Unterlassungserklärung: Neue Kündigungsmöglichkeit

Für den Automobilhandel begann das Jahr 2024 im Hinblick auf die Werbung für Neufahrzeuge mit einer umfangreichen Umstellung. Die neue Pkw-EnVKV, welche die erforderlichen Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch, Stromverbrauch, CO2-Emissionen und Energiekosten neuer Personenkraftwagen regelt, ist im Februar 2024 in Kraft getreten. Seit dem 1. Mai 2024 muss die Werbung bzw. die Hinweise und Aushänge den Vorgaben der neuen Pkw-EnVKV entsprechen. Abgesehen von neuen Hinweispflichten und Erweiterungen von bestehenden Hinweispflichten, sollten Händler aber auch eine neu eingeführte Ausnahme berücksichtigen.AusnahmetatbestandDutzenden Händlern dürfte der folgende Verstoß gegen die alte Pkw-EnVKV bekannt sein: Die Pflichtangaben werden vollständig gemacht, die Darstellung auf der Internetseite oder der Plattform gestattet es jedoch aus technischen Gründen nicht, dass der Verbraucher beim ersten Aufruf der entsprechenden Seite direkt die vollständige Werbung mit allen Pflichtangaben sieht. Dafür muss der Verbraucher noch auf einen Button wie beispielsweise "Mehr anzeigen" klicken, um erst danach die vollständigen Pflichtangaben sehen zu können. Insbesondere betrifft der Fall Plattformen von sozialen Medien wie beispielsweise "Facebook". Da dieser Fall nach der alten Pkw-EnVKV unabhängig vom Verschulden der Händler einen Verstoß gegen die Verordnung darstellte, wurden auf dieser Grundlage auch eine ganz erhebliche Anzahl von Händlern mit standardisierten Abmahnschreiben, vor allem vom Verein Deutsche Umwelthilfe, abgemahnt und gleichzeitig aufgefordert, eine straf-bewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen.Die neue Pkw-EnVKV brachte in diesem Zusammenhang eine erfreuliche Änderung mit sich. Gemäß der Anlage 4 (zu § 5), Teil II (Elektronische Werbung), Nummer 4 der neuen Pkw-EnVKV wird nunmehr geregelt, dass es bei Werbung im Internet einschließlich Werbung in sozialen Medien und in Online-Videoportalen keinen Verstoß darstellt, wenn die Sichtbarkeit der Pflichtangaben ausschließlich aufgrund der technischen Darstellung der jeweiligen Plattform, auf der geworben wird, und ohne weiteres Zutun des Herstellers oder des Händlers nicht oder nur teilweise gegeben ist.Im Rahmen der entsprechenden Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vom 15. Dezember 2023 (Drucksache 657/23) wird diese Ausnahmeregelung dahingehend erklärt, dass dafür entscheidend ist, dass die "fehlende oder eingeschränkte Sichtbarkeit der Pflichtangaben ausschließlich auf einer technischen Darstellung beruht, auf die der Hersteller oder Händler keinerlei Einfluss nehmen kann". Beispielsweise bei Vorschau-Anzeigen oder bei einem Button "Mehr anzeigen". Der Hersteller oder Händler bleibt allerdings dennoch "weiterhin verpflichtet, sämtliche Pflichtangaben im Rahmen der Werbung entsprechend der Vorgaben dieser Verordnung zu machen". Sofern vom Hersteller oder Händler gar keine oder unvollständige Pflichtangaben gemacht werden, greift der Ausnahmetatbestand somit nicht ein. "Erst wenn der Hersteller oder Händler eine ordnungsgemäß gekennzeichnete Werbung veröffentlicht und alles Weitere in seinem Machtbereich Liegende getan hat, damit die Sichtbarkeit der Pflichtangaben gewährleistet ist, kann er die Voraussetzung "ohne Zutun" im Sinne der neuen Pkw-EnVKV erfüllen". Dementsprechend wird deutlich gemacht, dass diese Regelung als Ausnahmetatbestand eng auszulegen ist. Jedoch betrifft es genau den oben beschriebenen Fall, auf dessen Grundlage zahlreiche Händler gezwungen waren, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.KURZFASSUNG1. Der Hersteller oder Händler bleibt "weiterhin verpflichtet, sämtliche Pflichtangaben im Rahmen der Werbung" entsprechend der Vorgaben der neuen Pkw-EnVKV zu machen.2. Allerdings stellt es nun keinen Verstoß mehr dar, wenn allein die technische Darstellung der Grund für eine fehlende oder eingeschränkte Sichtbarkeit der gemachten Pflichtangaben ist.3. Eine in der Vergangenheit aufgrund eines solchen, nun nicht mehr abmahnfähigen Sachverhalts abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung kann unter Umständen gekündigt werden. Um die Kündigung aus wichtigem Grund erfolgreich durchsetzen zu können, muss sich die Unterlassungserklärung vom Inhalt und vom abgemahnten Verhalten her aber eindeutig nur auf diesen relevanten Verstoß beziehen, da eben nur dieses bestimmte Verhalten keinen Verstoß mehr darstellt.4. Betroffene Händler sollten die in der Vergangenheit abgegebene Unterlassungserklärung möglichst zeitnah rechtlich überprüfen lassen und ggf. gegenüber der abmahnenden Stelle bzw. der diesbezüglichen Vertragspartnerin die Kündigung erklären.Folgen für bestehende UnterlassungserklärungenDa es inzwischen keinen Verstoß mehr darstellt, wenn allein die technische Darstellung der Grund für eine fehlende oder eingeschränkte Sichtbarkeit der gemachten Pflichtangaben ist, müssen sich betroffene Händler nun fragen, wie es dann sein kann, dass eine in der Vergangenheit gerade aufgrund eines solchen, nun nicht mehr abmahnfähigen Sachverhalts abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung trotz der neuen Pkw-EnVKV noch besteht und wirksam ist.Dazu muss man sich zunächst einmal über den rechtlichen Hintergrund im Klaren sein. Bei einer strafbewehrten Unterlassungserklärung handelt es sich um nichts anderes als um ein Dauerschuldverhältnis bzw. um einen Vertrag zwischen dem Händler und der abmahnenden Stelle, überwiegend dem Verein Deutsche Umwelthilfe, welcher auf unbestimmte Zeit geschlossen wird und beinhaltet, dass die abmahnende Stelle eine Vertragsstrafe von dem Händler fordern darf, sofern der Händler das Verhalten, wegen dessen er abgemahnt wurde, in Zukunft noch einmal wiederholt. Die abmahnende Stelle macht diesbezüglich einen Unterlassungsanspruch gegen den Händler geltend, welcher darauf abzielt, das abgemahnte Verhalten des Händlers in Zukunft zu unterlassen. Da für einen solchen Unterlassungsanspruch eine Wiederholungsgefahr erforderlich ist und diese nach der Rechtsprechung bereits beim ersten Verstoß gegeben ist, bleibt dem Händler, sofern er ein gerichtliches Verfahren vermeiden möchte, was im Übrigen nicht immer der taktisch beste Weg ist, nichts anderes übrig, als eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, da durch eine solche die bestehende Wiederholungsgefahr ausgeräumt wird. Allerdings wird durch die Abgabe der Unterlassungserklärung für die abmahnende Stelle der Weg geebnet, bei weiteren Verstößen direkt eine entsprechende Vertragsstrafe zu verlangen, welche inzwischen im vierstelligen oder sogar fünfstelligen Bereich pro Verstoß liegt.Da es sich bei der Unterlassungserklärung allerdings um ein Dauerschuldverhältnis handelt, kann dieses gemäß § 314 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden. Der BGH hatte dazu bereits im Jahr 2014 im Rahmen seines Urteils vom 08. Mai 2014, Az.: I ZR 210/12, u. a. ausgeführt, dass "der Wegfall des dem vertraglich vereinbarten Verbot zugrundeliegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs einen wichtigen Grund" darstellt, welcher "die Kündigung des Unterlassungsvertrags wegen Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung rechtfertigt".Und genau da liegt der eigentliche Knackpunkt. Gemäß der neuen Pkw-EnVKV ist die gesetzliche Grundlage für den hier relevanten Verstoß nach der alten Pkw-EnVKV weggefallen. Aber um die Kündigung aus wichtigem Grund erfolgreich durchsetzen zu können, muss sich dementsprechend auch die Unterlassungserklärung vom Inhalt und vom abgemahnten Verhalten her eindeutig nur auf diesen relevanten Verstoß beziehen, da eben nur dieses bestimmte Verhalten keinen Verstoß mehr darstellt.Insoweit kommt es dann auf den Inhalt und die genaue Formulierung in der Unterlassungserklärung an, welche umgehend einer rechtlichen Überprüfung unterzogen werden sollte.KündigungsfristDie betroffenen Händler sollten daher die in der Vergangenheit abgegebene Unterlassungserklärung rechtlich überprüfen lassen und ggf. gegenüber der abmahnenden Stelle bzw. der diesbezüglichen Vertragspartnerin die Kündigung erklären. Dies sollte zudem möglichst zeitnah geschehen, denn § 314 Abs. 3 BGB sieht vor, dass die Kündigung nur innerhalb einer angemessenen Frist seit Kenntnis vom Kündigungsgrund erfolgen kann. Ein längeres Zuwarten könnte dahingehend ausgelegt werden, dass die Fortsetzung des Vertrags bzw. das Fortbestehen der Unterlassungserklärung zumutbar ist. Zwar gibt es im Hinblick auf die Angemessenheit der Frist keine konkrete Vorgabe. Ein Zeitraum von ein bis zwei Monaten könnte jedoch als nicht mehr angemessen gewertet werden.Sofern die betroffenen Händler daher bislang noch keine positive Kenntnis vom möglichen Kündigungsgrund hatten, dürfte die entsprechende Frist für den Ausspruch der Kündigung spätestens ab Kenntnisnahme dieses Artikels zu laufen beginnen.DER AUTORMichail Bagaviev ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Dr. Vogels Rechtsanwälte in Köln. Seine Schwerpunkt-Themen sind Verkehrsrecht, Wettbewerbsrecht und Unfallschadenrecht. E-Mail: kontakt@dr-vogels.eu

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