Risiken der Sachmängelhaftung: Fallstricke des Agenturgeschäfts

Kurzfassung 1. Die unkalkulierbaren Risiken der Sachmängelhaftung im Handel mit älteren oder speziellen Gebrauchtfahrzeugen bereiten der Branche im Verbrauchergeschäft große Probleme. 2. Die Vermittlung von Fahrzeugverkäufen im Agenturgeschäft ist wegen bestehender Beschränkungen als rettende Lösung nur eingeschränkt tauglich. 3. Verbleiben im Agenturgeschäft die wirtschaftlichen Chancen und das Verlustrisiko aus dem Fahrzeugverkauf beim Händler, liegt ein unzulässiges Umgehungsgeschäft vor und der Händler hat sich den Fahrzeugverkauf als Eigengeschäft zurechnen zu lassen mit eigener Eintrittsverpflichtung für Mängel des Fahrzeuges. Das Agenturgeschäft wird insbesondere im Handel mit älteren oder speziellen Gebrauchtfahrzeugen immer wieder als rettende Lösung entdeckt, um bei einem Verkauf im Verbrauchergeschäft in Bezug auf Sachmängelhaftungsrechte nicht völlig unkalkulierbare Risiken einzugehen. Der BGH hat bereits vor Jahren die Zulässigkeit des Agenturgeschäfts im Gebrauchtwagenhandel ausdrücklich bestätigt. Immer wieder zu erinnern ist aber daran, dass der BGH gleichzeitig auch die maßgeblichen Beurteilungskriterien vorgegeben hat, um zulässige Gestaltungsmöglichkeiten von solchen mit unzulässiger Umgehung des Verbraucherschutzes zu unterscheiden. Diese Kriterien sollten zur Vermeidung von unangenehmen Überraschungen dringend im Auge behalten werden. Risiken der Sachmängelhaftung In der Praxis lässt sich insbesondere beim Verkauf von älteren Gebrauchtfahrzeugen die Eintrittspflicht für Sachmängel im Verbrauchergeschäft auch über Zustandsbeschreibungen im Kaufvertrag nicht mehr interessengerecht begrenzen. Der gewerbliche Handel mit solchen Fahrzeugen ist aufgrund der sukzessiv immer weiter zugunsten der Verbraucher geänderten Gesetzeslage nicht mehr attraktiv und weitgehend zum Erliegen gekommen. Wenn ein Tauschmotor oder ein Getriebe erforderlich ist, wird ein respektabler Verlust eingefahren. Wettbewerbsfähig einpreisen lassen sich solche Risikofaktoren bei der Kalkulation des Kaufpreises nicht. Das Agenturgeschäft als Alternative? Demgegenüber ist mit dem Agenturgeschäft, also der reinen Vermittlungstätigkeit für den Händler, grundsätzlich keine Einstandspflicht für Sachmängel des Fahrzeuges verbunden. Der Händler ist nicht selbst Verkäufer und Partei des Kaufvertrages, und es droht allenfalls eine Haftung nach § 311 Abs. 3 BGB, wenn der Händler im Zusammenhang mit der Vermittlung des Vertragsabschlusses in besonderem Maße das Vertrauen des Käufers für sich in Anspruch genommen und dadurch erheblich Einfluss auf das Zustandekommen des Vertrages genommen hat. Ist der Verkäufer und Auftraggeber für die Vermittlung des Fahrzeugverkaufs eine Privatperson, gelten zudem die Verbraucherschutzvorschriften nicht. Die Haftung für Sachmängel kann wirksam ausgeschlossen werden, egal wer der Käufer ist. Vor diesem Hintergrund gegebenenfalls fehlende Kaufanreize können in gewissem Umfang durch angebotene Garantieverträge kompensiert werden. Dreh- und Angelpunkt für die Wirksamkeit eines Haftungsausschlusses im Agenturgeschäft mit Verbrauchern ist aber das Umgehungsverbot des § 476 Abs. 4 BGB. Verboten bzw. unwirksam sind demnach Vereinbarungen, die zulasten des Verbrauchers von den gesetzlichen Beschränkungen des Verbrauchsgüterkaufs abweichen, also beispielsweise beim Kauf von gebrauchten Fahrzeugen die obligatorische Sachmängelhaftung unzulässig verkürzen oder ausschließen. Dies gilt auch im Rahmen von anderweitigen Vertragsgestaltungen, wenn solche dazu dienen, den kaufvertraglichen Verbraucherschutz zu umgehen. Die Abgrenzungskriterien des BGH Der BGH hat in einer Grundsatzentscheidung vom 26.1.2005 (Az. VIII ZR 175/04) klargestellt, dass Agenturgeschäfte auch im Gebrauchtwagenverkauf historisch gewachsen und grundsätzlich nicht zu beanstanden sind. So dienten sie beispielsweise vor Einführung der Differenzbesteuerung als legitimes Mittel, den Anfall von Umsatzsteuer zu vermeiden. Aber auch unter den Aspekten des zunehmenden Verbraucherschutzes wurde ein Verbot im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich abgelehnt. Sowohl für den Verkäufer als auch für den Händler können weiterhin stichhaltig anzuerkennende Gründe und ein praktisches Bedürfnis bestehen für die Vermittlung eines Fahrzeugkaufvertrages ohne eigenen Ankauf durch den Händler. Maßgeblich muss der Verbraucher dabei lediglich vor einem Missbrauch dieser Gestaltungsform in solchen Fällen geschützt werden, in denen - über ein bloßes Provisionsinteresse hinaus - die wirtschaftlichen Chancen und das wirtschaftliche Risiko des Fahrzeugverkaufs tatsächlich vom vermittelnden Händler getragen werden und nicht von einem lediglich formell auftretenden Auftraggeber. Diese Voraussetzungen eines in Wahrheit vorliegenden Eigengeschäfts des vermittelten Händlers sah der BGH im entschiedenen Fall allerdings nicht erfüllt. Ein Gebrauchtwagenhändler hatte mit einem Kaufvertragsformular für private Fahrzeugverkäufe unter Ausschluss der Sachmängelhaftung ein gebrauchtes Opel Coupé verkauft, den Eigentümer als Verkäufer ausgewiesen und den Vertrag mit "i. A.", also im Auftrag, unterschrieben. Ohne eigenes Risiko für den Händler und damit unschädlich für das Vermittlungsgeschäft beurteilt wurde dabei die Vermittlung der Gebrauchtwagengarantie einer Drittfirma und der Finanzierung des dann an den Händler überwiesenen Kaufpreises. Dieser Kaufpreis blieb hinter den Erwartungen des Verkäufers zurück, weshalb er mit ihm vor Unterzeichnung des Kaufvertrages explizit abgestimmt und unter Weitergabe der Einnahmedifferenz auch so mit ihm abgerechnet wurde. Die gegen den vermittelnden Händler gerichtete Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen Mängeln an der Elektronik des Fahrzeuges wurde unter diesen Voraussetzungen abgewiesen. Anders hätte der BGH ausweislich der Urteilsgründe aber bei einem Fahrzeugverkauf im Kundenauftrag entschieden, wenn der Händler dem Verkäufer beim Kauf eines Neufahrzeuges für das Altfahrzeug einen bestimmten Mindestverkaufspreis garantiert und in dieser Höhe den Preis für das Neufahrzeug stundet. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise geht der BGH bei einer solchen Fallkonstellation wegen des beim Händler liegenden Risikos faktisch von einem tatsächlichen Ankauf des Altfahrzeugs durch den Händler aus mit der Folge, dass dieser beim Weiterverkauf des Gebrauchtwagens unabhängig von der gewählten Form des Agenturgeschäfts auch selbst als Verkäufer zu betrachten ist und für Mängel einzutreten hat. In einer weiteren Entscheidung (Az. VIII ZR 72/06) bestätigte der BGH seine Grundsätze zur Beurteilung eines verschleierten Eigengeschäfts anhand des wirtschaftlichen Risikos, bestätigte aber auch hier eine klageabweisende Entscheidung des Berufungsgerichts. Dabei stand allerdings nicht der vermittelnde Händler in der Schusslinie. Auf Rückabwicklung des Fahrzeugkaufs war der lediglich angestellte Geschäftsführer einer GmbH verklagt, der das auf die GmbH zugelassene Firmenfahrzeug im eigenen Namen unter Gewährleistungsausschluss verkauft hatte. Mit der Annahme eines Umgehungsgeschäftes wäre die Klage aber gegen die GmbH zu richten gewesen und nicht gegen den lediglich vorgeschobenen Geschäftsführer als Privatperson. Konsequenz für die Praxis Maßgeblich wird bei der Beurteilung des Agenturgeschäfts als wirksam oder als unwirksames Umgehungsgeschäft immer darauf abzustellen sein, wer das wirtschaftliche Risiko trägt, insbesondere wie die Verteilung des Veräußerungserlöses erfolgt. Unschädlich sind typische und für das Agenturgeschäft übliche Tätigkeiten des Händlers wie beispielsweise das Inserieren des Fahrzeuges, das Ausstellen auf eigenen Verkaufsflächen oder das Führen der Verkaufsverhandlungen bis zum Vertragsabschluss (OLG Brandenburg, Az. 6 U 11/19). Unschädlich ist auch die Vermittlung von Kredit- oder Leasingverträgen zur Finanzierung des Kaufpreises, ferner die Vereinbarung einer fixen Vermittlungsprovision oder einer prozentualen Beteiligung am Erlös in einem für die Vermittlung üblichen Rahmen. In jedem Falle schädlich ist dagegen die Absprache eines festen Preises mit dem Verkäufer, vergleichbar mit dem Einkauf eines Fahrzeuges und dem Verkauf durch den Händler mit eigener Gewinnerwartung und/oder eigenem Verlustrisiko. Schädlich sein kann unter Risikoaspekten auch bereits eine Verpflichtung des Händlers, das Fahrzeug wie eigene Fahrzeuge zu behandeln und zur Präsentation auf eigene Kosten aufzubereiten und fortlaufend zu reinigen. Die Übernahme eigener Garantien oder die Zusage eigener Leistungen lässt gleichfalls auf ein Eigengeschäft des Händlers mit eigenen Vertragsinteressen schließen. Bei Beachtung all dieser Punkte fehlen dem Händler im Agenturgeschäft weitgehend die Möglichkeiten eigener Geschäftsinitiative. Der Auftraggeber ist spätestens über die Abrechnung weitgehend in die Kalkulation miteinzubeziehen. Auf der anderen Seite muss im Prozessfall damit gerechnet werden, bei ausreichenden Anknüpfungspunkten wegen der beschränkten Einblicksmöglichkeiten des Verbraucherkunden selbst im Wege der sekundären Beweislast zur Offenlegung aller Konditionen des Agenturgeschäftes verpflichtet zu werden, um den Vorhalt eines faktischen Eigengeschäfts zu entkräften. Rechtsanwalt Robert Glocker kanzlei@raehaug-partner.de www.haug-partner.de KOMMENTAR Der Mensch ist erfinderisch. Rechtliche Beschränkungen haben ihn schon immer herausgefordert, sich nach alternativen Gestaltungen umzusehen. Dies gilt auch für das Agenturgeschäft als Möglichkeit, Fahrzeuge im Kundenauftrag ohne eigene Verpflichtung zur Sachmängelhaftung zu verkaufen. Was zunächst verlockend klingt, ist bei wirksamer Handhabung aber gegenüber dem Eigengeschäft mit ganz erheblichen Einschränkungen und eigentlich mit einer Aufgabe der Grundsätze unternehmerischer Tätigkeit verbunden. Der Gewinn aus den Fahrzeugverkäufen darf nicht selbst beansprucht werden, zum Trost aber auch kein Verlust. Im Einzelfall mag eine Entscheidung für das Agenturgeschäft sinnvoll sein, letztlich wohl aber nicht als tragendes Geschäftsmodell.

Risiken der Sachmängelhaftung: Fallstricke des Agenturgeschäfts

HASHTAG

#AUTOHAUS next

Abschied von den AUTOHAUS-Juristen: Am Puls der Praxis

Aktualisierte Verwaltungsanweisung: Lieferungen an Drittlandskunden

Schwacke Blickpunkt: Preise im Fokus

MEISTGELESEN

Emil Frey Deutschland: Führungsduo muss gehen

Autohandel: Weller feiert Spitzenverkäufer mit Promi und Drachenbootrennen

Mario Köhler im Gespräch mit Burkhard Weller: "Wenn wir etwas verändern wollen, dann nur gemeinsam"

STELLENANGEBOTE

Technischer Betriebsleiter - Volkswagen Konzernhandel

Gebrauchtwagenverkäufer/in (m/w/d)

Assistenz der Geschäftsführung mit Schwerpunkt Marketing

Verkaufsleiter Neue Automobile (m/w/d)

Projektmanager Automotive Consulting (m/w/d) – Schwerpunkt Gebrauchtwagen

NEWSLETTER