Das klingt noch recht einfach: Ein Vertragshändler oder eine autorisierte Werkstatt darf sich weigern, Originalteile an unabhängige Werkstätten zu liefern. Zur Begründung heißt es in den FAQ ("frequently asked questions", dt. häufig gestellte Fragen) zur GVO: Die Werkstätten könnten die Ersatzteile ja woanders beziehen. Eine wettbewerbswidrige Absprache liegt laut EU-Kommission aber vor, wenn mehrere Händler oder Werkstätten sich absprechen, solche Lieferungen zu verweigern. Ein Verstoß gegen EU-Wettbewerbsrecht liegt auch vor, wenn der Kfz-Hersteller seine Händler anweist, Ersatzteile weder direkt noch indirekt an unabhängige Werkstätten zu verkaufen, insbesondere, wenn diese mithilfe von Vermittlern einkaufen.
Wie schwierig die Leitlinien in der Praxis umzusetzen sind, beweist laut dem Kölner Rechtsanwalt und früheren Cecra-Präsidenten Prof. Dr. Jürgen Creutzig auch diese Klarstellung der EU-Kommission zur GVO: Der Kfz-Hersteller darf seinen Händlern und Werkstätten auferlegen, die Ersatzteile anderer Marken getrennt von den Ersatzteilen seiner eigenen Marke zu lagern. Aber: Eine solche Auflage darf nicht in unangemessener Weise die Lagerbestandskontrolle erschweren, mehr Lagerraum erforderlich machen oder den Zugang derart erschweren, dass Händler oder Werkstätten davon abgebracht werden, Ersatzteile anderer Marken zu führen. Als Beispiel für einen Verstoß gegen EU-Wettbewerbsrecht führt Brüssel an, dass ein Kfz-Hersteller seine Händler nicht verpflichten darf, für Ersatzteile anderer Marken ein getrenntes Lager vorzusehen und diese nicht an den Werkplätzen zu lagern.
Noch tückischer wird es Creutzig zufolge bei diesem Problem: Häufig wird die Frage gestellt, ob ein Kfz-Hersteller die Gewährung von Prämien oder Rabatten für Originalteile ("captive parts") an die Bedingung knüpfen darf, dass die Vertragshändler von ihm auch Ersatzteile für Fahrzeuge anderer Kfz-Hersteller beziehen. Dieses Thema wird weder in der Kfz-GVO noch in den ergänzenden Leitlinien dazu behandelt. Die Kommission meint, normalerweise seien Prämien- und Rabattsysteme ein legitimes und wettbewerbsförderndes Mittel, um Händlern und Werkstätten den Anreiz zu geben, mehr Ersatzteile einer bestimmten Marke zu verkaufen.
Quasi-Monopolisten: Vorsicht ist geboten
Haben Kfz-Hersteller für bestimmte Originalersatzteile jedoch eine marktbeherrschende Stellung, ist Vorsicht geboten: Es könnte einen Verstoß gegen Art. 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) darstellen, also eine verbotene marktbeherrschende Stellung vorliegen, wenn der Kfz-Hersteller Prämien- und Rabatte an die Bedingung knüpft, von ihm auch Ersatzteile für Fahrzeuge anderer Kfz-Hersteller zu kaufen.
Alles in allem zeigte sich Creutzig enttäuscht von den Anfang vergangener Woche veröffentlichten FAQ zur GVO: "Die Antworten lesen sich in der Theorie teilweise recht geschliffen, zeigen aber zugleich, wie schwierig die Umsetzung in der Praxis ist." Kfz-Hersteller beschäftigten Scharen von Experten, der mittelständische Kfz-Händler habe dafür kein Budget. Er muss mit den Schwierigkeiten des täglichen Wettbewerbs kämpfen. "Wieder einmal zeigt sich, dass wir noch weit davon entfernt sind, dass aus dem David-Goliath-Verhältnis ein solches auf gleicher Augenhöhe wird." (dp)
Michael Kühn