Vorschau: Branchenrelevante BGH-Urteile in Sicht

Am 23. September wird der BGH eine Entscheidung zu Fragen des gutgläubigen Erwerbs bei gebrauchten Kraftfahrzeugen verkünden. Eine Woche später wird er darüber verhandeln, ob in AGBs für den Fall der außerordentlichen Kündigung eines Batterie-Mietvertrages für ein Elektrofahrzeug wirksam die Fernabschaltung der Batterie vereinbart werden kann. Vor einem anderen Senat geht es um die Entfernung einer negativen Bewertung bei Ebay. Am Tag darauf streiten Apotheker um die Befugnis, als Wettbewerber Verstöße gegen die DSGVO abzumahnen, und in einem anderen Verfahren wird verhandelt über die Pflicht von Internethändlern, über Herstellergarantien zu informieren. Es steht also eine ganze Liste von für die Branche relevanten Themen auf dem Programm. Ohne das Ergebnis der Verfahren vorwegnehmen zu können, geht es bei den anstehenden Verfahren im Wesentlichen um die nachfolgend dargestellten Problempunkte.Gutgläubiger Erwerb eines GebrauchtfahrzeugesIm zu entscheidenden Fall kaufte ein italienischer Fahrzeughändler unter Einschaltung eines Vermittlers von einem deutschen Autohaus einen Mercedes AMG. Nach Bezahlung des Kaufpreises wurde der Wagen nach Italien überführt. Eine nach Angabe des Vermittlers bei Abschluss des Kaufvertrages eingesehene Zulassungsbescheinigung Teil II war möglicherweise gefälscht, sollte jedenfalls aber vom Verkäufer bis zum Erhalt der Gelangensbestätigung zurückgehalten werden. Tatsächlich stand das Fahrzeug im Eigentum einer Leasinggesellschaft, die vom italienischen Fahrzeughändler auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II verklagt wurde und umgekehrt im Wege der Widerklage die Überlassung des Fahrzeuges forderte. Das Landgericht Stuttgart wies die Klage ab und verurteilte den italienischen Fahrzeughändler zur Herausgabe des Fahrzeuges an die Leasinggesellschaft. Dies mit der Begründung, dass den Erwerber die Beweislast dafür trifft, dass er sich im guten Glauben befand, also auf die Berechtigung des Veräußerers zum Verkauf des Fahrzeuges vertrauen durfte. Unter Hinweis auf Widersprüchlichkeiten in der Aussage des Vermittlers sah das Landgericht den Beweis der Gutgläubigkeit nicht ausreichend erbracht.Das OLG Stuttgart sah die Sache anders und sprach dem italienischen Autohändler sowohl die Zulassungsbescheinigung Teil II als auch ein wirksam erworbenes Eigentum am Fahrzeug zu. Die erforderliche Sorgfalt sei von Seiten des für die Klagepartei tätigen Ermittlers gewahrt worden und die Leasinggesellschaft trage ihrerseits die Beweislast dafür, dass für den Erwerber bzw. seinen Beauftragten Anlass bestanden hätte, misstrauisch bezüglich einer Verfügungsbefugnis des Autohauses zu sein.Unabhängig von den Einzelheiten des Falles wird der BGH im Rahmen seiner Entscheidung im Revisionsverfahren (Aktenzeichen V ZR 148/21) allgemein gültig zu den Erfordernissen des gutgläubigen Erwerbs beim Gebrauchtwagenkauf und zur Frage der Beweislastverteilung Stellung nehmen.Fernabschaltung der E-BatterieBei Kauf oder Leasing von Renault-Elektrofahrzeugen konnten die Batterien anfänglich ausschließlich gemietet werden. Die allgemeinen Batterie-Mietbedingungen der Renault-eigenen Bank sehen im Fall der Vertragsbeendigung durch außerordentliche Kündigung (beispielsweise bei Zahlungsrückständen) die Berechtigung des Vermieters vor, nach Ankündigung mit einer Frist von 14 Tagen per Fernabschaltung eine Sperre der Wiederauflademöglichkeit zu installieren. In dieser Bestimmung sieht der klagende Verbraucherschutzverein eine nach AGB-Recht unzulässige Benachteiligung der Miet-Kunden wegen Verstoß gegen das gesetzliche Verbot der Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB). Verhindert werde mit der Abschaltung die weitere Nutzung der Batterie, wodurch der bloße Besitz völlig wertlos wird. Das Verbot der Selbstjustiz gelte unabhängig von der Wirksamkeit einer Kündigung, dem Bestehen eines Herausgabeanspruches oder der Möglichkeit des Kunden, sich innerhalb der Ankündigungsfrist für 7.000,00 bis 8.000,00 Euro eine Batterie für das Fahrzeug zu kaufen. Sowohl das Landgericht als auch das OLG Düsseldorf haben der Klage stattgegeben und die Argumente der Bank verworfen, insbesondere auch das Argument, der Vermieter sei - vergleichbar mit der Sperrung des Mobilfunknetzzugangs - nach Beendigung des Mietvertrages nicht mehr zur Erbringung weiterer Leistungen verpflichtet und könne diese einstellen.Verhandelt wird vor dem BGH am 28.9.2022 (Aktenzeichen XII ZR 89/21). Das Urteil wird voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt verkündet werden.Entfernung einer negativen Bewertung bei EbayDas Thema Internetbewertung ist für viele Händler interessant, auch wenn nach wie vor der Grundsatz gilt, dass dem Schaden einer negativen Bewertung mit einem Rechtsstreit bereits wegen der Dauer des Verfahrens in den wenigsten Fällen sinnvoll beizukommen ist. Der VIII. Zivilsenat verhandelt gleichfalls am 28.9.2022 (Aktenzeichen VIII ZR 319/20) über die Klage eines Ebay-Verkäufers auf Löschung einer Bewertung, mit der nach Abwicklung eines Verkaufs von vier Gelenkbolzenschellen für 14,36 Euro die mit 4,90 Euro berechneten Versandkosten als "Wucher" bezeichnet werden. Das Amtsgericht Weiden wies die Klage im Juni 2020 zurück, da es sich um ein Werturteil mit Sachbezug und somit nicht um unzulässige Schmähkritik handle. Das Landgericht Weiden sprach dem Kläger den Löschungsanspruch in der Berufungsinstanz zu und beurteilte die Bewertung als überspitzt und mangels Begründung ohne sachlichen Bezug. Ein Unterlassungsanspruch des Klägers wurde aus dem Sachlichkeitsgebot gemäß § 8 Nr. 2 Satz 2 der für die Parteien geltenden Ebay-AGBs abgeleitet. Zu erwarten ist, dass der BGH die Grenzen zwischen freier Meinungsäußerung und unzulässiger Schmähkritik nochmals näher beleuchtet.Abmahnung von Verstößen gegen die DatenschutzgrundverordnungIn zwei Verfahren des ersten Senats (Aktenzeichen I ZR 222/19 und I ZR 223/19) wird am 29.9.2022 darüber verhandelt, ob die originär nur dem Schutz der jeweils betroffenen Personen dienenden Regelungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Einzelfall über das Wettbewerbsrecht (§ 3a UWG) einen Wettbewerber zur Abmahnung wegen Verstoß gegen Marktverhaltensregeln berechtigen können. Den Streit führen jeweils 2 Apotheker unter anderem darüber, ob der eine berechtigt ist, vom anderen im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Arzneimitteln im Internet die Unterlassung der Verarbeitung von Kundendaten ohne die notwendige Einwilligung der Betroffenen zu verlangen. In beiden Verfahren hatte das OLG Naumburg dem Unterlassungsanspruch zumindest teilweise stattgegeben, nachdem zuvor das Landgericht Magdeburg die eine Klage abgewiesen und das Landgericht Dessau-Roßlau der anderen Klage stattgegeben hatte. Die Verfahren beim BGH waren zwischenzeitlich ausgesetzt im Hinblick auf eine anderweitige Vorlage beim EuGH zur Entscheidung der Frage, ob die Festlegung der geschützten Personen und ihrer Rechte in Art. 80 und 84 DSGVO der Annahme entgegensteht, dass es sich nach nationalem Recht gleichwohl um wettbewerbsrechtlich relevante Marktverhaltensregeln handeln kann, die Mitbewerbern und anderweitig berechtigten Verbänden nach nationalem Wettbewerbsrecht die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen erlauben. Jedenfalls für berechtigte Verbände hatte der EuGH im Sinne der Klagebefugnis geantwortet.Informationspflichten im Internet zu HerstellergarantienDer I. Senat verhandelt am 29.9.2022 in einem anderen Verfahren I ZR 241/19 auch darüber, ob ein Anbieter im Internet über den Inhalt bestehender Produktgarantien auch dann informieren muss, wenn er mit seinem Produktangebot auf eine Betriebsanleitung des Herstellers verlinkt und dort eine Garantie erwähnt wird. Maßgeblich geht es um das Angebot eines Schweizer Offiziersmessers auf Amazon. Bei Anklicken des Buttons "weitere technische Informationen" gab es einen Hyperlink zu der Betriebsanleitung des Herstellers mit einem Produktinformationsblatt, auf dem eine zeitlich unbeschränkte Garantie für Material- und Fabrikationsfehler aufgeführt ist. Nähere Angaben zu Art und Inhalt der Garantie, wie sie nach deutschem Recht gemäß § 479 BGB notwendig sind, waren nicht umfänglich vermerkt. Das OLG Hamm hatte in der Berufungsinstanz ein Urteil des LG Bochum aufgehoben und den Beklagten zur Unterlassung verurteilt, den Artikel mit einer Garantie zu bewerben, ohne auf das uneingeschränkte Bestehen der gesetzlichen Sachmängelhaftungsrechte hinzuweisen und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben.Auch dieses Verfahren beim BGH war ausgesetzt worden im Hinblick auf die in einem anderen Verfahren erfolgte Vorlage an den EuGH zu Art und Umfang der Informationspflichten zur Herstellergarantie. Der EuGH hat im Mai 2022 die Vorlage dahingehend beantwortet, dass die Informationspflichten nach der Verbraucherrechte-Richtlinie immer dann bestehen, wenn die Herstellergarantie ein zentrales oder entscheidendes Merkmal des Angebots darstellt und der Kunde deshalb ein berechtigtes Interesse besitzt, Informationen über den Inhalt der Garantie zu erhalten. Ob dies vorliegend bei einem Link auf das Produktinformationsblatt des Herstellers der Fall ist, wird der BGH klären. Auch wenn die aufgeführten Verfahren teilweise Fälle außerhalb des Kfz-Handels betreffen, werden die Entscheidungen übertragbar sein.Kurzfassung1. Der Themenkreis betrifft die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs beim Gebrauchtwagenkauf, die Zulässigkeit von AGB-Vereinbarungen zur Fernabschaltung einer E-Batterie nach Kündigung des Mietvertrages, den Anspruch auf Entfernung negativer Bewertungen im Internet, die Abmahnung von Verstößen gegen die DSGVO durch Wettbewerber und die Informationspflicht zu Garantien im Internet.2. Auch wenn die aufgeführten Verfahren teilweise Fälle außerhalb des Kfz-Handels betreffen, werden die Entscheidungen übertragbar sein.KommentarDie im Fahrzeughandel zu beachtenden Verhaltensregeln werden laufend komplexer. Die besprochene Entscheidungsliste des BGH vermittelt einen Eindruck über die Breite des Spektrums der zu beachtenden Vorschriften, die damit aber bei Weitem noch nicht umfänglich erfasst sind. Erkennbar ist jedenfalls die Tendenz in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die Entscheidungen immer häufiger mit den Vorgaben des EU-Rechts abstimmen zu müssen und vor einer Entscheidung mögliche Konflikte zwischen EU-Recht dem nationalen Recht durch den EuGH abklären zu lassen. Erforderlich ist dann eine Aussetzung der Verfahren mit Verzögerungen im Prozessablauf. Vorliegend reichen die Aktenzeichen der erstinstanzlichen Entscheidungen bis in das Jahr 2017, erfreulicherweise finden sich aber auch solche aus 2020.Robert Glocker Rechtsanwalt

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