Ausgabe 11/2014: Mehr Probefahrt geht nicht

Was den Handel unter Druck setzt, kann der Autovermieter Hertz gewinnbringend für sich nutzen. Die Kundenwünsche beim Autokauf haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Wie die aktuelle Studie "Innovation Automotive Retail" der Unternehmensberatung McKinsey zeigt, informieren sich Gebrauchtwagenkunden zu fast hundert Prozent online. Eine Probefahrt wünschen sie sich aber trotzdem. Und genau diese Wunschkombination bedient der Fahrzeugvermieter Hertz mit seinen bestehenden Strukturen und dem Produkt Rent2Buy jetzt auch auf dem deutschen Markt.Europäische StrategieTestmarkt für das Produkt waren vor vier Jahren die USA. Vor zwei Jahren folgten dann die Markteinführungen in Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien. "Die Idee dahinter ist, dass sich Privatkunden im Internet einen Gebrauchtwagen aus dem Gesamtbestand der Vermietflotte aussuchen, der sich zu diesem Zeitpunkt in der Vermietung befindet", erklärt Sören Hensen, Director Fleet bei Hertz Deutschland. "Dann kann er das Fahrzeug maximal fünf Tage lang mieten, also Probe fahren, und anschließend entscheiden, ob er es kaufen möchte. Der Kunde weiß genau, was er kauft."In der Praxis funktioniert Rent2Buy dann so: Seit etwa neun Monaten ist die Internetseite hertzgebrauchtwagen.de online. Sie erkennt, wo sich der Kunde bei der Gebrauchtwagen-Suche befindet. Per Umkreissuche um den Kundenstandort werden ihm die verfügbaren Fahrzeuge der Flotte angezeigt. Der Kunde sucht sich ein passendes Fahrzeug aus und platziert einen Reservierungswunsch. Ein deutschsprachiger Mitarbeiter des europäischen Rent2Buy-Callcenters in Dublin ruft den Kunden anschließend an, um ihm den Prozess zu erklären und mitzuteilen, wann er das Fahrzeug in einer Hertz-Station in seiner Nähe zur Probefahrt abholen kann.Ohne Verkäufer und Autohaus"Wir brauchen keine Gebrauchtwagen-Verkäufer und kein Autohaus für unser Endkundengeschäft", sagt Hensen. "Der Kunde weiß schon alles, wenn er in unsere Filiale zur Fahrzeugabholung kommt." Zwei Tage nach Mietbeginn ruft das Callcenter den Kunden erneut an und bietet Hilfestellung bei Fragen oder Wünschen an. Hensen: "In 99 Prozent der Fälle hat sich der Kunde dann schon entschieden, ob er das Fahrzeug möchte. Die meisten Kunden entscheiden sich sogar schon innerhalb der ersten 48 Stunden." Möchte der Kunde das Fahrzeug kaufen, ist die Mietzeit kostenfrei. Er bekommt einen Kaufvertrag zugeschickt. Sobald dieser unterschrieben ist, erhält er eine Rechnung, das Fahrzeug wird abgemeldet und er kann es mit neuer Zulassung ganz normal in der Filiale abholen. "Wenn ihm das Fahrzeug nicht gefällt, muss er nur eine marktübliche Miete bezahlen. Es gibt keine Kaufverpflichtung", ergänzt der Flotten-Chef."Die Filialen haben mit der Kaufabwicklung relativ wenig zu tun", erklärt Markus Hochmuth, Manager Car Sales Hertz Deutschland. "Unser Callcenter kann viele Entscheidungen treffen. Wenn es um weitergehende Fragen geht, kann zusätzlich ein Team in der Deutschlandzentrale eingeschaltet werden." Wie ist Hertz auf diese Vermarktungsidee gekommen?"Die Idee hat jeder Autovermieter, der an Wiederverkäufer verkauft und sieht, welche Margen ihm am Ende entgehen. Aber die meisten denken, dass man für das Endkundengeschäft Verkaufsstandorte aufbauen und Kapital binden muss", sagt Hochmuth. "Die Verbreitung des Internets hat unser Geschäftsmodell möglich gemacht."Chance statt RisikoEin Drittel der Fahrzeuge von Hertz fließt als Buy-Back-Geschäft und ein Drittel als Leasingrückläufer nach vereinbarter Laufzeit an die Hersteller zurück. Nur ein Drittel der Flotte besteht überhaupt aus Risk-Fahrzeugen, die der Autovermieter anschließend als Gebrauchtwagen selbst vermarktet. "Ich nenne die Fahrzeuge nicht Risk-, sondern Opportunity-Cars, weil sie nicht nur Risiken für uns bedeuten, sondern auch Chancen bieten", sagt Hochmuth. "2013 war das Kickoff-Jahr von Rent2Buy in Deutschland. Wir verkaufen immer noch mehr als 90 Prozent unserer Opportunity-Fahrzeuge an Händler." Die Zielsetzung für 2014 ist dennoch klar. "Je mehr wir an Endkunden verkaufen, desto besser", bekräftigt Hensen. "Aber in den vierstelligen Bereich werden wir dieses Jahr definitiv noch nicht kommen." Auch wenn sich Hertz über konkrete Verkaufszahlen im Endkundengeschäft bisher ausschweigt, zeigt die Entwicklung in anderen europäischen Ländern, welche Stückzahlen schon nach kurzer Anlaufzeit möglich sind. Hensen: "Der französische Markt ist unser Vorreiter. Dort verkaufen wir in manchen Monaten mehrere hundert Gebrauchtwagen mit Rent2Buy an Privat."

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