Überblick Finanzierung: Das Ende des billigen Geldes

Geld ist wieder etwas wert. Erstmals seit Langem steigen die Zinsen wieder, während die Inflation auf über zehn Prozent klettert. Für den Handel ändern sich damit einmal mehr die Rahmenbedingungen in einem ohnehin schon schwierigen Umfeld. Zwar seien insbesondere der Flottenmarkt und das Fahrzeugleasing in diesem Jahr gut gelaufen, man bemerke aber eine "gewisse Eindrückung des Marktes seit Herbst", erklärt Rainer Brahmer. Der Verkaufsberater der Autohaus Hengge GmbH spricht in Anbetracht der aktuellen Situation von einem "Dreifachschlag" aus abgesenkten Restwerten, erhöhten Zinsen und eingedampfter Verkaufsförderung. Leasingraten teilweise verdoppelt Um den Kunden entgegenzukommen, versucht so mancher Händler daher, alte Leasingverträge um ein halbes Jahr zu verlängern oder rät - sofern möglich - dem Kunden dazu, die Fahrzeuge zumindest übergangsweise zu übernehmen, denn im Zuge der steigenden Zinsen und der deutlich restriktiveren Geldpolitik der EZB haben auch die Leasingraten deutlich angezogen. Mitunter käme es vor, dass Kunden, die bisher 600 Euro für ihr Fahrzeug an monatlicher Rate zahlen mussten, nun an der 1200-Euro-Marke kratzten, erklärt Brahmer. Nahezu eine Verdopplung der Leasingrate - bei unveränderter Fahrzeugklasse. "Das gibt dann erst mal große Augen", so Brahmer. Von Akzeptanz, auch höheren Leasingraten gegenüber, berichtet indes Ralf Markötter. "Die Kunden akzeptieren die neuen, höheren Zinssätze ohne Probleme", so der Geschäftsführende Gesellschafter der Autohausgruppe Markötter. Auch beim Flottengeschäft hinterlässt die aktuelle Situation auf den Finanzmärkten ihre Spuren. "Flottenkunden planen ihre Fahrzeugflotte zum Teil um, da höhere Leasingraten durch Kapitalmarkt und gestiegene Neuwagenpreise nicht mehr zu den vorgegebenen Firmenvorgaben passen", erklärt Markötter. "Die Mitarbeiter sind auch oft nicht mehr bereit, die gestiegenen Bruttolistenpreise zu versteuern, gehen zum Teil auf kleinere Varianten. Auch gehen die Überlegungen dahin, auf andere Fabrikate zu wechseln, welche im Bruttolistenpreis günstiger sind. Das ist zwar nicht immer und in jedem Fall vergleichbar, aber der Trend ist zu erkennen", so Markötter. Abo-Modell als Profiteur? Die aktuellen Turbulenzen am Markt haben aber auch noch einen anderen Effekt. Die Bank11 berichtet beispielsweise davon, dass es mit dem Abo-Modell einen Profiteur der aktuellen Verwirbelungen geben könnte. Dass das Abo-Modell für Kunden zunehmend interessanter werde, liegt in den Augen Jörn Everhards, Sprecher der Geschäftsführung Bank11, neben dem direkt verfügbaren Angebot auch daran, dass das Abo-Angebot "im Verhältnis stabil" geblieben sei. Mit Wabi ist auch Santander auf dem Auto-Abo-Markt vertreten. Für den Handel hat das den Vorteil, dass sich damit der zukünftige Gebrauchtwagenmarkt steuern lässt. Auf Letzteren hat sich die derzeitige Marktsituation nur bedingt durchgeschlagen, die Kapitalbindung ist dort in den letzten Monaten sowieso kein großes Problem gewesen, da die Standzeiten der Gebrauchtwagen enorm kurz waren. Wie sich die Kapitalbindung und damit auch die finanzielle Belastung für die Händler in 2023 entwickelt, hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie sich der Gebrauchtwagenmarkt im Allgemeinen entwickelt. Zwar haben viele Endverbraucher aufgrund explodierender Gebrauchtwagenpreise in diesem Jahr den Fahrzeugkauf aufgeschoben, der anhaltende Mangel an Neufahrzeugen in 2022 dürfte aber zu keiner nennenswerten Entspannung des Marktes für junge Gebrauchte im kommenden Jahr führen. Situation der Banken Sozusagen zwischen den Stühlen sitzen die Banken. Auf der einen Seite wird es auch für sie zunehmend teurer, sich Geld zu beschaffen. "Gleichermaßen überträgt sich das natürlich auch auf die Marktzinsen für Absatz- und Einkaufsfinanzierung", sortiert Everhard die derzeitige Finanzlage für die Branche ein. Der Handel wiederum ist gezwungen, die höheren Preise an die Endverbraucher weiterzugeben, welche von den gestiegenen Lebenshaltungskosten und explodierenden Energiepreisen sowieso schon gebeutelt sind. "Diese Faktoren führen aktuell zu Unsicherheiten bei Privatkunden, sodass notwendige Käufe weiterhin getätigt, optionale Anschaffungen aber eher auch mal verschoben werden", erklärt Maik Kynast, Bereichsleiter Vertrieb Mobilität bei Santander. So will man in 2023 reagieren Die Bank11 will auf die unstete Lage des Marktes reagieren, indem interne Prozesse verschlankt werden. "Dort, wo es Sinn macht, wollen wir manuelle Prozesse eliminieren, die digitale Abwicklung weiter vorantreiben und konsolidieren; sowohl bei der Abwicklung zwischen Handel und Bank11 - z. B. Händler-Portal oder Victor 5.0 - als auch Richtung Endkunde - z. B. Service-Portal oder unsere Online-Strecken", erklärt Jörn Everhard. Weitere Zeit und Ressourcen sollen eingespart werden, indem im kommenden Jahr die digitale Legitimation und Vertragsunterschrift am POS realisiert werde. Klar ist aber auch: "Die Leitzinserhöhung und ihre Folgen betreffen alle Marktteilnehmer. Hier gibt es auch nicht übermäßig viel Spielraum", so Kynast, der Santander mit der in diesem Jahr auf den Weg gebrachten Mobilitätsversicherungen gut aufgestellt sieht: "Gerade in unsicheren Zeiten haben die Kunden ein gesteigertes Absicherungsbedürfnis." Mit sinkenden Zinsen im nächsten Jahr rechnen weder Banken noch Handel, von einer solchen Zinswende sei man denkbar weit entfernt. Eine Einschätzung, die auch Ralf Markötter teilt. Sein Unternehmen rechnet für 2023 ebenfalls mit einem Anstieg der Zinsen. Auch bei der Bank11 sieht man den Zins-Gipfel noch nicht erreicht. An eine Wiederholung der großen Zinssprünge, wie unlängst geschehen, glaubt allerdings niemand. Auch bei den AUTOHAUS Perspektiven im Dezember wurde deutlich: Die Anzeichen einer Rezession verdichten sich - und dennoch gehen Branchenkenner davon aus, dass die Stimmung derzeit deutlich schlechter als die tatsächliche Lage ist.

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