Ausgabe 04/2008: GW-Strukturveränderungen

GW-Geschäft / Angesichts der Gesamtertragssituation verlagern mehr und mehr Händler ihre Aktivitäten auf das Gebrauchtwagengeschäft. Im Meer an jungen Gebrauchtwagen gilt es neue Schwerpunkte zu bilden.GW-Strukturveränderungenvon Prof. Hannes BrachatAUTOHAUS hat zusammen mit givit den "givit GW-Report 2008" publiziert. Givit-Vorstand Peter Patzelt ermöglichte es, die Komplexität komprimiert und übersichtlich darzustellen. Peter Patzelt: "Wenn die Renditen im Neufahrzeuggeschäft gegen Null tendieren, wenn die Ertragskraft im Service bröckelt, dann muss der Handel – gleich den Händlern in Amerika – im Gebrauchtwagengeschäft einen besonderen Ertragsschwerpunkt setzen. Ich bin der Überzeugung, dass das gelingen kann. Das givit GMS (Garantie-Management-System) ist dazu ein wichtiger Erfolgsbaustein." Drei grundsätzliche Ziele stehen für ein erfolgreiches GW-Management im Vordergrund:1. Wie kann im Handel ein profitables Wachstum im GW-Geschäft erwirtschaftet werden? 2. Wie sehen geeignete Vertriebsformate (Retailformate) aus? 3. Welche Kundenerwartungen gilt es markenadäquat im GW-Geschäft zu erfüllen? Können konkrete Kundentrends im GW-Geschäft ausgemacht werden? Wie sehen die kaufentscheidenden Faktoren aus?Wer Expertenprognosen von vor wenigen Jahren analysiert, stellt fest, dass die Branche längst nicht 6,4 Mio. Besitzumschreibungen generieren müsste, sondern über 7 Mio. Das Rekordjahr 1999 zeichnete 7,7 Mio. Besitzumschreibungen! Seit dem Millenniumsjahr 2000 müssen wir für den Gesamtmarkt pro Jahr ein Minus von 100.000 GW-Zulassungen feststellen. Die Kunden kaufen also nicht nur weniger Neufahrzeuge, sondern auch weniger Gebrauchtwagen. Ergo: Die Haltedauer hat 2007 die 8-Jahresfrist überschritten. Es haben sich im GW-Segment seit der GVO 2002 für den Autohandel einige Gewichtungen verschoben. Sie seien aufgezeigt, da sie maßgeblich zu den Marktwandlungen beigetragen haben. Mehrmarkenhandel und GW-HandelsmarkeMindestens 40 Prozent der Automobilhändler sind mit der neuen GVO 2002 zum Mehrmarkenhändler geworden. Und das nicht nur mit Konzernmarken. Und nicht nur mit getrennten Standorten, sondern unter einem Dach. Das hat ein erweitertes Mehrmarkenbestandsmixtum auf deren GW-Plätzen zur Folge.Mehr und mehr Markenhändler separieren das GW- vom Neufahrzeuggeschäft. Daraus entstehen eigene Handelsmarken. Beispiel: Auto Mega, AutoArenA, AUT.OS u.a. Diese Konzentration auf eine selbstständige Einheit ermöglicht gezieltes Einkaufsmanagement, die Spezialisierung auf reine GW-Verkäufer und Einkäufer bis hin zum Verkauf über Internet. Wir kommen darauf in einem separaten Beitrag zurück. InternationalisierungUnter den 50 größten deutschen Autohändlern engagiert sich der eine und andere inzwischen sichtbarer international. Strukturell sind viele Markenhändler so angelegt, dass 70 bis 80 Prozent ihrer GW-Bestände über die GW-Hereinnahme des NW-Geschäftes zustande kommen. Ein aktives Zukaufsmanagement – selbst über vorzeigbare GW-Händlerkooperationen – wird immer noch nicht betrieben. Eigentlich müssten die Hersteller-GW-Börsen diese Internationalisierung über ihre so genannten "GW-Marken" etablieren und für den Handel integrieren. Auch dort ist immer noch Leisetreten angesagt.Die EU-Erweiterung 2004 hat erweiterte Wirkung auf das GW-Geschäft. In den Kernmärkten (15 Staaten) wechselten bislang p.a. 30 Mio. Gebrauchtwagen ihre Besitzer. Bis heute begünstigt die GW-Preisdifferenz in Europa den internationalen Einkauf. Es gilt aber auch der Umkehrschluss, dass eine NW-Preisanpassung das internationale GW-Business nicht stärken wird. Die Wachstumsmärkte liegen in Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei. Die Zahl international tätiger Handelsgruppen hat seit 2002 zugenommen. Beredtes Beispiel ist Dat Autohus nahe Bremen. Ein Discounter. Die Preise stehen und werden nicht zur Disposition gestellt. Von den über 14.000 Fahrzeugen gehen die Hälfte inzwischen ins Ausland. Außerdem schalten sich vermehrt europäische Vermittler ein. Die B2B-Autobörse von Autobid.de ist nur ein Beleg dafür. Die Registrierung der Fahrzeuge für die Online-Auktionen ist bereits mehrsprachig ausgelegt. Je nach Börsen trifft man heute schon auf ein Fahrzeugangebot in 23 Sprachen. Das Internet schuf auch auf diesem Feld in den vergangenen Jahren mehr Preistransparenz, legte Grenzen lahm, reduzierte drastisch die Informations- und Transaktionskosten. Die beiden Börsen-Marktführer AutoScout24 und Mobile.de stoßen in Deutschland bereits auf Wachstumsgrenzen und weiten daher ihr Tätigkeitsfeld ins europäische Ausland aus. In Deutschland werden derzeit pro Jahr rund 213.000 GW importiert und 801.000 exportiert. Wichtigster Abnahmemarkt: Rumänien (83.000 Fahrzeuge). Auf Rang zwei folgt Italien und auf dem dritten Platz Russland. Freier GW-Handel Ohne Frage gibt es nach wie vor die so genannten "Schotterplatz-Händler". Es haben sich aber in den vergangenen Jahren professionelle GW-Händler etabliert. Der reine GW-Handel konnte seinen Marktanteil bei den Besitzumschreibungen von 2002 bis heute von 14 Prozent auf 19 Prozent erhöhen. Sie schreiben Umsatzrenditen über 4 Prozent und belächeln die "armen Markenhändler". Zu gerne werden auch über ihre Achse Graumarkt- oder gar Neufahrzeuggeschäfte vom Reich der Überkapazitäten vom Hof gebracht. Am Handel vorbei, versteht sich.Herstellereigene GW-ZentrenIm April 2002 platzierte die damalige DCVD in Eching (München) die "Motormeile". Dort werden junge GW verschiedener Marken angeboten. Damit setzt der erste Hersteller auf den gezielten, herstellergestalteten GW-Abfluss fremder Marken, vielfach aus Re-Importen. Wie lange die "Motormeile" noch weitergeführt werden soll, dazu wollte sich die heutige Mercedes-Benz Vertriebsorganisation Deutschland nicht äußern. Eigentlich sollten bei entsprechendem Erfolg vier weitere derartige Absatzbrücken gebaut werden.Im Mai 2003 folgte das BMW Zentrum für Gebrauchte Automobile in Fröttmaning bei München. Dort wurde mit einem Aufwand von 23 Mio. EUR auf 43.000 qm Fläche ein reines BMW-Verkaufshaus mit jungen Gebrauchten, Werks-, Jahreswagen, Leasing-Rückläufer, Tageszulassungen u.a. in Betrieb genommen. Innen werden 850, außen 350 Fahrzeuge präsentiert. 185 Mitarbeiter vermarkten pro Jahr inzwischen rund 12.000 Fahrzeuge. 2005 wurde das zweite Zentrum für Gebrauchte Automobile in Dreieich (Frankfurt) in Betrieb genommen. 100 Mitarbeiter vermarkten p.a. rund 7.000 Fahrzeuge. Audi richtete im Oktober 2005 in Hannover auf 11.500 qm Fläche ein Werkswagen-Zentrum ein. Junge Gebrauchtwagen im Premiumbereich bilden die Angebotsstruktur. Remarketing Autovermieter Große Veränderungen gab es ferner beim Remarketing für die "jungen GW" wie für die älteren Fahrzeuge, sei es über den Weg der Auktionen bzw. über das Internet. Die Hersteller betonen nach außen immer wieder, dass das Remarketing von Rückläufern ganz wesenhaft über den Vertragshandel laufe. Autovermieter wie Sixt, Europcar, Hertz, Avis haben eigene GW-Vermarktungswege, sowohl im Verkauf an Händler wie an Privatkunden. Sixt unterscheidet im Internetauftritt zwischen Gebraucht-, Neuwagen- und B2B-Bereich. Im GW-Bereich wird eine separate Börse ausgewiesen, ebenso Reifen und sonstiges Zubehör. Sixt offeriert ferner die "Sixt Autoland Franchise" und sucht dafür weitere Partner. Unter www.europcar.de werden Links zu diversen GW-Börsen offeriert. www.hertz.de hat seinen Verkauf über Internet unter "Weitere Geschäftsfelder" gestellt. Avis vermarktet einen Teil seiner Mietwagenflotte nach einer Laufzeit von drei bis zwölf Monaten mit Nachlässen auf den Listenpreis von bis zu 40 Prozent an Händler. Darüber hinaus werden EU-Fahrzeuge angeboten. Die Fahrzeuge können an vier verschiedenen Standorten bundesweit besichtigt werden. Die Angebote können beim Avis-Partner AutoScout24 eingesehen werden. Unabhängige Leasinggesellschaften Mit der GVO 1400/2002 können Händler neue Kraftfahrzeuge auch an Leasinggesellschaften verkaufen, so der Leasingvertrag weder eine Übertragung des Eigentums noch eine Kaufoption für das Fahrzeug vor Ablauf des Leasingvertrages enthält. Insgesamt sollten unabhängige Leasinggesellschaften gegenüber herstellereigenen Leasinggesellschaften wettbewerbsfähiger gemacht werden. Im Juli 2007 hat das EU-Kartellamt den Parallelvertrieb durch Leasinggesellschaften erschwert (Skoda-Urteil. Skoda will durch sein qualitatives selektives Vertriebssystem vor dem Aufbau eines parallelen Vertriebsnetzes durch Leasinggesellschaften schützen). Die Kartellkommission vertritt die Auffassung, Leasinggesellschaften seien keine Endverbraucher. Die EU-Kommission vertritt die gegenteilige Meinung. Wer unabhängige Leasinggesellschaften wie ALD, Lease Plan, GE Capital Solutions, Deutsche Leasing oder Athlon Car Lease in den Entwicklungen der vergangenen Jahre sieht, muss hier erhebliche Wachstumsraten feststellen. Die meisten Leasinggesellschaften vermarkten ihre Rückläufer nach Ablauf der Vertragslaufzeit nach rund drei Jahren über Händler wie Privatkunden. Bei Bremen hat sich www.AUTOHUS.de auf den Abverkauf von Mietwagen und Leasingrückläufer spezialisiert. Die Vermarktungsplattform von Athlon ist unter www.athloncarsale.de zu finden. Dort findet man auch den Zugang zu Athlon carsale Auktionen. Darüber hinaus hat Athlon Car Lease Belgium mit der Marke "Carplaza" eine Webseite geschaffen, über die der professionelle Kfz-Händler zahlreiche Fahrzeuge findet. Darüber hinaus erhält man Informationen über das weltweite Leasing-Angebot des Athlon Netzwerk-Partners Fleet Synergy International. In der Athlon carsale Fahrzeugsuche für den Privatverkauf werden ausgewählte Leasingrückläufer mit geringer Laufleistung angeboten. Immer beliebter werden die Gehaltsumwandlungsmodelle. Bei Athlon Car Lease sind beispielsweise separate Konfiguratoren für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer hinterlegt, die als Steuerrechner fungieren und für beide Parteien die jeweiligen Vorzüge aufzeigen. Bei Sixt Leasing findet man diese Konfiguratoren unter "Bruttogehaltsumwandlungsmodelle". Mitarbeiter jeglicher Art erhalten über diese Schiene direkten Zugriff auf Großabnehmer-Preisvorteile überfabrikatlicher Art. Diese Verkäufe gehen dem Endkundengeschäft Neuwagen verloren und haben in Folge Auswirkungen im GW-Geschäft. Sprich, die Autovermieter wie die Leasingfirmen etablieren sich aktiv im GW-Handel. Dies ist gleichzusetzen mit engerem Handlungsspielraum für den Markenhändler. Umgekehrt arrangieren sich inzwischen zahlreiche Händler mit der Rückläufervermarktung diverser Leasinganbieter.SystemanbieterTÜV wie Dekra haben inzwischen separate Unternehmen aufgebaut, über die gezielte GW-Managementofferten für den Handel erbracht werden. Sachverständige übernehmen die komplette GW-Prozesskette, von der Bewertung bis zur optischen GW-Aufbereitung. Pit-stop offeriert unter "Fleet" mobilen Service. A.T.U. ist mit Fuhrpark-Service und mit A.T.U.-Glas-Service im Boot. Carglass wartet mit dem Vor-Ort-Service auf. Recontec hat sich auf Smart Repair konzentriert. Das bedeutet, für freie GW-Großhändler, Leasingfirmen, Flottenbetreiber haben sich überregionale Dienstleister im Bereich Service aufgestellt. Die Anbieter für GW-Optik seien hier gleichermaßen erwähnt. Zu den gravierenden Strukturveränderungen gehören sämtliche E-Commerce-Aktivitäten, sprich die Welt der GW-Börsenanbieter. Das GW-Börsenparkett wurde in AUTOHAUS mehrfach dargestellt, ebenso die Welt der GW-Auktionsanbieter. Das werden wir jeweils aktuell fortsetzen.

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