Jaguar Land Rover: Neuer Schulterschluss für die Zukunft

Zuletzt gab es viel Ärger bei Jaguar Land Rover und mehrere Klagen. Ende 2021 gelang es laut Deutschland-Geschäftsführer Jan-Kas van der Stelt aber, die Streitigkeiten mit dem Handel beizulegen. Welche Bilanz er für 2021 zieht und wie er auf 2022 schaut, erläutert er im Gespräch.AH: Die Chipkrise stellt den Automarkt derzeit vor große Herausforderungen. Per Ende November gingen die Pkw-Zulassungen laut KBA gegenüber dem Vorjahr nochmals um 8,1 Prozent zurück. Besonders schwer getroffen hat es Jaguar mit einem Minus von 34,3 Prozent. Land Rover kam vergleichsweise glimpflich davon (minus 7,5 Prozent). Woran lag es?J.-K. van der Stelt: Wir müssen zunächst auf 2020 zurückblicken: Wir haben letztes Jahr, nach der ersten Corona-Welle, unsere Werke nur sukzessive hochfahren können, wobei die Jaguar-Werke später an den Start gingen. Das heißt, wir haben Ende 2020 schon weniger Fahrzeuge auf den Markt gebracht. Damit war der Start in 2021 für Jaguar schon nicht ideal. Dazu kommt, dass aktuell aufgrund der Lieferengpässe die Lieferfristen bei Jaguar länger sind als bei Land Rover. Das hat auch damit zu tun, dass wir teilweise einen hohen Auftragsbestand bei Jaguar haben - besonders bei PHEV-Modellen, bei denen sehr viele Chips verbaut werden. Außerdem haben wir - wie viele andere Hersteller auch - uns wegen der Mangelwirtschaft fokussiert auf ertragreichere Modelle. Bei Land Rover ist das Fokusmodell zurzeit der Defender, ein Zugpferd für unsere Marken.Hilfe für den HandelAH: Wie haben Sie den Handel in der Krise unterstützt und was planen Sie für den weiteren Verlauf?J.-K. van der Stelt: Zum Beispiel gewähren wir für das aktuelle Quartal fast 75 Prozent unserer Gesamtmarge an den Handel. Der Volumenbonus war schon für die letzten drei Quartale ausgesetzt. Wenn wir keine Ware liefern können, macht es auch keinen Sinn, einem Ziel hinterherzuhecheln. Vorführ- und Schauraumstandards haben wir ausgesetzt, um dem Handel mehr Flexibilität zu geben. Das jährliche Standard-Audit ist ebenfalls für 2021 ausgesetzt. Um die Folgen der Lieferengpässe abzumildern und die Kunden mobil zu halten, haben wir das Thema JLR Rent - ein Konzept, das wir vor einigen Jahren schon eingeführt haben - noch einmal vorangetrieben. Das hat gut funktioniert. Und FCA hat die Leasingverträge verlängert. Das gibt Flexibilität für Kunde und Händler. Für nächstes Jahr streben wir eine Margenvereinfachung an.AH: Sie haben gerade die Bank erwähnt, bleibt es bei der Captive?J.-K. van der Stelt: Für 2022 bleibt es bei den Verträgen mit ALD und FCA. Wenn diese Verträge auslaufen, gibt es neue Überlegungen.Rendite auf VorkrisenniveauAH: Wie steht es mit der Rendite im Netz?J.-K. van der Stelt: Besser als erwartet. Nach zehn Monaten kommen wir auf 1,3 Prozent. Damit sind wir auf dem Weg, das Vorkrisenjahr 2019 zu erreichen. Es zeigt, wie unsere Händler gerade in der Corona-Krise ihre Kosten in den Griff bekommen haben. Natürlich hat auch das Kurzarbeitergeld geholfen. Dazu läuft das Gebrauchtwagengeschäft sehr gut und die Preisentwicklung ist positiv. Auch im Neuwagengeschäft wurden die Renditen pro Fahrzeug verbessert. Dazu kommt ein gutes Servicegeschäft.AH: Was erwarten Sie für 2022? Wie ist die Auftragslage? Und wann kann wieder "normal" geliefert werden?J.-K. van der Stelt: Wir haben doppelt so viel Aufträge wie im Vorjahr. Das ist eine starke Ausgangslage für 2022. Wir tun uns aber bei den neuen Modellen, die wir in 2021 an den Start gebracht haben - XF, F-Pace und E-Pace besonders als PHEVs - und bei den Land Rover PHEV-Modellen etwas schwer, die Fahrzeuge zu liefern. Da besteht derzeit zwölf Monate Wartezeit. Wir erwarten eine Verbesserung in der zweiten Jahreshälfte 2022. Dann sollten wieder genug Chips verfügbar sein, um die Wartezeiten zu verkürzen. Eine Normalisierung mit drei, vier Monaten Vorlauf, wie das einmal war, erwarte ich aber erst in 2023.AH: Die europäischen Auflagen bezüglich CO2-Emissionen zwingen die Hersteller zum Handeln. Wie geht Jaguar damit um? Was bedeutet das für die zukünftige Modellpolitik? Und die Stückzahlen?J.-K. van der Stelt: Wir planen, die Reduktion nach den CO2-Emissionsregeln einzuhalten. Wir haben mittlerweile mit acht Plug-In- und elf Mild-Hybriden und dem I-Pace eine breite Produktpalette, die zu der Erreichung der CO2-Ziele auch hier im deutschen Markt beitragen werden. Im Vergleich zum vorigen Fiskaljahr haben wir eine weitere Reduzierung von 15 Prozent durch diese neuen Modelle. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn wir die Modelle wieder liefern können. Im Vergleich zu 2007 haben wir unseren Flotten-CO2-Ausstoß um 33 Prozent verringert. Bis Ende des Jahrzehnts soll jede Modellreihe ein vollelektrisches Modell haben und bis 2039 wollen wir als Unternehmen CO2-neutral sein. Wir haben natürlich auch größere Fahrzeuge. Aber wir glauben, dass wir mit den neuen Technologien, zum Beispiel auch mit Wasserstoff, was sich aktuell im Testprozess mit dem Defender befindet, dieses Ziel erreichen können.Kein DirektvertriebAH: Gerade die Jaguar Land Rover Händler haben in den letzten Jahren - unter völlig anderen Voraussetzungen und Absatzerwartungen - viel für die neue CI investiert. Welche Zukunftsperspektive bieten Sie Ihrem Netz? Wie steht es zum Beispiel mit Ihren Plänen zum Direktvertrieb?J.-K. van der Stelt: Das letzte Thema zuerst: Aktuell haben wir keine Pläne, in den Direktvertrieb einzusteigen. Die Vertragskonstellation erlaubt es auch nicht. Wir haben 91 Land Rover und 65 Jaguar Händler in Deutschland. Damit sind wir ein sehr kleiner Hersteller. Wir brauchen diese Zahl von Point of Sales, um Deutschland abzudecken. Wir sind der Meinung, dass unsere besonderen Marken weiterhin physische Standorte brauchen. Beim Thema Volumen und Gewinn haben wir gerade in 2021 gelernt, dass das nicht zwangsläufig korreliert. In 2019 lagen die Stückzahlen bei 26.000 Einheiten für beide Marken. In 2021 schaffen wir eine ähnliche Rendite mit einer deutlich geringeren Anzahl von Fahrzeugen. Wir meinen, dass mit einem profitablen Neuwagengeschäft, den Gebrauchtwagen und den Mobilitätsangeboten, eine gesunde Rendite erzielt werden kann. Die Höherpositionierung der Marken zu "modernem Luxus" bedeutet auch ein besseres Geschäft für den Handel. Wir wollen mit den bestehenden Händlerstandorten unser Geschäft profitabel vorantreiben.Verträge GVO-konformAH: Neben Ihren Planungen gibt es mit der neuen GVO auch einen neuen gesetzlichen Rahmen. Wie werden Sie damit umgehen? Wird es eine Netzkündigung geben?J.-K. van der Stelt: Unsere Verträge sind mit den bisher vorgelegten Entwürfen zur neuen GVO im Einklang. Wir brauchen keine Netzkündigung, um diese Regeln umzusetzen. Wir beobachten aber, was auf uns zukommt.AH: Ist das Agenturgeschäft ein Thema?J.-K. van der Stelt: Aktuell nicht. Wir beobachten natürlich den Markt und schauen uns an, wie sich das entwickelt. Aber wie gesagt, unsere Händlerverträge lassen ein Direktgeschäft gar nicht zu.AH: Im MarkenMonitor des IfA Instituts, der die Zufriedenheit der Händler mit Ihrer Marke untersucht, belegt Jaguar Land Rover einen der hinteren Plätze mit einer Note von 3,57 Prozent. Wie erklären Sie das?J.-K. van der Stelt: Die Durchschnittsnote für alle war 3,3 - die schlechteste in der Geschichte der Untersuchung. Das zeigt, dass unsere Automobilindustrie in einem starken Wandel ist, der mit sehr viel Unsicherheit verbunden ist. Das macht es für den Handel insgesamt schwer, positiv nach vorne zu schauen. Zusätzlich haben wir bei Jaguar Land Rover Deutschland seit 2020 auch einige Diskussionen mit dem Händlerverband im Bereich Marge, Standards und Mobilität der Zukunft gehabt. Zum Glück haben wir diese Streitigkeiten in den letzten Wochen beigelegt. Mit dem neuen Schulterschluss gehe ich davon aus, dass es 2022 besser wird.Abomodell gestartetAH: Jaguar Land Rover wollte unter dem Namen "Subscribe" ein Abomodell einführen. Der Händlerverband hat dies per einstweiliger Verfügung verhindert. Was ist daraus geworden?J.-K. van der Stelt: Das Gericht hat den Verkauf von Fahrzeugen an unseren Abo-Partner leider als Direktvertrieb eingestuft, was uns laut Händlervertrag nicht möglich ist. Das ist von unserer Seite unglücklich gelaufen. Mittlerweile haben wir dazu eine offene Kommunikation mit dem Händlerverband. Wir haben das gleiche Ziel - nur unterschiedliche Wege dorthin. Nach wie vor setzen wir auf die Mobilitätskonzepte der Zukunft. Ich glaube, "Fahrzeuge besitzen" wird sich in "Fahrzeuge nutzen" wandeln. Das passiert nicht von heute auf morgen, aber Schritt für Schritt, und wir möchten daran teilhaben. Wir konnten jetzt das neue Abo-Angebot "Subscribe" mit Gebrauchtfahrzeugen lancieren und können mit JLR Rent als kurzfristige Miete und dem üblichen Leasing und Finanzierungsangeboten, was ebenfalls in den letzten Jahren stark gewachsen ist, ein umfassendes Mobilitäts-angebot bieten. 89 von unseren 91 Händlern bieten bereits JLR Rent und unser Plan für "Subscribe" ist, den Handel hier sukzessive einzubinden, denn wir glauben, dass der stationäre Handel eine wichtige Rolle spielen und auch Geld verdienen kann. 2022 ist als Pilotphase definiert, weil auch wir als Hersteller erst diese neue Kundengruppe kennenlernen müssen.Klarheit bei der MargeAH: Auch in Sachen einseitige Margenänderung hat der Händlerverband geklagt. Wie steht es da?J.-K. van der Stelt: Auch dort haben wir es geschafft, eine Einigung zu erzielen. Wir haben jetzt Klarheit beim Thema Margenentscheidungsfindung und beide Seiten wissen nun, woran sie sind. Es gibt auch ein paar neue Spielregeln, die wir vereinbart haben, damit wir auf den sich schnell ändernden Markt reagieren können. Die neue Spielregel heißt 80/20. Das bedeutet, dass wir überlegen müssen - wenn nicht mindestens 80 Prozent der Händler das Kriterium erfüllen können, ob das Kriterium richtig war. Damit wollen wir den Händlern einerseits Sicherheit geben, aber auch zusammen mit dem Händlerverband ein System finden, wie wir gemeinsam durch die schwierige Zeit gehen können.AH: Wie läuft es bei der Statement-Site? Gibt es beim Betreiber Veränderungen? Oder sind Sie damit zufrieden?J.-K. van der Stelt: Wir sind unter den aktuellen Umständen zufrieden. Bei der Eröffnung 2019 planten wir zwar mit größeren Stückzahlen, aber dann kam im Februar 2020 Corona. An dem Business Case arbeiten wir gemeinsam mit dem Betreiber. Der Service läuft sehr gut und auch die Zufriedenheit der Kunden ist sehr, sehr gut. Die Statement Site ist ein wichtiger Anlaufpunkt für unsere Marken und eine perfekte Erlebnislocation. Wir sind sehr stolz darauf, dass es bei unseren Kunden so gut ankommt.Mehr DigitalisierungAH: Die Importeursgesellschaft hat sich sehr verschlankt. Wie war die Reaktion des Handels und der Shareholder darauf?J.-K. van der Stelt: Die Autoindustrie unterliegt einem enormen Wandel und wie die anderen Hersteller auch müssen wir Kosten sparen und uns nachhaltig ausrichten. Und auch bedingt durch Corona war der Umsatz in 2020 und 2021 nicht wie geplant. Wir haben das ganz gut verkraftet. Wir haben aber gerade im Außendienstbereich, also gegenüber dem Handel, nur zehn Prozent eingespart, weil wir verhindern wollten, dass der Handel seine Ansprechpartner beim Hersteller verliert. Wir sind jetzt schlanker und müssen jetzt noch digitaler werden.AH: Zum Thema Digitalisierung. Sie sind ein kleiner Importeur. Wie unterstützen Sie den Handel im Bereich IT?J.-K. van der Stelt: Wir sind im Tata-Konzern, der u. a. ein starkes Technologieunternehmen ist. Mit unserem neuen CEO Thierry Bolloré hat sich die Zusammenarbeit im Hinblick auf Synergien in den Bereichen saubere Energie, vernetzte Dienstleistungen und Daten- und Softwareentwicklung verstärkt. In Richtung Handel sind wir dabei, das Thema Digitalisierung auszurollen. Zum Beispiel haben wir in den letzten zwölf Monaten das Thema Video-Chat eingeführt, und im Servicebereich arbeiten wir stark mit Cloud-basierten Lösungen.AH: Drei Premiummarken entwickeln gerade ihr Netz in Richtung weniger Investoren. Ist das ein Thema bei Ihnen?J.-K. van der Stelt: Eine solche Strategie verfolgen wir nicht. Unsere besonderen Marken brauchen ein gesundes Verhältnis im Händlernetz.AH: Vielen Dank für das Gespräch!

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