Ausgabe 16/2014: Passgenaue Werbung

Je mehr ein Unternehmen über eine Person weiß, desto besser kann es seine Werbung anpassen - ein Prinzip, das bisher vor allem mit Online-Konzernen wie Amazon, Google oder Facebook verbunden wird. Aber auch in den Einzelhandel hat die digitale Datensammlung längst Einzug gehalten: Es gibt Schaufensterpuppen, hinter deren Augen Kameras laufen, ebenso wie Supermarktregale, die mit einer Gesichtserkennungssoftware ausgestattet sind. Wer kauft was ist so gut feststellbar und die Geschäfte können mit ihren Angeboten gezielt reagieren. Mit Informationen zum aktuellen Standort können darüber hinaus Kunden, die sich in oder vor einem Geschäft befinden, personalisierte Werbung aufs Smartphone bekommen. Auch die Autohersteller sind in diesem Bereich längst mit von der Partie. Google hat Partnerschaften mit 40 Autoherstellern abgeschlossen. Darunter sind unter anderem Audi, Volkswagen, Opel, Renault und Volvo. Ende Juni kündigte der Suchmaschinen- und Datensammelkonzern an, eine speziell angepasste Variante Android Auto entwickeln zu wollen. Sie soll die vom Smartphone bekannte Bedienung auf die Bildschirme der Autos bringen. Für die Navigation greift sie auf Google-Karten zurück. Damit kann Google als größte Werbeagentur der Welt dann zukünftig noch mehr Daten für passgenaue Anzeigen sammeln. Daten sammeln können die Hersteller aber auch direkt. Die Daimler AG bietet mit ihrem Projekt Mercedes me ein Beispiel dafür. Nicht nur in den Mercedes me Lounges in ausgewählten Innenstädten, sondern auch über ein neues Internetportal werden alle möglichen Dienstleistungen rund um die Marke Mercedes offeriert. Von der neuen Plattform verspricht sich Mercedes eine stärkere Kundenbindung. Zudem soll der Mobilitäts-Dienst junge Menschen zur Marke locken, die selbst noch kein Auto besitzen. Die App ermöglicht Mercedes aber auch, direkt mit dem Kunden in Kontakt zu treten, etwa in Form einer Nachricht, wann die nächste Inspektion fällig wird. Auf Angebote aufmerksam machen "Wir machen das definitiv nicht, um Datensammlung zu betreiben. Im Fokus steht für uns Kundennutzen", wiegelt Natanael Sijanta ab. Er ist in der Marketing-Abteilung des Herstellers für Mercedes me zuständig. Markenchef Jens Thiemer gibt gegenüber der Zeitschrift "Werben und Verkaufen" aber zu: "Wir wollen natürlich auch auf interessante Kauf- und Leasing-Angebote aufmerksam machen." Bei ZDK-Geschäftsführerin Antje Woltermann läuten deshalb die Alarmglocken: "Wo bleibt bei derartigen Überlegungen das bestehende Vertriebsnetz? Und womit verdient dieses künftig Geld?" Die Mercedes-Händler sehen es derzeit noch gelassen. "Menschen machen Geschäft. Bei uns in den kleineren Städten spielt Direktvertrieb derzeit noch keine Rolle", meint zum Beispiel Helmut Peter, Geschäftsführer der Peter Gruppe. Auch Dr. Peter Ritter, Vorsitzender des Mercedes-Benz-Vertreter Verbandes, sieht hier derzeit keine Gefahr. Was die neuen Mercedes-Dienste aber genau für den Handel und den Service bedeuten, ist noch nicht klar. Die Fahrzeuge mit den entsprechenden Möglichkeiten kommen erst im September. Bis dahin werde noch über die Ausgestaltung von Verträgen mit den Werkstätten und Händlern verhandelt. Thomas Leseberg vom Verband des Vermittler und Service Partner für Mercedes-Benz reagiert entspannt: "Wir gehen davon aus, dass wir weiterhin faire Rahmenbedingungen haben werden." Er begrüßt, dass die modernen Kommunikationswege von Mercedes genutzt werden. Die Spielregeln seien aber derzeit noch im Projektstatus. "Das Feintuning wird sicherlich noch ein halbes bis dreiviertel Jahr dauern." Hersteller wissen mehr als Händler Auch Woltermann sieht bei Mercedes-Benz nicht die großen Probleme. Bei der Marke gibt es heute schon ein Agentursystem. Sie macht sich eher Sorgen um andere Marken, die mit Vertragshändlern arbeiten. Gert Schardey, bei Volkswagen verantwortlich für Vertriebsstrategie und Business Development, räumte auf der Frühjahrskonferenz des Europäischen Volkswagen/Audi-Händlerverbandes ein, dass die bereits heute gigantische Menge an Fahrzeug- und Kundendaten weiter zunehmen werde. Auch er sieht große Chancen mit Big Data im Automobilbereich. Am Ende werde Volkswagen mehr über den Kunden wissen als der Händler, so Schardey vor den Händlervertretern. Auch bei Opel gibt es ein gemeinsames Datencenter von Hersteller und Händlern, in dem Kundendaten gesammelt und dann - nach bestimmten Regeln - für gemeinsame oder individuelle Vertriebsaktionen genutzt werden. Etwas Ähnliches ist auch bei Hyundai geplant. Das Feld nicht Dritten überlassen Allerdings sind die bisherigen Ansätze im Autobereich noch weit von dem entfernt, was bereits in anderen Branchen praktiziert wird. "Oft stehen bei den Diskussionen rechtliche Barrieren und weniger vertriebliche Chancen im Vordergrund", berichtet Woltermann aus ihrer Erfahrung als Geschäftsführerin der Fachgruppe Fabrikatsvereinigungen im Deutschen Kfz-Gewerbe. "Das muss sich schnell ändern", meint die Expertin, "denn ansonsten überlässt man das Feld Dritten, die die systematische Sammlung und Analyse von Kundendaten quasi nebenbei übernehmen und ihren Datenschatz dann gewinnbringend vermarkten." Das sieht auch Jürgen Endras von der Unternehmensberatung Capgemini so. "Da den Händlern jahrzehntelang genaue Vorgaben beispielsweise für das Marketing, die Prozessorganisation und die Gestaltung des Autohauses gemacht wurden, gehen sie offenbar auch in Bezug auf das vernetzte Fahrzeug davon aus, dass sie nichts oder noch nichts tun müssen." Die Händler erwarteten, dass der Hersteller den Weg bereiten wird und sie später fertige Konzepte adaptieren können. Endras rät aber dringend, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen, wie auch die Autohäuser die zusätzlichen Daten gewinnbringend nutzen können. Die Ergebnisse der Studie "Neue Technologien im Autohaus", die in konzeptioneller Kooperation mit AUTOHAUS entstanden ist, weisen nämlich darauf hin, dass Autohäuser von den Herstellern "abgehängt" werden könnten, wenn sie nicht rechtzeitig Knowhow aufbauen, die technischen Voraussetzungen schaffen und selbst Erfahrungen im Umfeld von Telematik-Diensten sammeln. Endras befürchtet zudem, dass sonst in Zukunft vielleicht andere, möglicherweise branchenfremde Unternehmen das Geschäft machen. Kunden besser kennenlernen Das zeichnet sich jetzt schon ab. Die Scout24-Gruppe zum Beispiel will ihre Kundendaten stärker vermarkten. "Wir werden die Endkunden, Eigentümer sowie Autohändler und Immobilienmakler mit mehr Informationen versorgen, um ihr Erlebnis besser zu machen", sagte Greg Ellis, seit April Chef von Scout24, dem "Handelsblatt". "Amazon hat gezeigt, wie man den Kunden besser kennenlernt und dass dieser dann bereit ist, mehr zu zahlen." Experten zufolge besitzt Scout24 zehn Millionen Nutzerprofile, die sich wie bei Google oder Amazon nutzen lassen - und die für die Automobilwirtschaft von großem Interesse sein könnten. Capgemini sieht eine klare Aufgabe für die Händler: "Um die technischen Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg mit Telematik-Services zu schaffen, müssten sich Händler Gedanken um die Verarbeitung der Informationen und den Austausch mit Dritten machen. Darüber hinaus könnten sie IT noch stärker nutzen, um Prozesse kundenfreundlicher abzuwickeln, und sich besser auf die Vorlieben und Gewohnheiten ihrer Käufer einstellen, beispielsweise mit einer Website für mobile Endgeräte." Kurzfassung Datensammlung im Internet ermöglicht nicht nur vieles über den Kunden zu wissen und zu einem Profil zusammenzufügen, sondern Geomarketing ermöglicht dies auch noch regional passend anzuwenden. Hersteller und andere Anbieter bereiten derzeit schon Nutzungen für diese Kenntnisse über Autohauskunden vor. Autohändler sollten dieses Feld nicht Dritten überlassen.

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