Ausgabe 05/2008: Finaler Kundennutzen

ICDP / In Großbritannien mussten große Händlergruppen Betriebe abgeben, weil sie sonst eine marktbeherrschende Stellung bekommen hätten.Finaler KundennutzenVon Doris PlateA m 12. und 13. März werden Hersteller, Handelsorganisationen und Zulieferer beim ICDP-Treffen in Frankfurt über die Neuordnung der Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) nach 2010 diskutieren. Mit wissenschaftlichen Studien unterstützt das International Car Distribution Programme (ICDP) den Meinungsbildungsprozess innerhalb der Branche. John Whiteman, Managing Director bei ICDP, hat gerade mit einer Studie auf sich aufmerksam gemacht unter dem Titel "Nützt der Händlerschutz den Verbrauchern?" AUTOHAUS-Redakteurin Doris Plate sprach mit ihm über seine Erkenntnisse und mögliche Auswirkungen auf die Gesetzgebung. USA und EU im VergleichAH: Herr Whiteman, in Ihrer Studie ver- gleichen Sie die Vertriebssysteme in den USA und der EU. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Unterschiede?J. Whiteman: In Europa sind Wettbewerbsbeschränkungen grundsätzlich verboten. Für vertikale Vertriebsbindungen wird jedoch von speziellen Wettbewerbsbedingungen ausgegangen, was zur Freistellung einzelner wettbewerbsbeschränkender Klauseln führte. Seit 2004 findet in der EU auch eine stärkere dezentrale, heißt nationale Koordination der GVO 1400/2002 Anwendung. In den USA werden wettbewerbsrechtliche Regelungen prinzipiell zentral gesteuert. Vertragshandelssysteme werden in den USA jedoch nicht explizit betrachtet, was letztlich auch gesonderte Freistellungsverordnungen überflüssig macht. Gruppenfreistellungsverordnungen existieren daher in den USA nicht. Das Vertragsrecht regelt und bestimmt unter anderem die notwendigen Voraussetzungen und Bedingungen, die zur einseitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses notwendig sind. In Europa wie auch in den USA liegt das Vertragsrecht in den Verantwortlichkeiten der einzelnen Mitgliedsländer beziehungsweise Bundesstaaten.Der Schutz kleiner und mittelständischer Betriebe (KMUs) fällt sowohl in Europa als auch in den USA in keinen vorgegebenen Verantwortungsbereich. Einige US-Bundesstaaten messen dem Schutz von KMUs jedoch eine überdurchschnittlich hohe Bedeutung bei. In diesen Fällen werden regionale Behörden und Instanzen aktiv. Die Behandlung ist entsprechend stark dezentralisiert. Festzuhalten bleibt, dass der Händlerschutz in einigen US-Bundesstaaten überdurchschnittlich stark ausgeprägt ist. Das bedeutet ironischerweise jedoch nicht automatisch einen Vorteil für den Konsumenten oder für einzelne Händler. Unter bestimmten Umständen kann ein intensiver Händlerschutz auch die Wettbewerbskräfte des Marktes reduzieren, was wiederum die Wettbewerbsvorteile (z.B. Effektivitätsvorteile) guter Händler gegenüber schlechten begrenzen würde.Faktoren-VielfaltAH: Welche Bedeutung haben die Kündigungsschutzbestimmungen für die Händler in der aktuellen GVO?J. Whiteman: Positive oder negative Auswirkungen eines ausgeprägten Wettbewerbs hängen von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren ab. In diesem Zusammenhang ist es schlicht falsch, einzelne Faktoren herauszugreifen und als besonders bedeutend zu bewerten, da es immer auf das Zusammenspiel aller Faktoren ankommt. Ein intensiver Inter-Brand-Wettbewerb (z. B. zwischen Ford, Opel und Volkswagen) kann sich beispielsweise durch die Wirkung von starken Leistungsanreizen positiv auf den finalen Kundennutzen auswirken. Sofern dieser Kundennutzen sichergestellt ist, ist auch keinerlei regulativer Eingriff im Sinne der EU-Kommission durch Dritte notwendig. Ich möchte daran erinnern, dass Händlerschutz per se kein Ziel der Wettbewerbsbehörde ist. Deren Betrachtung erfolgt rein aus Kundenperspektive. Der Händlerschutz liegt eher in den Interessen anderer Behörden.AH: Es gibt Überlegungen, die Händlerschutzbestimmungen aus der GVO in nationale Handelsgesetze auszulagern. Was halten Sie von diesen Bestrebungen?J. Whiteman: Generell strebt die EU-Kommission eine möglichst stark vereinfachte Wettbewerbsordnung an, die dem Ziel eines optimierten Kundennutzens durch effektiven Wettbewerb gerecht wird. Diese Zielsetzung ist dabei nicht auf die Automobilbranche beschränkt. Darüber, was die EU-Kommission tun wird, möchte ich keine Prognose abgeben.Größe hilft dem Kunden nichtAH: Gerade in Großbritannien gibt es viele große Händlergruppen, aber auch in anderen europäischen Ländern geht der Trend in diese Richtung. Was bedeutet diese Entwicklung für den Verbraucher?J. Whiteman: ICDP analysiert und skizziert seit mehr als zehn Jahren die Bedeutung von Händlergruppen in Europa. Unsere Analysen zeigen, dass große Handelsgruppen keinen messbaren Einfluss auf den Kundennutzen haben. Ein Zusammenhang zwischen Preis- und Servicevorteilen (bzw. Nachteilen) durch die zunehmende Bedeutung von Handelsgruppen ist nicht zu erkennen. AH: Die EU-Kommission sieht es vor allem als ihre Aufgabe den Wettbewerb zu stärken. In Großbritannien mussten deswegen schon Händlergruppen bei der Übernahme zusätzlicher Fabrikate andere Betriebe abgeben, um eine marktbeherrschende Stellung zu verhindern. Welche Beispiele gibt es da? Und was bedeutet das für die weitere Entwicklung?J. Whiteman: Wettbewerbsbehörden neigen zur Nervosität, wenn nicht gar zum Misstrauen, sobald ein Unternehmen einen überdurchschnittlich hohen Marktanteil erzielt. In diesem Zusammenhang kommt es jedoch auf die relative Gesamtmarktgröße an. Im Reparatur- und Servicegeschäft sind beispielsweise die zu betrachtenden Märkte manchmal sehr lokal, da Kunden nur einen begrenzten Weg zum nächsten Werkstattpartner zurücklegen möchten. Die Dominanz einzelner Player ist daher immer relativ zu betrachten. Pendragon hat 2006 mit Reg Vardy Plc. einen großen Konkurrenten übernommen. Die britischen Wettbewerbsbehörden sahen eine marktdominierende Stellung Pendragons für bestimmte Marken und Regionen (z.B. für Vauxhall in Zentral-Schottland). Pendragon hat daraufhin einige ehemalige Reg Vardy-Standorte abgestoßen. Die Analyse der Händlergruppenstrukturen zeigt generell einen starken regionalen Unternehmensfokus. Gruppenbetriebe könnten daher zunehmend regionale Märkte kontrollieren, was letztlich die angesprochene Problematik verstärkt. Es ist jedoch fraglich, inwieweit die Wettbewerbsbehörden auf Grund begrenzter Ressourcen diese Entwicklungen verfolgen und sanktionieren können.AH: Herzlichen Dank für das Gespräch.

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