Ausgabe 03/2010: Ein System frisst seine Normen

Ein System frisst seine NormenStandards E Sie sollen Qualität produzieren, den Nutzen für den Kunden erhöhen, den Markenbetrieb differenzieren und wettbewerbsfähiger machen. So das Ideal. Wie sieht die Realität aus? Wo sind Korrekturen erforderlich? von Prof. Hannes BrachatHersteller haben über die GVO in den Händler- bzw. Serviceverträgen hinsichtlich Qualitätssicherung umfassende Standards eingebaut. Sei dies für die Sortimentspolitik, das Betriebsdesign, die Betriebsausstattung, die Fahrzeugpräsentation etc. Die Implementierung und konstante Überwachung dieser Händlerstandards soll das Markenimage stärken, ebenso die Effizienz und Profitabilität der Händler. Kunden, die ein spezifisches Markenlogo sehen, verbinden damit beispielsweise hinsichtlich Werkstattleistungen bestimmte Erwartungen: Professionalität, korrekte und schnelle Reparaturen, ausgezeichnete Teileverfügbarkeit sowie fundierte Ratschläge rund ums Automobil. Mit der einheitlichen Umsetzung von Händlerstandards soll eine gewisse Homogenität im Markenbild hergestellt werden. Auch international. Die vorgegebenen Standards müssten eigentlich Qualitätsstandards heißen. Gemeint ist – inklusive vorgegebener Prozessabläufe – die Produktion von Qualität im Autohaus.Qualitätsführerschaft verspricht längerfristig den größten Erfolg. Sollte man meinen. Verbraucherschutz definiert sich in Deutschland als Politik der niedrigen Preise mit vielen Rechten für den Konsumenten. Das Fleisch soll billig und nahrhaft sein. Ob diese Art der Produktion die Tiere quält, die Böden vergiftet, die Landschaft leerräumt und die Bauern verarmen lässt, das ist nicht das Problem des Produkts. Wissen und Tun klaffen gerade bei Konsumenten oft auseinander! Qualität kann nur produzieren, wer qualifiziert ist. Das setzt fundierte Mitarbeiter voraus. Oder anders: Der Wettbewerbsvorteil der Zukunft läuft über die Qualität der Mitarbeiter. Schließlich wollen wir dem Kunden gute Qualität und besten Service liefern. Dafür ist jeder einzelne Mitarbeiter im Autohaus mit verantwortlich. Wer macht also was, wo, wann, warum und wie? Damit werden Zufälle in der Leistungsofferte ausgeschlossen. Der Handel leistet so bei entsprechender Nachhaltigkeit eine Steigerung des Kundennutzens. Soweit das Ideal.Grenzen von NormenUnd wie sieht die Realität aus? Trotz steigender Kundenzufriedenheit gestaltet sich die Markenloyalität rückläufig. Der Kunde lässt sich vielfach nicht mehr binden. Dank Internet ist eine viel höhere Flexibilisierung im Kaufverhalten festzustellen. Der Kunde wägt Preis und Leistung heute viel nüchterner ab. Analysiert man die Arten der Standards, so führen die einen durchaus zur Erhöhung von Umsätzen, aber ein erheblicher Teil wie beispielsweise die Autohausgestaltungs- und Warenpräsentationsstandards bedingen umfassende Investitionen und haben wenig Auswirkung auf eine höhere Kundenzufriedenheit. Von fragwürdigen Bodenbelagsvorgaben, Beleuchtungskörpern, Schauraumkapazität, Infotheke, Caféteria, Kunden-Lounge, IT-Vorgaben etc. ist die Rede. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Standards vielfach jährlich zu auditieren sind. Damit einher geht ein „irrsinniger Verwaltungsaufwand“. Da hat sich für gewisse Institutionen quasi ein separater Auditierungsmarkt gebildet, der völlig überzogen ist und vielfach gerade bei den Mitarbeitern im Autohaus das Gegenteil von Markenbegeisterung bewirkt. Diese „GSG 9-Gruppen“ sehen die meisten am liebsten von hinten. Diese sollten weniger Kontrolleure als kreative Impulsgeber sein. Und dann hat der ganze „Auditierungszirkus“ auch noch Margenrelevanz. Unwirtschaftlicher AufwandJede Marke strebt 100 Prozent Kundenzufriedenheit an, obwohl jeder weiß, dass die letzten zehn Prozent nicht nur einen übergroßen Aufwand erfordern, sondern dass der Kunde die 100 Prozent Qualität ähnlich wahrnimmt wie 90 Prozent, die der Wettbewerber auflegt. In Wahrheit wird nur unnötiger, unwirtschaftlicher Aufwand produziert. Der Markenhandel befindet sich über die überzogenen Standards inzwischen in einer preispolitischen Aufwärtsspirale, was der Kunde aber nicht als gerechtfertigten Mehrwert sieht, weshalb er die einsichtige Preisbereitschaft dafür nicht mitbringt. Das entbindet die Branche nicht von der Notwendigkeit, die Kontakte zu optimieren. Kunden positiv am Point of Sale aufzuladen. Da werden eben die Grenzen von Normen deutlich sichtbar.Gerade bei den Servicestandards sei betont, dass diese – vielfach mit Einverständnis des Handels – auf hohem Niveau eingezogen wurden, um neue Wettbewerber innerhalb der eigenen Marke abzuschotten. Und dann schaue man sich in der Praxis die Art der Umsetzung bzw. die Zertifizierungskonsequenzen an. Auf der einen Seite stehen überzogene, wenig sinnvolle und wenig kundennutzenorientierte Standards. Auf der anderen Seite trifft man – trotz regelmäßiger Zertifizierung – Fälle an, die jenseits jeglicher Gürtellinie liegen. Mag sein, dass da einem Betrieb das Geld ausging. Dass ein Unternehmer keinen Nachfolger hat und den Betrieb veräußern möchte. Mag sein, dass einer an der Konkurskante entlangfährt. Man möge aber sehr wohl an einem aktuellen Beispiel einer Premiummarke zur Kenntnis nehmen (siehe Fotos A–E), was im Rahmen von Auditierungen dann doch alles toleriert wird. Die einen werden über Auditierung in unhaltbarer Form geknechtet, die anderen können liberal dahindümpeln. Willkür pur. Und das unter dem gleichen Markendach. Nachstehendes Beispiel ist Beleg dafür. So sah es bis 1. Mai 2009 aus. Der Contrapunkt zeigt die Veränderung zum 15.10.2009. Für 2010 ist die Streckung von Auditierungszeiträumen einzufordern. Statt der unsinnigen Kontrollen wäre besser, nach Umsatzalternativen zu schauen, nach Kostensenkungschancen oder endlich Konzepte vorzulegen, um sich über Solardächer auf den Autohäusern von Energieversorgern unabhängig zu machen und die Energiekosten drastisch nach unten zu fahren. zLesen SIe hier...... ein Resümee über den Standarderfüllungsdruck, der auf dem Markenhandel lastet. Lesen Sie dazu auf Seite 46, warum starre Standards Rabatte begünstigen!

Ausgabe 03/2010: Ein System frisst seine Normen

Ein System frisst seine Normen

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