Fahrzeughandel: Neues Kaufrecht ab 2022 - Teil II

In AUTOHAUS 21/2021 haben wir den mit der Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie 2019/771 ab 2022 geltenden neuen Sachmangelbegriff erläutert. Darüber hinaus bringt das maßgebliche "Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrages" vom 25.06.2021 einschneidende Änderungen für den Fahrzeughandel beim Verbrauchsgüterkauf. Neu eingeführt werden Haftungsvorschriften für "Waren mit digitalen Elementen". Die markant wichtigsten Änderungen für ab dem 01.01.2022 neu abgeschlossene Geschäfte werden nachfolgend dargestellt.Haftung auch bei Kenntnis des Mangels möglichIm Verbrauchsgütergeschäft findet künftig der generelle Ausschluss der Sachmängelhaftungsansprüche des Käufers bei Kenntnis des Mangels zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine Anwendung mehr. Auch wenn der Kunde beispielsweise bei Unterzeichnung des Kaufvertrages den gut sichtbaren Hagelschaden kennt, kann sich der Verkäufer auf eine fehlende Eintrittsverpflichtung künftig nur noch dann berufen, wenn er den Verbraucher mit Abschluss des Kaufvertrages ausdrücklich auf den Schaden aufmerksam gemacht und der Kunde nachweisbar sein Einverständnis gegeben hat. Alle negativen Besonderheiten in der Beschaffenheit von Fahrzeugen sind also künftig zwingend detailliert in den Kaufvertrag aufzunehmen.Keine Aufforderung zur Nacherfüllung nötigNeu eingeführt wird eine Verpflichtung des Unternehmers gegenüber Verbrauchern zur Durchführung der Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist (§ 475 Abs. 5 BGB). Diese Frist beginnt selbsttätig zu laufen mit der bloßen Mitteilung des Mangels, so dass es künftig keiner Aufforderung des Verbraucherkunden und insbesondere auch keiner Fristsetzung mehr bedarf, Nacherfüllung zu leisten. Welche Frist für die Reparatur oder Ersatzlieferung angemessen ist, muss anhand objektiver Kriterien abgestellt auf den Einzelfall beurteilt werden. Reagiert der Händler im Verbrauchergeschäft auf eine Mangelanzeige nicht unmittelbar mit dem Angebot der Prüfung des Fahrzeuges und der Aufforderung, dieses beim Händler zur Verfügung zu stellen, läuft er Gefahr, automatisch in Verzug zu geraten. Dasselbe gilt, wenn sich der Händler im Fall einer berechtigten Reklamation mit der Behebung mehr Zeit als nötig lässt. In beiden Fällen verliert er dann automatisch sein Recht auf Reparatur oder Ersatzlieferung. Der Kunde erhält unmittelbar die Möglichkeit, Minderung oder Rücktritt/Schadensersatz geltend zu machen. Die Nacherfüllung muss für den Verbraucher "ohne erhebliche Unannehmlichkeiten" erfolgen. Die konsequente Verwendung unbestimmter Begrifflichkeiten wird vorhersehbar zu viel Konfliktpotenzial und Klärungsbedarf durch die Gerichte führen.Rücktritt und SchadensersatzAußer im oben dargestellten Fall der nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgten Nacherfüllung können Verbraucher künftig bereits auch dann unmittelbar vom Vertrag zurücktreten, wenn die erste Nacherfüllung erfolglos war, ein besonders schwerwiegender Mangel vorliegt, eine ordnungsgemäße Nacherfüllung verweigert wurde oder offensichtlich nicht zu erwarten ist. Für den Rücktritt des Verbrauchers ist damit auch im "Normalfall" kein zweiter erfolgloser Nacherfüllungsversuch mehr erforderlich und es entfällt die Notwendigkeit einer Fristsetzung. Auch Schadensersatzansprüche können unter den Voraussetzungen des Rücktritts unmittelbar und ohne Fristsetzung geltend gemacht werden.Verlängerung der BeweislastumkehrDie Beweislastumkehr im Verbrauchergeschäft gilt künftig für den Zeitraum eines vollen Jahres ab Übergabe des Fahrzeuges. Damit wird der Zeitraum verdoppelt, in dem zugunsten des Verbrauchers die gesetzliche Vermutung gilt, dass ein auftretender Mangel auch bereits anfänglich vorhanden oder veranlagt war. Was dies in der Praxis bedeutet, muss insbesondere dem Gebrauchtfahrzeughandel nicht erklärt werden. Erheblich erweitert wird der zeitliche Rahmen des Risikos, für ursprünglich bei Übergabe des Fahrzeuges nicht aufgetretene Mängel zu haften, weil - wie meist - die Beweismöglichkeiten zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung fehlen. Erleichterungen für die Beweisführung der Händler gibt es auch in der verlängerten Zeit nicht. Konsequenterweise muss eine solche Erweiterung des Risikos bei der Preisfindung mit einkalkuliert werden, wodurch Gebrauchtfahrzeuge im Handel teurer und - zumindest im Bereich höherer Laufleistungen - faktisch kalkuliert sogar unverkäuflich sein werden.VerjährungFür Verbraucher gelten künftig auch erhebliche Besserstellungen bei der Verjährung. Weiterhin gilt im Kaufrecht grundsätzlich eine Verjährungsfrist von zwei Jahren. Eine Verkürzung für Gebrauchtfahrzeuge auf ein Jahr ist zwar weiterhin möglich, bedarf künftig aber einer ausdrücklichen Aufklärung des Verbrauchers und einer ausdrücklichen und gesonderten Vereinbarung im Vertrag, womit bisher übliche AGB-Regelungen ausscheiden. Auch ein einfacher Vermerk im Formularvertrag wird unwirksam sein, wenn er nicht hervorgehoben ist und vom Kunden gesondert unterschrieben wurde. Dabei muss zur Wirksamkeit wohl auch vermerkt werden, dass gesetzliche Verlängerungen der Verjährungsfrist unberührt bleiben. Solche Verlängerungen sind in zwei Fällen zwingend vorgesehen. Für Mängel, die sich erstmals zum Ende der Verjährungsfrist zeigen, tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von vier Monaten ein ab dem Zeitpunkt, zu dem sich ein Mangel erstmals gezeigt hat. Vorgesehen war im Gesetzentwurf hier eine Frist von 2 Monaten, die aber wohl nicht als ausreichend erachtet wurde, um dem Verbraucher die notwendige Zeit für das Nacherfüllungsverlangen und erforderlichenfalls für die Unterbrechung der Verjährung durch gerichtliche Geltendmachung zu geben. Ob und wann ein Mangel tatsächlich erstmals aufgetreten ist, hat im Konfliktfall der Kunde nachzuweisen. Kontrollmöglichkeiten des Händlers bestehen hier meist nur sehr beschränkt.Eine weitere Verlängerung der Verjährung gilt im Fall der erfolgten Nacherfüllung oder bei Beanspruchung einer Garantie. Hier tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von zwei Monaten nach der Rückgabe des Fahrzeuges an den Verbraucher ein. Ermöglicht werden soll dem Kunden damit eine ausreichende Möglichkeit zur Prüfung, ob die Mangelbehebung tatsächlich erfolgreich war.Vorschriften für Waren mit digitalen ElementenNeu vorzunehmen ist ab 01.01.2022 im Verbraucherkaufrecht eine notwendige Abgrenzung zwischen digitalen Produkten, Waren mit digitalen Elementen und analogen Waren. Verbraucherverträge über digitale Produkte (z. B. EDV-Programme, Video-, Audio- und Musikdateien) und digitale Dienstleistungen (z. B. Bereitstellung von Datenbanken, Software und Servern, Social-Media- und Messengerdienste) erhalten eigene Regelungen durch Einführung eines neuen Vertragstyps (§§ 327 ff. BGB). Sind digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen aber in Waren enthalten und mit ihnen dergestalt verbunden, dass sie - wie beispielsweise Betriebssysteme für EDV-Anlagen - für die Erfüllung der Funktion verantwortlich sind und hierfür nicht weggedacht werden können, gilt insgesamt das gewöhnliche Kaufrecht mit den dort nunmehr in Bezug auf die "digitalen Elemente" ergänzten Bestimmungen. Neben Saugrobotern und anderen digitalen Hausgeräten, Mobiltelefonen, Smartwatches und WLAN-Routern trifft dies beispielsweise auch die Steuerungssoftware für Fahrzeuge bis hin zu Sicherheitsupdates oder die Programmierung des Navigationssystems.Ergänzend zum Sachmängelbegriff des § 434 BGB ( siehe Beitrag AUTOHAUS 21/2021) erstreckt sich die Haftung des Fahrzeughändlers zusätzlich auch auf Aktualisierungspflichten. Sind hier keine besonderen Vereinbarungen getroffen, schuldet der Händler für den nach dem Vertrag maßgeblichen Zeitraum, im Übrigen für den üblicherweise nach der Vertragsart zu erwartenden Zeitraum solche Aktualisierungen, die erforderlich sind um einen Erhalt des vertragsgemäßen Zustandes zu ermöglichen. Über die Aktualisierungsmöglichkeiten hat der Händler den Verbraucher zu informieren. Die Montageanforderungen des Sachmangelbegriffs gelten entsprechend für die Installation bzw. die Installationsanweisungen für Updates. Fehler bei den Updates dürfen nicht vom Unternehmer zu vertreten sein und auch nicht auf fehlerhaften Anleitungen beruhen.Für den Bereich der digitalen Elemente stellt das Sachmängelhaftungsrecht nicht mehr alleine auf den Zeitpunkt der Übergabe der Kaufsache ab. Verlangt wird auch die Erhaltung der digitalen Funktionstüchtigkeit für einen bestimmten Zeitraum, der im Gesetz allerdings keine feste Definition erfährt. Sind Aktualisierungsleistungen beispielsweise bei Handys oder Navigationssystemen bereits Gegenstand des Kaufvertrages selbst, muss der Unternehmer mangels besonderer Vereinbarungen Updates während des zu erwartenden Zeitraums der Nutzung gewährleisten, im Zweifel aber zumindest für einen Zeitraum von zwei Jahren. Sachmängelhaftungsansprüche wegen fehlender Aktualisierungsleistungen verjähren nicht vor dem Ablauf von zwölf Monaten nach Ende der vertraglichen Aktualisierungspflicht.Kurzfassung1. Das zum 01.01.2022 in Kraft tretende "Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrages" setzt die EU-Warenkaufrichtlinie vom September 2019 um und bringt für den Fahrzeughandel nachteilig einschneidende Veränderungen vor allem im Verbrauchsgüterkauf.2. Die Rechte der Verbraucher werden nochmals erheblich gestärkt insbesondere durch strengere Anforderungen an die Nacherfüllung, erleichterte Rücktrittsmöglichkeiten, Verlängerung der Beweislastumkehr und geänderte Verjährungsregelungen.3. Neu eingeführt werden besondere Sachmängelhaftungsvorschriften für "Waren mit digitalen Elementen" mit der Verpflichtung des Händlers, die Funktionsfähigkeit von digital gesteuerten Produkten für die vereinbarte Verwendungszeit, jedenfalls aber für einen üblich zu erwartenden Zeitraum durch das Angebot tauglicher Aktualisierungen zu gewährleisten.KommentarJammern hat keinen Sinn, mit der neuen Gesetzeslage muss der Fahrzeughandel ab Januar 2022 leben. Was nunmehr kommt, war anhand der aktuellen EU-Warenkaufrichtlinie längst vorhersehbar. Es muss sich jedoch die Frage stellen, ob den Verbraucherinteressen und den Zielen einer Förderung des grenzüberschreitenden Handels tatsächlich gedient ist, wenn der professionelle Fahrzeughandel die neuen Vorschriften in Anbetracht erheblich erweiterter Haftungsrisiken und des im Haftungsfall drohenden Aufwandes als Hemmnis betrachten muss, Fahrzeuge tatsächlich ins entfernte EU-Ausland zu verkaufen. In jedem Fall verursachen die Änderungen aber auch im Inlandsgeschäft wieder zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Zur Verringerung des Haftungsrisikos wird es mehr denn je erforderlich sein, Besonderheiten und insbesondere negative Beschaffenheiten von Fahrzeugen sowie die Erfüllung der Hinweispflichten gegenüber dem Verbraucher ausführlich mit der Kaufvertragsurkunde zu dokumentieren, ebenso das Einverständnis des Kunden. Die Verkürzung der Sachmängelhaftungsfrist für Gebrauchtfahrzeuge auf ein Jahr bedarf in jedem einzelnen Fall der besonderen Vereinbarung. Die Betriebe sollten sich organisatorisch rechtzeitig auf erforderliche Änderungen einstellen.Rechtsanwalt Robert Glocker

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