Ausgabe 03/2007: Hersteller-Händler-Beziehung / Ist das ...

Hersteller-Händler-Beziehung / Ist das Geschäftsmodell Autohandel noch zu retten? Optimierungspotenziale mit dem Ziel des perfekten Zusammenspiels.Der Klinsmann-EffektVon walter missingDas Wirtschafts-Magazin "impulse" verlieh im Herbst 2006 zum 17. Mal den renommierten "impulse"-Franchise-Geber-Preis. Die Jury erklärte: "Eine geschickte Marketing-Maschinerie kombiniert mit der klaren Qualitätsausrichtung bietet den Vertragspartnern trotz der relativ hohen Investition eine sehr gute Erfolgsaussicht." In einer bundesweit erschienenen ganzseitigen Anzeige in den Tageszeitungen bedankte sich das gekürte Unternehmen bei seinen Partnern mit den Worten: "Offen. Fair. Verlässlich. An diesen Werten wollen wir uns messen lassen." Und weiter: "Unsere Franchise-Nehmer vergleichen den Tag, an dem sie ihren Vertrag mit uns übernahmen, mit einer Eheschließung. Für Außenstehende mag sich das etwas dick aufgetragen anhören, aber es gibt in der Tat einige Parallelen: Wir sind aufeinander angewiesen, stärken uns gegenseitig, teilweise seit mehr als 30 Jahren, in guten wie in weniger guten Zeiten ..."Vorbild McDonald's"impulse" berichtete nicht über die Erfolgsstory eines Automobilherstellers und seiner Händler, sondern von McDonald's Deutschland und seinen Franchisepartnern. Mit dem Argument, dass im Automobilhandel kein Franchisesystem besteht, würde man das Gelesene am liebsten schnell beiseite legen. Dies wäre jedoch vorschnell, denn vergleichbare Strukturen und Prozesse, insbesondere wenn es um das Zusammenspiel geht, können auch dem Automobilhandel Ansatzpunkte aufzeigen. Dort finden zunehmend gegensätzliche Entwicklungen statt. Von gemeinsamen Werten der Hersteller und der Händler ist erst gar nichts in Sicht. Im Gegenteil: DaimlerChrysler-Vertragspartner etwa, die lange als die Zufriedensten galten, mussten unter Kündigungsdruck dieser Tage so genannte "Compliance"-Vereinbarungen unterschreiben, was wörtlich mit "einhalten, befolgen" oder "Willfährigkeit" übersetzt werden kann.Unabhängig von diesen "Soft Facts" wird das Dilemma von kompetenter Seite mit knallharten Fakten hinterlegt. Professor Willi Diez: "Die meisten (Fahrzeug-)Hersteller verdienen heute bereits kein Geld mehr in Deutschland." ZDK-Präsident Rademacher: "Die Ergebnissituation im Handel ist weiter äußerst unbefriedigend." Ein Händler: "Die Händlersteuerung der Hersteller gleicht der Art von Drückerkolonnen, die Überproduktion in den Handel drücken. Der größte Konkurrent ist nicht der Händler der Konkurrenzmarke, sondern der eigene Markenkollege." Und dies trotz positiver Konjunkturdaten in Deutschland. Nach Expertenschätzung haben ca. 50 Prozent der deutschen Markenhändler 2006 mit roten Zahlen ihr Geschäftsergebnis abgeschlossen. Den schlimmsten Beweis, wie marode das Geschäftsmodell Automobilhandel ist, liefern die Zahlen der konzerneigenen Niederlassungen. Mindestens zwei Drittel dieser Musterbetriebe schreiben tiefrot. Das etablierte Geschäftsmodell "Automobilhandel" ist, nachdem es Jahrzehnte außerordentlich gut funktioniert hat, in eine Sackgasse geraten.Auf den ersten Blick geht das schlechte Zusammenspiel vornehmlich zu Lasten des Handels. Eine Unterstellung wäre es sicherlich zu vermuten, dass die Hersteller das bestehende Geschäftsmodell aus egoistischen Machtgründen so lange wie möglich halten und es sich evolutionär entwickeln lassen wollen. Nach dem Motto: Die guten Händler werden überleben.Dies wäre aber zu kurz gesprungen. Mit dem Wissen, dass der dauerhafte Markterfolg der Hersteller von einer leistungsfähigen, zufriedenen Handelsorganisation abhängt und die Händler auf einen starken Hersteller angewiesen sind, schadet der Zustand beiden Seiten und es gibt am Ende des Tages nur Verlierer.Ein gutes Zusammenspiel verändert sich situationsbezogen und entwickelt sich im Idealfall permanent weiter. Unter positiver Anspannung führt es unvermeidlich zum Erfolg. Bei der Fußball-WM konnten wir ein gutes Beispiel erleben: Der deutsche Fußball, zuvor an einem Tiefpunkt, erzielte nach einer umfassenden Bestandsaufnahme mit neuen Ideen und Lösungen, umschrieben mit dem "Klinsmann-Effekt", neue Erfolge. Auch für den Automobilhandel muss am Anfang die Ursachenforschung stehen. Die seit Jahren etablierten Studien zur Händlerzufriedenheit zeigen die Handlungsfelder im Detail auf. Große Verbesserungen in der Beziehung der Beteiligten lassen jedoch auf sich warten.Pauschal beziehen die Hersteller ihre Unzufriedenheit auf die ihrer Meinung nach nicht ausreichende Leistungsfähigkeit der Händler in der Erreichung der Absatzziele, der von ihnen erwarteten Höhe des Servicegrads und der Kundenzufriedenheit, verbunden mit ihrer Meinung nach zu hohen Vertriebskosten.Die Händler nennen drei Schwerpunkte: Ihre unzureichende Renditesituation, viele Einzelprobleme aus der Händlersteuerung durch die Hersteller, und sie sind der Ansicht, dass die Hersteller ihre hausgemachten Probleme wie Überkapazitäten oder Qualitätsmängel auf dem Rücken der Händler austragen.Können diese Unzufriedenheiten über ein verbessertes Zusammenspiel überhaupt beseitigt werden? Bei genauem Hinsehen zeigen sich vor allem folgende Handlungsfelder: Undifferenzierte Zusammenarbeit – alle Händler "werden über einen Kamm geschoren" (Grafik 1) Falsche Hebel in der Verkaufssteuerung der Hersteller (Außendienst nicht "Coach", sondern "Drücker" des Handels) Mehrere konkurrierende Vertriebskanäle der Hersteller Vergütungssysteme für das Geschäftsmodell Autohandel nicht stimmig (Vermischung von Vergütung und Incentives) Markt- wird losgelöst von Renditeperformance gesehen (Angebotsmenge nicht im Gleichklang mit Marktgesetzen) Weiterentwicklung von tradierten Zielkonflikten begleitet (freies Unternehmertum vs. Integration Hersteller/Händler)LösungsvorschlägeWie ist dieser Zustand zu verändern? Wie kann über neue Konzepte ein gemeinsamer Geschäftserfolg entwickelt werden? Bevor das Geschäftsmodell verändert wird, ist das Zusammenspiel zu klären. Über allem muss die Zielsetzung stehen, dass Markt- und Renditeperformance für Hersteller und Händler eine Einheit bilden und nicht getrennt gesehen werden dürfen. Die Absatz- muss mit der Renditeplanung der Händler und nicht nur der Hersteller einhergehen.Im Weiteren sollte im Zusammenspiel, da es nicht nur rational verläuft, der Versuch unternommen werden, über die klare Abgrenzung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen klare Regeln zu bestimmen. Durch den Abgleich der gegenseitigen Erwartungen, die viele subjektive Momente beinhalten, entsteht eine neue und vor allem klare Basis für die Zukunft. In einfachen Worten zusammengefasst: Klärung der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung (AKV) beinhaltet, dass jeder, Hersteller und Händler, sich um das, wofür er zuständig ist, kümmert und dies richtig macht. Daran werden alle gemessen und in die Verantwortung genommen. Darüber hinaus gehören die gegenseitigen Erwartungen nicht unter, sondern auf den Tisch, um zu vermeiden, dass der jeweils andere meint, selbst das besser zu können, wofür der andere zuständig ist.Zwischen den grundsätzlichen Erwartungen der Hersteller an die Händler oder umgekehrt gibt es bei genauem Hinsehen eigentlich keine Diskrepanzen. Beide Seiten sind erfolgsorientiert und wollen zufriedene Kunden. Die unterschiedlichen Aufgaben erfordern hohe spezifische Kompetenzen und Verantwortungen. An dieser Stelle liegt das eigentliche Potenzial, das dann generiert werden kann, wenn die in den beiden Blöcken dargestellten Erwartungen nicht unabhängig voneinander gesehen werden, sondern synchron verlaufen (Grafik 2).Das gilt auch für die gemeinsamen Ziele. Es gibt Konflikte, wenn die Ziele egoistisch getrennt gesehen werden. Insbesondere wenn es um das Geld geht, driften die Interessen auseinander. Während die Händler an hohen Margen interessiert sind, versuchen die Hersteller die Vertriebskosten möglichst niedrig zu halten (Grafik 3).FazitZusammengefasst können Hersteller und Händler Konflikte und Enttäuschungen vermeiden, wenn sie in einem ersten Schritt ihre gegenseitigen Erwartungen geklärt und ihre jeweiligen Zuständigkeiten in AKV hinterlegt haben. Das Geschäftsmodell Automobilhandel muss solche Prozesse berücksichtigen, zulassen und unterstützen. Dies ist die "Pflicht" – vereinbarte gemeinsame Werte und ein Leistungsversprechen von Hersteller und Handel ergänzen zur "Kür". Ob ein "Klinsmann-Effekt" mit einem perfekten Doppelpass-Spiel im Automobilhandel entsteht, hängt zunächst von diesen Voraussetzungen ab. Im zweiten Schritt können dann die systembedingten Störungen beseitigt werden. Dazu mehr im nächsten Beitrag. Walter Missing (53) gilt als Experte in operativen wie strategischen Fragen des Automobilhandels. Vor seiner selbstständigen Beratertätigkeit für Hersteller und Handel war er langjährig in verschiedenen Führungspositionen des DaimlerChrysler-Vertriebs tätig und hat dabei die Hersteller- , aber auch die Handelsseite vertreten. In seiner Aufgabe als Geschäftsleitungsmitglied von DaimlerChrysler Deutschland verantwortete er von 1998 bis 2004 die Vertriebsnetze der Konzernmarken im deutschen Markt. Er zeichnete sich trotz der in seiner Verantwortung eingeleiteten gravierenden Veränderungen im Mercedes-Benz Vertriebsnetz, die sich die gesamte Branche als Vorbild nahm, insbesondere durch die höchste Händlerzufriedenheit während seines Wirkens aus. Die größten Chancen für die Branche sieht er in der Ausschöpfung der Potenziale aus einer optimalen Zusammenarbeit von Hersteller und Handel.

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