Ausgabe 11/2014: Freie Wildbahn

Der deutsche Markt ist derzeit schwierig und für freie Fahrzeughändler aus dem Ausland nur wenig interessant. "Die Preise sind niedrig. Ständig gibt es neue Kampfangebote von den Herstellern und Importeuren. Diese mit freien Importen zu unterbieten ist nur schwer möglich." Diese Einschätzung war von vielen Teilnehmern des EAIVT-Kongresses vom 15. bis 17. Mai in Istanbul zu hören. Wie in jedem Jahr hatte der Europäische Verband der unabhängigen Fahrzeughändler zu einem Treffen eingeladen. 240 Teilnehmer aus 25 Ländern waren gekommen. Networking ist in diesem Geschäft eben besonders wichtig.Deutschland Flop, Frankreich TopWährend die Geschäfte mit Deutschland derzeit eher verhalten gehen, sind Verkäufe nach Frankreich interessant und seit langem einmal wieder Einkäufe in Italien. "Insgesamt sind aber zu wenig Neu- und zu wenig Gebrauchtwagen auf dem freien Markt", fasste EAIVT-Präsident Marco Belfanti zusammen. "Die Hersteller versuchen immer mehr, den freien Handel unter Kontrolle zu bekommen", meint der Schweizer. Trotzdem gab er sich gelassen: "Die freien Händler sind daran gewöhnt, dass sie immer kämpfen müssen." Keine der im EAIVT organisierten Firmen wisse, was sie in drei Monaten handeln würde. Es käme eben immer darauf an, was man gerade kaufen und verkaufen könne. Und im Zweifel müsse man eben auch einmal eine Zeitlang warten, bis sich neue Chancen auftun.Fahrzeuge finden ihren WegUnd Belfanti ist sich sicher, dass diese kommen werden: "Jeder Hersteller und jeder Importeur will in jedem Jahr mehr verkaufen. Das kann aber nicht allen gelingen, weil der Markt begrenzt ist. Die auf den selektiven Vertriebswegen nicht absetzbaren Fahrzeuge finden dann ihren Weg zu uns. Darum funktioniert der freie Handel."Viele freie Händler sehen sich durchaus auch als Partner des Vertragshandels: Sie können manchmal gute Angebote verschaffen und manchmal auch Absatzprobleme lösen. Die oft gute Eigenkapitalausstattung, die nicht von den Auflagen und CI-Anforderungen der Hersteller aufgezehrt wird, verschaffe vielen von ihnen Bewegungsfreiheit, so Belfanti.Hersteller versuchen EindämmungImmer wieder gibt es aber auch Versuche aus unterschiedlichen Richtungen, den freien Handel zu unterbinden. Viele Markenhändlerverbände fordern das immer wieder, und wie in Istanbul zu hören war, gibt es auch immer wieder Hersteller, die versuchen, den Verkäufen außerhalb des eigenen Vertriebsnetzes einen Riegel vorzuschieben. So berichtete zum Beispiel eine polnische Exportfirma von Versuchen von Peugeot und Renault, den französischen Markt abzuschotten: Die einheimischen Hersteller kauften von einer privaten Firma die Registrierungsdaten der mit dem deutschen KBA vergleichbaren französischen Behörde und könnten über die Verknüpfung von Fahrgestellnummern und Halterdaten, schon bevor die Fahrzeuge zum ersten Mal in die Werkstätten kämen, die Quellen von EU-Importen identifizieren - gefolgt von entsprechenden Sanktionen für die liefernden Vertragshändler.Erfolge auf kleinem DienstwegDie Gruppe "Marktzugang und Behinderung" von EAIVT wird nun prüfen, ob diese Vorgehensweise zulässig ist. Ein Ansatzpunkt könnte der Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen sein. Bei anderen Behinderungen konnte die Gruppe, die unter der Leitung von Dr. Thomas Herzig agiert, schon Erfolge verzeichnen. So hatte zum Beispiel Mazda Ende 2012 einen Exportstopp für seine neuen 6er Modelle aus Dänemark verfügt. Im Juli 2013 konnte das Problem auf dem kleinen Dienstweg gelöst werden, ebenso wie die Probleme mit Skoda im November 2013.Aktuell gibt es eine Auseinandersetzung mit Nissan, da die japanische Marke keine Kundenbestellungen in Dänemark über freie Händler zulässt. "Wir beobachten immer wieder Verstöße gegen EU-Regeln", klagt Herzig. Bestreben seiner EAIVT-Gruppe sei es aber, schnelle Praxis-Lösungen zu finden und ohne Anwälte auszukommen. Denn mit den hohen Strafen der EU-Kommission, deren Durchsetzung aber Jahre dauern könne, sei keinem gedient. "Wir wollen lediglich, dass die Hersteller ihre Compliance-Regeln einhalten, deswegen wenden wir uns direkt an die Hersteller", so Herzig.Trau schau wemSchwierigkeiten gibt es auch immer wieder bei der Zahlungsabwicklung. Die EU-Anwältin Erika Olivero informierte deswegen in Istanbul über Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken: Stets sollte im Geschäftsverkehr zwischen Händlern, also im B2B-Bereich, vor Vertragsabschluss Identität und finanzielle Situation des Partners genauestens geprüft werden und im Vertrag genaue Zahlungs- und Lieferbedingungen festgelegt werden. Was selbstverständlich klingt, ist im EU-Handel keineswegs üblich, oft haben die Partner keinen Vertrag, sondern nur eine Proforma-Rechnung per E-Mail.Das macht die Bedeutung eines Verbandes wie des EAIVT deutlich. Mitglied kann nämlich nur werden, wer mindestens zwei Bürgen hat. Das heißt: Jeder dort organisierten Firma bescheinigen andere EAIVT-Mitglieder ordentliches Geschäftsgebaren. "Zwischen EAIVT-Mitgliedern hat noch nie jemand Geld verloren", vermerkt Präsident Belfanti stolz.GewährleistungsrisikenVor Problemen mit Endverbrauchern schützt das aber nicht. "Die derzeitige Situation ist sehr unübersichtlich und steckt voller Gewährleistungsrisiken", sagt Ansgar Klein, Vorstand des deutschen Verbandes der freien Autohändler BVfK. "Das Problem besteht darin, dass in jedem EU-Land andere Gewährleistungsrechte gelten." Sie basierten zwar alle auf einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 1999, wurden jedoch unterschiedlich ausgestaltet. Wenn nun ein Verbraucher aus einem EU-Land in einem anderen EU-Land ein Auto kauft und es anschließend Probleme gibt, kann der Verbraucher an seinem Heimatort verklagen. Ein spanischer Händler muss sich zum Beispiel vor einem Gericht in Dänemark verteidigen. Weil es nicht möglich ist, die Besonderheiten eines jeden europäischen Landes bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen, empfiehlt der BVfK, einen Partnerhändler im Heimatland des jeweiligen Kunden zu suchen und diesem dann gegen eine angemessene Gewinnspanne die Geschäftsabwicklung zu überlassen.KurzfassungZur Zeit gibt es zu wenig Fahrzeuge - neu und gebraucht - auf dem freien Markt. Der EAIVT geht aber davon aus, dass sich die Zeiten wieder ändern werden. Versuche der Hersteller, den Zugang für die unabhängigen Händler einzuschränken, werden mit pragmatischen Lösungen eingedämmt. Im freien Handel gelten aber dennoch besondere Regeln sowie B2B als auch B2C.Der türkische AutomobilmarktMehmet Tasar, Geschäftsführer der Tasar Gruppe in Istanbul, informierte über den türkischen Markt. Sein Unternehmen vertritt Ford, Renault, Dacia, Opel und Isuzu an 13 Standorten und verkauft jährlich 16.000 Neuwagen.Am Tagungsort Istanbul nutzten die Teilnehmer der EAIVT-Tagung die Gelegenheit, sich auch über den türkischen Markt zu informieren. 2013 wurden in der Türkei 885.000 Neufahrzeuge verkauft. 26 Prozent davon waren Nutzfahrzeuge. Es gibt in dem Land 1.187 Vertrags- und 1.132 freie Händler. Schwierig macht den Markt eine spezielle Steuer auf Fahrzeuge, die nach der Motorengröße berechnet wird: Bis 1,6 Liter Hubraum beträgt sie 45 Prozent, zwischen 1,6 und 2 Liter 90 Prozent. Fahrzeuge mit über 2 Litern Hubraum werden mit 145 Prozent besteuert. Diese Praxis führt dazu, dass zum Beispiel die E-Klasse von Mercedes mit einem 1,6 Liter Motor Bestseller in der Türkei ist. Außerdem sind Limousinen sehr beliebt, sie machen 45 Prozent der Zulassungen aus. Import/ Export von und zu dem Land, das nicht zur EU gehört, ist aber nach Aussage von Händlern vor Ort sehr schwierig. Es gibt hohe bürokratische Anforderungen an eine Importeursgenehmigung. Für den Export gebe es zwar ein bis zwei Mal pro Jahr Gelegenheiten, aber auch hier sei der Umgang mit den Behörden nicht einfach. Der lange und umständliche Transport von und nach Europa verteuert den Handel zusätzlich. Geschäftschancen für den Handel mit der Türkei gibt es derzeit eigentlich nur mit Luxusmarken, die über kein Vertriebsnetz in dem Land verfügen.

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