Ausgabe 08/2010: Autobiografie

AutobiografieFahrzeughistorie E Die darin gesammelten Daten sind nicht für jedermann bestimmt. Vertragswerksstätten sollten sich davor hüten, Anfragen zur Fahrzeughistorie nur aus Kundenfreundlichkeit zu bedienen.AUTOHAUS-JURISTEN Rechtsanwälte G. Haug & Partner Der Serviceberater eines bekannten Premium-Herstellers staunte nicht schlecht, als ihm der Kunde seinen Fahrzeugschein mit dem Wunsch überreichte: „Einmal Ölwechsel mit Filter und die Fahrzeughistorie mit Rechnungsnachweisen. Kostet die extra?“ Auf die höfliche Frage, was er damit meine, erklärte der Kunde, dass doch alle Fahrzeugdaten gespeichert werden und er gerne einen vollständigen Ausdruck darüber hätte. Der Einfachheit halber hatte er gleich einen USB-Stick zur Hand, damit keine zusätzlichen Kopierkosten entstehen. In dieselbe Richtung weisen Anfragen auf diversen Internet-Foren: „Kennt jemand einen XY-Händler, der mir zu meinem Gebrauchtwagen die Fahrzeughistorie liefern kann?“ KlarstellungDerartigen Ansinnen ist zunächst entgegenzuhalten, dass es sich bei der sog. Fahrzeughistorie um einen Datenbestand des Herstellers handelt, auf den nur angeschlossene Händler und Werkstätten für den internen Gebrauch Zugriff haben. Der Reparaturbetrieb soll damit in die Lage versetzt werden, sich auch dann einen vollständigen Überblick zum (Reparatur-)Lebenslauf zu verschaffen, wenn – wie nicht selten der Fall – auch von anderen Vertragswerksstätten Arbeiten durchgeführt worden sind. Dass diese Vernetzung sowohl für den Kunden wie auch den Reparaturbetrieb erhebliche Vorteile bringt, liegt auf der Hand. Der Serviceberater erkennt sofort, wann und mit welchen Problemen das Fahrzeug in der Vergangenheit instand gesetzt worden ist und ob die empfohlenen Wartungsintervalle durchgeführt wurden. Dies führt zu einer Zeitersparnis auch des Kunden, weil er die Fahrzeughistorie nicht lang und breit erklären muss. Freilich unterliegen nicht wenige Fahrzeugbesitzer dem Trugschluss, dass es sich hierbei zwangsläufig um die vollständige „Krankheitsgeschichte“ ihres Wagens handelt. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass naturgemäß nur solche Informationen in die Datenbank des Herstellers gelangen, die von einer Vertragswerkstätte erbracht worden sind. Von daher kommt der Fahrzeughistorie im Einzelfall nur eine beschränkte Aussagekraft zu.DatenschutzZudem wird verkannt, dass die herstellerseits gespeicherten Fahrzeugdaten auch Auskunft über die Werkstattaufenthalte des Vorbesitzers geben. Der spätere Eigentümer kann somit anhand der zeitlich geordneten Historie taggenau feststellen, welcher Vorbesitzer was auch immer mit dem Fahrzeug in der Werkstatt gemacht hat. Dies mag zwar auf den ersten Blick als probates Mittel erscheinen, um unseriösen Gebrauchtwagenverkäufern auf den Zahn zu fühlen. Dabei wird allerdings übersehen, dass es nicht Aufgabe des Herstellers sein kann und aus datenschutzrechtlichen Gründen auch nicht sein darf, diese – wenn auch nur mittelbar – personenbezogenen Informationen an Dritte weiterzugeben.Hinzu kommt, dass die Fahrzeughistorie eine Reihe von Informationen enthält, die der Hersteller auch unter dem Gesichtspunkt der Produktbeobachtung aus guten Gründen nur für den internen Gebrauch zugänglich macht. Namentlich geht es dabei etwa um Garantieleistungen und deren Voraussetzungen. Auch die Frage, ob im Einzelfall trotz Ablauf der Garantiefrist eine Kostenübernahme durch den Hersteller in Betracht kommt, spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Nachdem die Fahrzeughistorie auch Aufschluss darüber gibt, ob und in welcher Höhe Garantieleistungen vom Hersteller an den Händler erstattet werden, handelt es sich um innerbetriebliche Vorgänge, die nicht für jedermann bestimmt sind. Insbesondere vor diesem Hintergrund sollten sich Vertragswerksstätten davor hüten, Anfragen zur Fahrzeughistorie nur aus Kundenfreundlichkeit zu bedienen.FehlvorstellungAuch in der gerichtlichen Praxis wird man nicht selten mit dem Irrglauben konfrontiert, die Fahrzeughistorie sei so etwas wie eine öffentliche Urkunde. So wurde dem Autor dieses Beitrags vor kurzem aufgegeben, die Fahrzeughistorie im Prozess gegen ein Autohaus vorzulegen. Vorangegangen war die Behauptung des gegnerischen Anwalts, wonach der streitgegenständliche Pkw angeblich x-mal vergeblich zur Nachbesserung in der Beklagtenwerkstatt gewesen sein soll. Der auf Rückabwicklung klagende Käufer des Fahrzeugs erklärte bei seiner persönlichen Anhörung, dass er sich beim besten Willen nicht mehr erinnere, wann und wie oft er in einem Zeitraum von ca. einem Jahr sein Fahrzeug in die Werkstatt verbracht habe. Nachdem es dabei durchwegs um Garantieleistungen ging, hätte er auch keine schriftlichen Nachweise über die infrage stehenden Arbeiten. Das Gericht vertrat deshalb zunächst die Auffassung, dass der beklagte Händler zur Vorlage „seiner Fahrzeughistorie“ verpflichtet sei.Dem war zum einen entgegenzuhalten, dass es sich hierbei um einen Datenbestand des Herstellers handelt, und zum anderen, dass ein solcher Beweisantritt erst dann prozessual zulässig ist, wenn zu den streitigen Werkstattaufenthalten ein substantiierter Sachvortrag vorliegt. Nachdem dies mangels konkreter Zeitangaben nicht der Fall war, durfte sich der Beklagte auch darauf beschränken, die angeblichen Nachbesserungsversuche (unsubstantiiert) zu bestreiten. Wenn aber – wie hier – diese Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag nicht in der prozessual gebotenen Weise dargetan werden, würde die Vorlage der Fahrzeughistorie durch die Beklagtenseite auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen. Das Gericht ist im Ergebnis dieser Sichtweise gefolgt und die Klage war deshalb abzuweisen. Rechtsanwalt Walter Sattlerkanzlei@raehaug-partner.deKurzfassung1. Die Fahrzeughistorie gibt Auskunft über den Datenbestand des Herstellers und ist deshalb nur für den internen betrieblichen Gebrauch bestimmt. 2. Kundenanfragen zu „ihrer“ Fahrzeughistorie sollten aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht uneingeschränkt bedient werden. 3. Im Prozessfall kann die Vorlage der Fahrzeughistorie nur im Ausnahmefall verlangt werden.Kommentar< Die im Beitrag angesprochenen Missverständnisse zur Fahrzeughistorie sind sicherlich auch durch unser Informationszeitalter bedingt. Jeder Internetnutzer kann heute in Sekundenbruchteilen auf unzählige Daten im globalen Netzwerk zugreifen, so dass es ihm geradezu selbstverständlich erscheint, auch „seine“ Fahrzeughistorie online, zumindest aber über den Händler seines Vertrauens abzurufen. Wie nebenstehend erläutert worden ist, gibt es insbesondere datenschutzrechtliche Gründe, sich nicht zum Informanten über betriebsinterne Vorgänge zu machen. Unabhängig davon gibt es aktuell Bestrebungen eine allgemein zugängliche Fahrzeughistorien-Datenbank nach amerikanischem Muster zu etablieren. Hierfür müssen allerdings erst noch die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit gewährleistet ist, dass keine personenbezogenen Daten abgespeichert werden. Seriöse Händler und Werkstätten können von einer solchen Transparenz der Reparaturabläufe nur profitieren. >

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