IFA-Studie: Die Gewinner des Strukturwandels

Es gibt die Forbes Liste der Superreichen, die Top-100-Charts in der Musikindustrie und eben auch das Ranking der Top-100-Händler. Zum zwölften Mal haben die Mitarbeiter des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) um Prof. Dr. Willi Diez in diesem Jahr die Branche analysiert. Ergebnis: Die Zahl der deutschen Autohandelsgruppen mit mehr als einer Milliarde Euro Jahresumsatz wächst, mittlerweile gehören sechs Unternehmen zu dem erlauchten Kreis. Und: In Deutschland haben die Top-100-Händlergruppen im vergangenen Jahr 668.251 Neuwagen verkauft. Das sind 20,8 Prozent des deutschen Automobilmarktes und damit mehr als im Vorjahr (20,3 Prozent). Expansionsstrategie beschleunigt Diese Zahlen unterstreichen eindrucksvoll die aktive Expansionsstrategie, die nahezu alle Händlergruppen in den letzten Jahren verfolgt und - so scheint es - im Jahr 2015 sogar noch beschleunigt haben. Sie haben modernisiert, ihre vorhandenen Standorte weiter ausgebaut und neue aufgebaut, haben zusätzliche Marken in ihr Portfolio übernommen und - last but not least - weitere Unternehmen übernommen (siehe hierzu auch der Artikel von Rechtsanwalt Uwe Brossette und Dr. Björn Hürten auf Seite 20 in diesem Heft). Dementsprechend ist ihr Gewicht im deutschen Automobilhandel weiter gestiegen. Umsatzsprünge bei den Größten Die Großen werden also immer größer. Allen voran die Emil Frey Gruppe Deutschland. Die Stuttgarter bauten 2015 ihre Spitzenposition mit 1,78 Milliarden Euro Umsatz kräftig aus - ein Umsatzsprung von rund einem Fünftel gegenüber dem Vorjahr. Dahinter folgen erneut die AVAG Holding (1,57 Milliarden Euro; plus 14,7 Prozent) und die Gottfried Schultz GmbH (1,53 Milliarden Euro; plus 14,1 Prozent). Platz vier verteidigt die Feser-Graf Gruppe mit 1,2 Milliarden Euro und einem starken Zuwachs von 16,9 Prozent. Senger mit Markenfokus auf die Konzerne Daimler und Volkswagen verdrängt im aktuellen IFA-Ranking die Wellergruppe von Platz fünf. Das Unternehmen aus Rheine erwirtschaftete 1,164 Milliarden Euro, 49,4 Prozent mehr als 2014. Die Berliner Wellergruppe hat dagegen beim Umsatzwachstum etwas nachgelassen: 1,07 Milliarden Euro bedeuten ein im Branchenvergleich kleines Plus von 5,8 Prozent. Große Zukäufe Der Aufstieg von Senger in den Club der Umsatzmilliardäre kommt nicht von ungefähr: Das Handelshaus war in den vergangenen Jahren auf großer Einkaufstour. Nach dem Erwerb der Kittner-Gruppe (Ende 2012) und des Mercedes-Partners Dr. Vogler (2014) folgte zu Jahresbeginn mit dem Kauf von Rosier Nord der nächste Paukenschlag. Dabei ist diese Übernahme noch gar nicht in den aktuellen Zahlen, die sich auf das Geschäftsjahr 2015 beziehen, berücksichtigt. Einen Riesensprung beim Umsatz von Platz 29 auf Platz 8 machte auch die Dello-Gruppe. Sie gehört jetzt zu den zehn Branchengrößen, weswegen wir die Gruppe auf den nächsten Seiten auch gesondert vorstellen. Erstmalig unter den Top-Ten ist auch die Hahn-Gruppe aus Fellbach. Höhere Umsätze durch Topmarken Bedingt durch die höheren Umsätze je Fahrzeug schieben sich jene Gruppen stärker nach vorne, die überwiegend Premiumautomobile im höherpreisigen Bereich verkaufen. Viele vertreiben Marken des Volkswagen-Konzerns. Unter den 20 größten Automobilhandelsgruppen in Deutschland befanden sich im Jahr 2015 zwölf, die im Schwerpunkt VW-Konzernmarken im Angebot haben. Unter den übrigen Top-20-Gruppen befinden sich Händlergruppen mit den Markenschwerpunkten Ford, BMW, Opel, Renault/Nissan und Mercedes-Benz. Das Premiumfabrikat BMW ist über die Wellergruppe unter Deutschlands größten Händlergruppen vertreten. Mehr Marken, mehr Betriebsstätten Die Zahl der von den einzelnen Gruppen vertretenen Marken zeigt eine große Spannweite: Das Maximum sind 22 Marken bei der Emil Frey Gruppe Deutschland, das Minimum nur eine Marke bei einigen der kleineren Top-100-Gruppen. Mit 4,9 Marken im Durchschnitt vergrößerten die Top-100-Händlergruppen ihr Markenportfolio etwas gegenüber dem Vorjahr (4,6). Auch bei der Zahl der Betriebe, die zu den einzelnen Gruppen gehören, gibt es deutliche Unterschiede. So verfügt die AVAG Holding SE (inklusive ihrer ausländischen Standorte) über 147 Verkaufs- und Servicebetriebe. Der Durchschnittswert ist hier gegenüber dem Vorjahr nochmals von 16 auf 17 Betriebsstätten gestiegen. Nicht alle machen mit Die Untersuchung beruht auf Angaben der Unternehmen. Dass manche Namen, von denen man es erwarten würde, nicht auftauchen, liegt daran, dass diese nicht mitmachen: Von den 160 vom IFA angeschriebenen Unternehmen haben 120 ihre Zahlen mitgeteilt. Bei anderen mögen die Zahlen nicht ganz exakt sein: Die Erhebung fand im Februar/März 2016 statt. Das kommt für manche etwas zu früh, die Bilanz ist noch nicht fertig. Einige Unternehmen haben auch abweichende Geschäftsjahre. So zum Beispiel die Ruhrdeichgruppe, die wir in diesem Heft als "Umsteiger des Jahres" auch gesondert vorstellen. Dennoch: In Sachen Umsatz gibt das Ranking ein gutes Bild der Branche ab. Kritisiert wird aber immer wieder, dass die Rendite bei der Platzierung nicht berücksichtigt wird (siehe dazu der Beitrag von Walter Missing). In der Studie wird zwar danach gefragt, aber nur 56 der befragten Top-100-Händler machten dazu Angaben. Das Team von Professor Diez sieht die Angaben dennoch als repräsentativ an: Im Jahr 2015 ist die Umsatzrendite der größten Händler demnach auf 1,5 Prozent gestiegen. Sie lag damit erneut über dem Branchendurchschnitt von 1,4 Prozent. Bemerkenswert ist zudem, dass die Top-10-Händler sogar eine Rendite von 1,7 Prozent erreichten. Geschäftsmodell nicht veraltet Offensichtlich setzen die großen Automobilhandelsgruppen aber trotz Digitalisierung und internetbasierten Vertriebsmodellen auf den stationären Präsenzhandel, sonst würden sie hier nicht zukaufen. Dies zeigen auch die zahlreichen Modernisierungsaktivitäten an den vorhandenen Standorten. Das Geschäftsmodell "Autohaus" scheint also noch nicht so veraltet, wie es teilweise dargestellt wird. Vielmehr sind gerade die großen Automobilhandelsgruppen dabei, dieses Geschäftsmodell - sicherlich auch teilweise auf Druck der Automobilhersteller - evolutionär in Richtung eines "Digital Dealer" weiter zu entwickeln. Anhaltender Konsolidierungsprozess Für Diez deutet vieles darauf hin, dass im deutschen Automobilhandel in den nächsten Jahren der Konsolidierungsprozess anhalten wird. Diez' Botschaft an den Fabrikatshandel: "Insgesamt gehen wir davon aus, dass die Zahl der wirtschaftlich und rechtlich selbständigen Automobilhandelsunternehmen in Deutschland in den nächsten Jahren weiter gravierend zurückgehen wird. Neben Nachfolgeproblemen und Betriebsaufgaben werden dabei die Übernahmeaktivitäten großer Handelsgruppen eine wichtige Rolle spielen. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass neu in den Markt eintretende Marken ebenfalls verstärkt auf die großen Handelsgruppen als Partner für eine schnelle Marktdurchdringung setzen." Er rechnet damit, dass die Zahl der Automobilhändler bis zum Jahr 2020 weiter von 7.400 auf 4.500 Unternehmen sinken wird. Das Gesicht des Fabrikatshandels, so seine Prognose, wird sich in den nächsten Jahren weiter verändern. Mit Hilfe digitaler Medien können die Kunden professioneller angesprochen und betreut werden. Die intelligente Verbindung von Off- und Online-Aktivitäten wird zweifellos der Schlüssel zum künftigen Erfolg sein. Einige der großen Gruppen gehen hier mit großen Schritten voran. Diese werden die Gewinner des Strukturwandels im Automobilhandel sein, so Diez. Kurzfassung Mehr Umsatz, mehr Marken, mehr Betriebe, weniger Eigentümer. Die aktuelle IFA-Studie zu den 100 größten Autohändlern belegt den anhaltenden Konsolidierungsprozess im Fabrikatshandel.

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