Automobilbau: Bad(ge) Engineering - Top oder Flop?

Die Automobilindustrie ist seit jeher kostenorientiert. Badge Engineering war und ist daher ein beliebtes Mittel. Im Grunde bedeutet Badge Engineering nichts anderes als die Vermarktung eines bestehenden Produktes mit eigenem Markenemblem. In der Autobranche sind damit gleiche Fahrzeugkonzepte gemeint, die mit nur geringen Änderungen unter verschiedenen Namen vermarktet werden. Historische Beispiele wären der Audi 50, aus dem der fast baugleiche VW Polo I hervorging, und General Motors. Die Amerikaner verkauften viele Opel-Modelle unter anderem Namen, so war der Opel Omega in den Staaten als Cadillac Catera erhältlich. Ein weiteres Beispiel waren Transporter und Minivans von PSA, die in Kooperation mit Fiat auch als Fiat Ducato, Citroen Jumper und Peugeot Boxer sowie Toyota Proace verkauft wurden. Bei Renault-Nissan-Mitsubishi rollen Clio und Colt sowie ASX und Capture vom Band. "Carsharing" im BEV-Bereich Aktuell erfährt das Konzept Badge Engineering eine Renaissance im Plattform-Bereich für E-Fahrzeuge. In einer Art Spin-off kooperieren hier Hersteller nicht nur innerhalb der eigenen Markenwelt. Cupra Born und ID.3 sehen sich nicht ganz zufällig so ähnlich. Mittlerweile werden Kosten und Technologie geteilt. So arbeiten Ford und Volkswagen seit einiger Zeit zusammen. VWs Modularer E-Antriebs-Baukasten (MEB) ist so konzipiert, dass die Antriebsbatterie in einem stabilen Rahmen zwischen den Achsen im Wagenboden platziert ist und der E-Motor und die Leistungselektronik an die Vorder- und/oder Hinterachse kommen. So sind verschiedenste Karosserievarianten vom Kleinwagen über SUV bis zum Van möglich. Ford nutzt den MEB bereits erfolgreich im Explorer. Die Wiederauflage des Ford Capri ist das zweite und neueste Projekt. Durch die Zusammenarbeit profitieren beide Hersteller einmal mehr von den Skaleneffekten in der Produktion, und VW bekommt die Entwicklungskosten für den MEB schneller wieder rein. Ähnliche Kooperationen gibt es zwischen Toyota, Mazda, Subaru und Suzuki sowie GM und Honda und auch zuvor bei PSA. Deren Common Modular Platform (CMP) ist die Basis für viele Marken im Stellantis-Universum. Mit dem Jeep Avenger ging die CMP2 in den Markt. Badge Engineering hat Tradition Die Vorteile liegen auf der Hand. Um Märkte schnell zu bedienen und bestimmte Modelle im Portfolio zu haben, ist es leichter, Lizenzverträge abzuschließen, statt selbst teuer zu entwickeln. In Zeiten großer Automobilhersteller mit vielen Brands wie Volkswagen, Stellantis oder GM bietet es sich aus Kostengründen sogar an, ein Modell mehrfach zu vermarkten. Bestes Beispiel dafür waren schon im "Verbrenner"-Zeitalter die Konzern-Drillinge VW Up, Seat Mii und Skoda Citigo. Die gemeinsame markenübergreifende Nutzung von Komponenten und Plattformen ist eine der Erfolgsgarantien im VW-Konzern, da so die Produktionskosten pro Fahrzeug sinken. Neue Marktanteile Badge Engineering ermöglicht es Herstellern, schneller verschiedene Marktsegmente anzusprechen, ohne signifikante zusätzliche Entwicklungsressourcen zu benötigen. Ein bewährtes Fahrzeugmodell kann unter einer neuen Marke ein anderes Kundenklientel ansprechen, das möglicherweise loyal gegenüber dieser Marke ist. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Transporter-Twins Renault Kangoo und Mercedes-Benz Citan. Aber das klappt nicht immer. Problem: Markenimage und Qualitätsanspruch Der ersehnte Vorteil schlägt auch mal ins Negative um. Ein mühsam aufgebautes Markenimage samt eigenem Qualitätsanspruch wird von loyalen Kunden verteidigt. Als Mercedes-Benz 2017 die X-Klasse auf Basis des Nissan Navara und/oder Renault Alaskan präsentierte, täuschten auch edlere Materialien nicht über die Herkunft hinweg. Ein umgebadgter Nissan zum Daimler-Preis kam nicht gut an. Nur drei Jahre später wurde die X-Klasse eingestellt. Vom Nissan Navara hat es schon zehn Generationen gegeben - oder wie Mercedes-Projektleiter Stephan Manger damals eingestand, als er sagte: "Wir mussten aus dem Nissan einen Mercedes machen." Unterschiedliche Marken haben unterschiedliche Qualitätsansprüche und -wahrnehmungen. Ein Fahrzeug, das unter einer "Premiummarke" und einer "Budgetmarke" verkauft wird, verprellt oft die Premiumkunden. Solch eine Image-Delle wieder auszubügeln, kann Jahre dauern. Oder anders ausgedrückt: Spender und Empfänger sollten besser in der gleichen Liga spielen. "Der Pick-up lässt sich preislich und kostenseitig in den lateinamerikanischen Märkten nicht darstellen", sagte der damalige Daimler-Finanzchef Bodo Uebber. Gemischte Stimmung im Handel Reden wir vom klassischen Badge-Engineering, bei dem zwei Hersteller im Grunde ein Modell anbieten, wird im Handel oft auf die Markentreue, das Image oder die Markenidentität verwiesen. Es gibt aber auch Probleme im Vertrieb und Service. So heißt es beispielsweise bei einem Händler, dass seine Mitsubishi-Kunden der Marke sehr treu sind und "Renault kategorisch ablehnen". Seine Verkäufer müssen aber mit dem Thema vor den Kunden offen umgehen, denn die "Kopie" verrät sich schon im Fahrzeugschein. Da steht bei Marke "Mitsubishi" und Hersteller ist "Renault". Hinzu komme der hausgemachte Preiskampf. Der Colt ist in der Basis und den weiteren Ausstattungen etwas teurer als Renault. Eingeräumte Rabatte werden von Renault oft schnell unterboten. "Mit einem starken Renault-Händler in der Nachbarschaft wird es daher schwierig mit dem Verkauf", sagt der Händler weiter. Viele Mitsubishi-Händler wünschen sich Fahrzeuge aus Japan, aber die Aussichten sind mau. ASX (Captur) und Colt sind Renault-Brüder, der Space Star wird eingestellt, bleiben Eclipse Cross und Outlander. "Daher besser ein Zwilling von Renault im Ausstellungsraum als gar kein Auto. Wir müssen unsere Kunden bedienen können. Sonst fehlt uns in den nächsten Jahren die Werkstattkundschaft", so der Händler weiter, der anonym bleiben möchte. Hinzu kommen unterschiedliche Serviceintervalle durch unterschiedliche Garantien für die technischen Zwillinge. Philipp Kielhorn, Geschäftsführer Autohaus Markötter, sieht bei Badge Engineering auch Ambivalenz: "Aus Vertriebs- und Service-Sicht gibt es sowohl Vor- als auch Nachteile. Positiv ist sicherlich die Vereinheitlichung von Teilen und Komponenten, was zu einer effizienteren Lagerhaltung und schnelleren Verfügbarkeit von Ersatzteilen führen kann. Darüber hinaus können Monteure multifunktional eingesetzt werden. Auf der anderen Seite gibt es Herausforderungen, insbesondere wenn es um die klare Differenzierung der Markenidentität und die spezifischen Erwartungen der Kunden geht. Jede Marke hat ihre eigenen Werte und Zielgruppen, die entsprechend angesprochen und bedient werden müssen." Einfacher wird es, wenn sich die Marken nicht zwingend technisch, aber optisch deutlich differenzieren, wie bei Kia und Hyundai zum Beispiel. Auch bei den Transportern gibt es einige "Klonkrieger". Die zwischen Ford und VW im Jahr 2019 beschlossene Kooperation trägt wie schon erwähnt Früchte. Zu bestaunen ist beim VW-Händler beispielsweise der Amarok, der auf dem von Ford entwickelten Ranger basiert. Umgekehrt ist dies beim aktuellen Tourneo Connect der Fall. Der stammt im Grunde von VW. "Das hat Vorteile, weil die Options- und Getriebevielfalt deutlich höher ist. Beispiel: Der 2-Liter-Diesel ist verfügbar mit Schaltgetriebe, Automatik samt Allrad. Das hatten wir vorher nicht. Damit sind auch neue Kundengruppen für uns hinzugekommen, die wir vorher nicht bedienen konnten", sagt Ford-Händler Jens Wernsing. Abstriche gibt es beim Infotainment: "Das Ford-eigene Sync 4 hätte gegenüber dem VW-System deutlich mehr Möglichkeiten, gerade im Flottenbetrieb. Stichwort Ford Pro", so Wernsing weiter. Markenspezifische Elemente, Image, Tradition und natürlich die Kundentreue machen es dem Badge-Engineering-Konzept künftig schwer, zu Gunsten des Platformsharings. "Dieses ist zwar kostenintensiver, Exterieur und Interieur sind jedoch stärker markentypisch gestaltbar", sagt Prof. Dr. Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA). Fazit Aus Badge Engineering wird im E-Zeitalter das Platformsharing. Es geht um Tempo und attraktive Angebote, um die Wende zu schaffen. Die Vermischung von Marken und Zielgruppen hat in der Vergangenheit nicht immer funktioniert. Das kann sich nun ändern, weil alle Marken noch ihr "E-Image" suchen. Vorteile in Bezug auf Kosteneffizienz, Marktausweitung und Risikominimierung greifen jetzt. Die Branche hat das erkannt - und der Kunde weiterhin die Qual der Wahl.

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