchtwagen zusammen, werden wir nach einem überaus schwachen Autojahr 2022 im kommenden Jahr hoffentlich wieder auf dem Vor-Corona-Niveau von 2019 mit leichter Tendenz nach oben landen." Mark Boden, BOB Automotive Group: Renault, Dacia, Mazda, Hyundai, Toyota, Jaguar, Land Rover, Alpine an 17 Standorten in der Region Rhein/Ruhr und im Bergischen Land: "Auch im kommenden Jahr steht unsere Branche markenübergreifend vor immensen Herausforderungen. Die verstärkten Bemühungen einiger Hersteller um die Bereinigung ihrer Händlerstrukturen erhalten derzeit eine aus meiner Sicht bedenkliche Dynamik. Dieser Ausgangslage müssen wir uns ebenso stellen, wie den veränderten Umständen in unseren Märkten. Das erfordert den Willen und die Fähigkeit zur Anpassung. Wir müssen - und werden - uns breiter aufstellen und uns sozusagen "rund um das Thema Rad" neu positionieren. Unseren Kundinnen und Kunden ein Partner in wirklich allen Fragen der Mobilität zu sein, ist konsequenterweise die fest verankerte Strategie der BOB-Gruppe. Das betrifft natürlich nach wie vor unser automobiles Kerngeschäft. Zusätzlich werfen wir auch einen ernstgemeinten Blick über den Tellerrand und prüfen den Eintritt in naheliegende Branchen und Märkte." Peter N. Enders, Autohaus Krah & Enders: BMW, Mini, Alpina, Ineos, Ferrari, Renault, Dacia, Kia, Opel, Mazda in 21 Autohäusern im Raum Fulda, Maintal und Wiesbaden: "Wir erwarten, dass sich das Neuwagengeschäft auf dem Niveau von 2022 bewegt, Gleiches im Aftersales-Geschäft. Das Gebrauchtwagengeschäft hat sich schon Ende des Jahres etwas abgekühlt, hier gehen wir davon aus, dass es sich auf diesem Niveau einpendelt, was in Ordnung wäre. Es wird mit Sicherheit wieder ein sehr herausforderndes Jahr für die Branche, genauso wie die letzten drei Jahre, welche uns immer wieder vor neue unerwartete Aufgaben gestellt haben. Besonders ausschlaggebend wird sein, wie sich insgesamt das Konsumverhalten entwickelt und das Thema Elektromobilität mit reduzierten Förderungen vom Kunden angenommen wird. Wir fühlen uns mit unseren Marken BMW und Mini sehr gut aufgestellt und sind zufrieden. Für unser Autohaus wird die Herausforderung der Ladeinfrastruktur mit Sicherheit ein Thema sein, welches die nächsten zwei Jahre hohen Stellenwert hat und höhere Investitionen mit sich bringt." Thomas Weller, Ford Weller in Wetzlar: "Für die Branche erwarte ich einen deutlichen Rückgang der Zulassungszahlen. Wobei die Gewinne und Verluste an Zulassungen unter den Herstellern sehr unterschiedlich verteilt sein werden - je nach Lieferfähigkeit und Standing. Der große Boom an Zulassungen von E-Fahrzeugen wird - noch - ausbleiben. Im Allgemeinen glaube ich, wird bei den Kunden mindestens im ersten Halbjahr eine starke Kaufzurückhaltung vorherrschen. Unsere Marke befindet sich im Umbruch, den Kuga PHEV hätten wir in 2023 sicher noch stärker verkauft, hier macht sich die fehlende staatliche Förderung bemerkbar. Ansonsten, hoffe ich, wird es mit Ford ab 2024 wieder aufwärtsgehen, wenn die neuen Modelle da sind. Der Umbruch, wenn schon notwendig, dann jetzt in der allgemein schwierigen Situation, würde ich noch Glück im Unglück nennen. Für unser Autohaus kann ich sagen, wir haben gerade ganz frisch sieben Millionen Euro in unseren Ford Store investiert. Unsere Kunden sind sehr treu und solide, und so hoffen wir, dass wir das nächste Jahr einigermaßen gut überstehen. Mit einem vernünftigen Gebrauchtwagengeschäft, einer starken Werkstatt und jedem Neuwagengeschäft, das wir machen können. Den Kopf stecken wir nicht in den Sand." Ernst Christian Scherer, Scherer-Gruppe, Audi, VW, VW Nutzfahrzeuge, Porsche, Seat, Cupra, Skoda, Maserati, Ineos und MAN in 32 Autohäusern an 20 Standorten in Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Saarland: "Prognosen für das kommende Jahr bzw. die nächsten Monate sind und bleiben nach wie vor - wie auch schon in den letzten Jahren - sehr schwierig. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass es immer mehr unvorhersehbare Faktoren gibt, die unsere Branche ebenso wie die gesamte Wirtschaft wesentlich beeinflussen. Grundsätzlich gehen wir von einem Nachfrage-Rückgang im Neuwagen- sowie im Gebrauchtwagen-Bereich aus. Der Grund hierfür ist die Kaufzurückhaltung verunsicherter Kunden durch deutlich gestiegene Energie- und Lebenshaltungskosten. Als Reaktion darauf rechnen wir mit fallenden Preisen und entsprechend geringeren Erträgen. Aufgrund der nach wie vor unstetigen Zeit fahren wir weiter auf Sicht und versuchen schnell auf Veränderungen zu reagieren."

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