Ausgabe 10/2009: Kontra Franchise

Kontra FranchiseNeue Geschäftsmodelle E Warum ein Franchisesystem nicht die Alternative zum heutigen Vertragshändlersystem sein kann. Von Antje WoltermannKrisenzeiten bieten die Chance, völlig neue Wege zu beschreiten. Tabuthemen sollte es dabei grundsätzlich nicht geben. Vor diesem Hintergrund muss es natürlich erlaubt sein, darüber nachzudenken, ob ein Franchisesystem für den Automobilhandel besser geeignet sein könnte als das heutige Vertragshändlersystem. Aufbauend auf den bisher veröffentlichten Beiträgen lohnt sich aber ein Blick auf die Charakteristika von Franchisesystemen. Denn bekanntlich steckt der Teufel im Detail.Know-how1. Ein Franchisesystem ist dadurch gekennzeichnet, dass der Franchisegeber seinen Franchisenehmern das Recht einräumt und sie gleichzeitig verpflichtet, ein Geschäft entsprechend seinem Konzept zu betreiben. Damit sind Franchisenehmer berechtigt und verpflichtet, gegen Entgelt den Systemnamen und das Know-how des Franchisegebers zu nutzen. Der Schwerpunkt von Franchisesystemen im Vergleich zu anderen Systemen, bei denen auch beispielsweise Rechte an Marken lizenziert werden, liegt in der Vermittlung von Know-how.Der Unterschied zwischen einem Vertragshändlersystem und einem Franchisesystem besteht darin, dass der Vertragshändler eben kein Unternehmensführungs-Know-how erhält. Er ist häufig schon vor Abschluss des Vertrages in der gleichen Branche tätig und führt auch nach Vertragsabschluss sein Unternehmen weitgehend nach seinen eigenen Vorstellungen weiter.Übertragen auf den Automobilhandel zeigt sich, dass ein Franchisesystem eher nicht passend erscheint. Denn Hersteller verfügen sicherlich über das Know-how zur Produktion ihrer Fahrzeuge, aber weniger über das Know-how zur Führung eines Autohauses. Genau deshalb wählen sie als Vertriebspartner für ihre Produkte gestandene Unternehmer mit Branchenerfahrungen aus. Denn diese verfügen über das notwendige Know-how zur erfolgreichen Autohausführung.Handel wird geschwächt2. Der Automobilvertrieb basiert bekanntlich auf einer europäischen Verordnung, nämlich der Kfz-GVO 1400/2002. Aber auch für Franchisesysteme gibt es seit langem eine europäische Rechtsgrundlage: Am 1.2.1989 trat die Franchise-GVO 4087/88 in Kraft. Sie wurde mit Wirkung vom 1.6.2000 abgelöst durch die Vertikal-GVO 2790/99. Über diese Vertikal-GVO, auch häufig als Schirm-GVO bezeichnet, wurde gerade in letzter Zeit im Zusammenhang mit dem Auslaufen der Kfz-GVO im Mai 2010 viel diskutiert. Und es wurde aus Handelssicht eindeutig festgestellt, dass eine Anwendung dieser Verordnung auf den Automobilvertrieb nicht sinnvoll ist. Denn dadurch würde die Position des Handels geschwächt. Deshalb ist auch insoweit nicht ersichtlich, weshalb ein Franchisesystem auf Basis der Schirm-GVO für den Automobilvertrieb besser geeignet sein sollte als ein Vertragshändlersystem auf Basis der Kfz-GVO.Kein Gebietsschutz3. Es wird suggeriert, dass im Rahmen eines Franchisesystems auf Basis der Schirm-GVO nahezu sämtliche Gestaltungselemente aufleben könnten, wie sie vor Inkrafttreten der heutigen GVO üblich waren. Als positives Beispiel wird insbesondere das Thema eines Gebietsschutzes angeführt.In der Tat können Franchisesysteme auf Basis der Schirm-GVO Züge eines selektiven Vertriebssystems, wie wir es heute im Automobilhandel kennen, aufweisen. Allerdings dürfen bei derartigen Franchisesystemen weder der aktive noch der passive Verkauf an Endverbraucher eingeschränkt werden. In einem solchen Franchisesystem ist also ein Gebietsschutz nicht möglich!Dagegen ist es durchaus möglich, in Franchiseverträge Wettbewerbsverbote aufzunehmen, und zwar – dies ergibt sich aus den Leitlinien zur Schirm-GVO – sogar über den nach der Schirm-GVO grundsätzlich vorgesehenen Zeitraum von fünf Jahren hinaus. Das heißt der Mehrmarkenvertrieb könnte im Rahmen eines Franchisesystems sogar noch stärker eingeschränkt werden, als es normalerweise nach der Schirm-GVO möglich wäre.Es braucht an dieser Stelle nicht weiter betont zu werden, dass insoweit ein Franchisesystem für den Automobilhandel eher mit Nachteilen als mit Vorteilen verbunden wäre.Theorie und Praxis4. Als weiterer Vorteil eines Franchisesystems wird aufgeführt, dass klare, verlässliche und vertraglich vereinbarte Regelungen zu einem attraktiven Gesamtpaket geschnürt werden. Dazu gehöre vor allem eine vertraglich vereinbarte Ertragsprognose für die vom Franchisenehmer zu erbringenden Leistungen und Investitionen innerhalb einer fest vereinbarten Vertragsdauer. Dies ist in der Tat ein positiver Aspekt. Um jedoch dieses Ziel zu erreichen, bedarf es keiner Veränderung des Vertriebssystems. Denn auch im heutigen Vertragshändlersystem wäre es ohne weiteres möglich, dass Hersteller mit ihren Vertriebspartnern klare und verlässliche Regelungen vereinbaren. Und sie könnten sich auch heute schon ihren investierenden Vertriebspartnern gegenüber verpflichten, den Vertriebsvertrag beispielsweise in den kommenden zehn Jahren nicht zu kündigen. Nur: Warum erklären sie sich nicht generell bereit, einen derartigen Investitionsschutz zu vereinbaren? Weil sie – so wird es immer wieder betont – flexibel bleiben möchten. Ob sich diese Einstellung ändert, wenn statt eines Vertragshändlersystems ein Franchisesystem praktiziert wird, muss bezweifelt werden.Umdenken notwendig5. Richtig ist zweifellos, dass ein Umdenken sowohl auf Hersteller- als auch Handelsseite dringend notwendig ist. Zudem ist es an der Zeit, die Aufgaben, aber auch die Kosten und Risiken beider Seiten klar zu definieren und dann jeweils einer Seite zuzuordnen. Es wäre sicherlich wünschenswert, wenn im Zuge dieses Prozesses der Hersteller die Verantwortung für den Markt und dessen Entwicklung übernimmt. Dazu gehört dann aber auch, dass der Hersteller nicht unbeschränkt als Wettbewerber zu seinen eigenen Händlern auftritt und dass er nicht länger das Risiko einer nicht marktgerechten Unverbindlichen Preisempfehlung dem Handel aufbürdet. Wenn er dann noch für die gesamte Kalkulation des vereinbarten Geschäftsmodells garantiert, dann wird sein Vertragspartner kaum Probleme damit haben, sich an ihn zu binden.Das alles könnte erreicht werden durch eine Neugestaltung der Hersteller-Händler-Beziehung unter der Voraussetzung, dass beide Parteien den Willen zur Veränderung haben und tatsächlich auf Augenhöhe miteinander sprechen. Und daran sollte gearbeitet werden. Eines neuen rechtlichen Gewandes in Form eines Franchisesystems bedarf es dazu aber nicht. Lesen SIe hier...... die Antwort von Antje Woltermann auf das Plädoyer für ein Franchise-Vertragssystem von Walter Missing in AUTOHAUS 8/2009, Seite 32.KurzfassungFür Antje Woltermann würde der Handel durch ein Franchisesystem eher geschwächt. Ein neues Geschäftsmodell ist ihrer Meinung nach zwar nötig, dafür bedarf es aber keines neuen rechtlichen Gewandes.

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