Ausgabe 19/2009: Re-Fokussierung

Re-Fokussierunghandelsgruppen E Die größten Automobilhandelsgruppen in Deutschland: Einige verkleinern ihr Filialnetz bereits wieder. von Uwe Stratmann*seit Mitte der neunziger Jahre verfolgt ICDP die Bedeutung von Automobilhandelsgruppen in Europa und deren Strategien (siehe auch AH 18-2009, S. 36). Der deutsche Automobilhandel war lange überdurchschnittlich stark durch kleinere Familienbetriebe geprägt. Außerhalb Deutschlands war in den achtziger und neunziger Jahren ein Konzentrationsprozess zu verzeichnen. Vor allem der britische Markt zeigte schon früh einen relativ hohen Konsolidierungsgrad. Im Unterschied zu Märkten wie Großbritannien steigerte sich zwischen den Jahren 2000 und 2008 die Konsolidierungsgeschwindigkeit in Deutschland. Ein zentraler Trend ist die zunehmende Bedeutung der in Deutschland tätigen Automobilhandelsgruppen.Die größten Automobilhandelsgruppen in DeutschlandAls Indikator für die Bedeutung von Handelsgruppen nutzt ICDP den Einfluss der größten 50 Händlergruppen in den europäischen Märkten. Im Vergleich zum Jahr 2004 haben diese 2008 etwa 25 Prozent mehr Neuwagen in Deutschland abgesetzt, in Relation zum Jahr 2001 sogar über 50 Prozent mehr. Im letzten Jahr kontrollierten die 50 größten Handelsgruppen etwa 17 Prozent des Neuwagenabsatzes, während ihr Marktanteil im Jahr 2001 bei lediglich 10 Prozent lag. Im Durchschnitt verfügen die Top 50 Gruppen über 21 Filialen und verkaufen Neuwagen von sieben unterschiedlichen Fabrikaten. Dabei liegt die Bandbreite zwischen zwei und 17 Fabrikaten. Die Händlergruppen vertreiben dabei überdurchschnittlich oft die Marken des Volkswagen Konzerns. Tabelle 1 zeigt die zentralen Merkmale der deutschen Top 50 Gruppen im europäischen Kontext. Auch wenn sich die deutschen Top 50 Gruppen weiterhin deutlich vom Profil der Handelsgruppen in Großbritannien unterscheiden, gibt es in Deutschland mittlerweile überdurchschnittlich große Unternehmen. Neben den großen Handelsgruppen gewinnen in Deutschland gleichzeitig herstellereigene Niederlassungen an Bedeutung. Die Automobilhersteller setzen etwa 13 Prozent aller Neuwagen durch eigene Betriebe ab, Tendenz zunehmend. Darin sind nicht die wachsenden Direktgeschäfte mit großen Flottenunternehmen enthalten. Die zunehmende Bedeutung großer Gruppenbetriebe und herstellereigener Niederlassungen verringert die Zahl lokaler Einzelhändler.Struktur-UnterschiedeBasierend auf dem Umsatzvolumen im Neu- und Gebrauchtwagenhandel, im Reparatur- und Ersatzteilgeschäft sowie im Bereich Finanzdienstleistungen (innerhalb Deutschlands) sind die größten Automobilhandelsgruppen die Emil Frey Gruppe Deutschland, die Mahag, die Gottfried Schultz Gruppe sowie die AVAG Holding (Tabelle 2). Allein mit den klassischen Einzelhandelsaktivitäten generierte Emil Frey Deutschland einen Umsatz von 1.147 Mio. €. Weitere tragende Säulen sind die Importeursaktivitäten für Subaru und Hyundai (781 Mio. €), der Teilgroßhandelsbereich Autoteilewelt (215 Mio. €) sowie die eigene Finanzdienstleistungsgesellschaft Frey Financial Services (210 Mio. €). Mit diesen eigenen Aktivitäten ist die Frey Gruppe mehr als integrierter Handelskonzern anzusehen als ein klassischer Automobileinzelhändler. Insgesamt erzielte Frey in Deutschland einen Umsatz von 2.318 Mio. € und steigerte den Umsatz zwischen 2007 und 2008 um fünf Prozent. Gottfried Schultz und die Mahag haben einen anderen Unternehmensansatz. Während Emil Frey 16 Marken von neun Automobilkonzernen anbietet, konzentriert man sich auf die Marken des Volkswagen Konzerns. Allein damit setzte Schultz im Jahr 2008 nahezu 920 Mio. € um. Ein weiterer Unterschied zu Emil Frey und zur nächstplatzierten Händlergruppe AVAG Holding ist die Konzentration auf den deutschen Heimatmarkt. Die AVAG Holding erreichte mit 12 Marken einen Inlandsumsatz von etwa 860 Mio. €, wobei Opel den Löwenanteil beisteuerte. Jüngst wurde das Markenportfolio durch Ford erweitert, um das Volumengeschäft auf eine breitere Basis zu stellen. Einen Anteil von etwa 30 Prozent am Gesamtumsatz der Holding machen die Aktivitäten außerhalb Deutschlands aus, vor allem in Österreich, Kroatien, Polen und Ungarn. Damit ergibt sich ein Gesamtumsatz von 1.227 Mio. € für das Jahr 2008.Während einige Gruppen ihren Platz in der deutschen Top-50-Liste festigen konnten, besteht insgesamt eine gewisse Fluktuation. Mit der Kroymans Corporation verließ jüngst ein Top Player den Kreis der größten Händlergruppen (Top-20-Position in 2007). Eine vergleichsweise feste Struktur besteht mittlerweile in der Gruppe der zehn größten Händler (Tabelle 2). Neben Insolvenzen wie der Aventi AG (Top-50-Position in 2007) besteht zudem ein natürlicher Austausch von Gruppen im letzten Drittel der Top-50-Liste. Verschiedene GeschäftsmodelleBereits die vier größten Automobilhandelsgruppen zeigen sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle und strategische Ausrichtungen. Diese Heterogenität zieht sich weiter durch die Liste der Top 50. Als Differenzierungskriterien zur Unterscheidung von Händlergruppentypen nutzt ICDP u. a. die geografische Ausrichtung des Filialnetzes und die Struktur des Markenportfolios. Neben Emil Frey und AVAG verfügen lediglich vier Gruppen über Standorte oder strategische Geschäftsbeziehungen im europäischen Ausland. Auch die Bedeutung ausländischer Unternehmen innerhalb Deutschlands ist mit Ausnahme der schweizerischen Emil Frey AG vernachlässigbar. Die britische Pendragon Gruppe, viertgrößte Händlergruppe in Europa, hat ihre fünf deutschen Avalon Autohäuser 2007 an die Frey Gruppe verkauft und damit die verlustbringenden Aktivitäten in Deutschland beendet. Einen indirekten Einfluss hat die US-amerikanische Handelsgruppe Penske Automotive durch finanzielle Beteiligungen an neun unterschiedlichen Händlern in Deutschland (z. B. Autohaus Nix, Autohaus Reisacher, Tamsen Gruppe). In Deutschland zeichnet sich nach einer aggressiven Expansionsphase vieler Händlergruppen eine Re-Fokussierung auf regionale Marktbearbeitungsgebiete ab. Weniger als 40 Prozent der Top 50 Unternehmen haben ein überregionales/nationales Filialnetz. Einige Gruppen verkleinern ihr Filialnetz bereits wieder.Hinsichtlich des Markenportfolios konzentriert sich weiterhin etwa ein Viertel aller Top-50-Gruppen auf nur einen Konzern. Vor allem die Volkswagen Partner sehen von einem konzernübergreifenden Markenportfolio ab. Gleichzeitig haben in erster Linie Partner solcher Fabrikate das Markenportfolio ausgebaut, die mit schwindenden Marktanteilen zu kämpfen haben. Diese Händler versuchen mit zusätzlichen Marken fehlende Kapazitäten zu kompensieren und setzen überdurchschnittlich oft Mehrmarkenlösungen am Point of Sale (PoS) um. Insgesamt zeichnet sich in der Gruppe der großen Handelsgruppen ab, dass eine Markenexklusivität am PoS präferiert wird. Mehrmarken-Showrooms finden im Neufahrzeugvertrieb in der Regel nur Anwendung, wenn ein Mindestabsatzvolumen durch das Fabrikat nicht erreicht wird. Insgesamt zeigt sich eine stärkere Konzentration der vorhandenen Ressourcen auf vorhandene Regionen und Marken. Die Ergebnisse unterschiedlicher ICDP Studien identifizieren die Realisierung von Skalen- und Synergieeffekten bei gleichzeitiger Vermeidung von Komplexitätsnachteilen als größte Herausforderung für Gruppenbetriebe (siehe Grafik). Korrelationsanalysen zwischen Rentabilitätskennzahlen und Unternehmensgröße zeigen tendenziell einen negativen Zusammenhang für ganz Europa. Offenbar haben viele Unternehmen in Expansionsphasen den Überblick verloren, oftmals mit der Konsequenz einer negativen Rentabilität oder gar einer Insolvenz.Die Erfolgsfaktoren der Top-HändlergruppenZur Identifikation der Erfolgsfaktoren von Händlergruppen hat ICDP besonders erfolgreiche und wenig erfolgreiche Unternehmen anhand unterschiedlicher Merkmale verglichen. Ein Ergebnis ist, dass die rentabelsten Unternehmen eine Fokusstrategie verfolgen. Ein deutliches Muster ergibt sich bei der Ausrichtung des Filialnetzes und der Struktur des Markenportfolios. Die Gruppen, die eine überdurchschnittliche Eigenkapitalrendite aufweisen, konzentrieren sich mehrheitlich auf eine Region bzw. auf wenige Markengruppen. Mehr als die Hälfte der rentabelsten Gruppen sind regional und auf bestimmte Markengruppen konzentriert. Die ICDP Korrelationsanalysen für Deutschland zeigen, dass Unternehmen, die sich auf weniger als drei Markengruppen konzentrieren, eine Umsatzrendite von 1,2 Prozent erreichen. Dieser Wert liegt deutlich über dem Durchschnitt der deutschen Top-50-Gruppen. Die Beherrschung bestimmter Marktgebiete reduziert den Intra-Brand-Wettbewerb und fördert den Aufbau einer Handelsmarke. Die auf Marken und Regionen fokussierten Gruppen, die sich 2001 in der Liste der Top Performer befanden, sind auch mehrheitlich in der aktuellen Liste wiederzufinden. Neben der Marken- und regionalen Fokussierung zeichnen sich die überdurchschnittlich rentablen Automobilhandelsgruppen durch einen gewissen Grad der Zentralisierung von Funktionen aus, allerdings unter Wahrung einer Balance zwischen Synergievorteilen und ausreichendem Kundenkontakt. Genau in der Erreichung dieser Balance liegt ein typisches Problem großer Filialisten. Inhabergeführte Unternehmen verfügen oft über intensiven Kundenkontakt und erreichen im Vergleich zu Gruppenbetrieben höhere Kundenzufriedenheitswerte. Eine zu ausgeprägte Zentralisierung geht auf Kosten der Kundenbindung, die vor allem in gesättigten Märkten von hoher Bedeutung für den langfristigen Unternehmenserfolg ist. Erfolgreiche Handelsgruppen erreichen durch entsprechende leistungsbezogene Entlohnungssysteme und ausreichenden unternehmerischen Freiraum für das Filialmanagement ein gewisses Unternehmertum auch auf Filialebene mit entsprechender Einschränkung des Standardisierungspotenzials. Die weniger erfolgreichen und unrentablen Gruppen zeigen häufig ein unübersichtliches Markenportfolio und sind stark in unterschiedliche Regionen expandiert. Daraus resultiert eine hohe Komplexität, die hohe Anforderungen an Organisation und Management stellt. Ein Beispiel für solch ein Unternehmenskonzept ist die Kroymans Corporation, die in den letzten Jahren mit Mehrmarkenhäusern überregional und international stark expandierte. Dabei konnten offensichtlich nicht die erhofften Synergie- und Skaleneffekte erzielt werden. Vor allem im Verkauf wird der Mehrmarkenansatz mit fabrikatsübergreifendem Personal zunehmend kritisch gesehen. Das Auto ist im Vergleich zu anderen Produkten sehr spezifisch, was eine entsprechende Fokussierung sowohl beim Personal als auch beim Kunden erfordert.Einen verhältnismäßig geringen Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat die generelle Markenausrichtung. Gruppen, die sich auf Premiummarken konzentrieren, sind generell nicht rentabler als Unternehmen, die in erster Linie Volumenmarken absetzen. Der Anteil von Geschäfts- und Privatkunden hat ebenfalls einen relativ geringen Einfluss auf die Rentabilität. Hier kann allerdings eine Gefahr durch eine zu starke Abhängigkeit von einer Kundengruppe entstehen. zKurzfassungDas International Car Distribution Programme (ICDP) untersucht regelmäßig die Händlergruppenstrukturen und die Strategien der größten Automobilhändler in Europa. In diesem Beitrag werden die aktuellen Entwicklungen im Kontext der in Deutschland tätigen Händlergruppen dargestellt. Ein aktueller Trend dabei: Nach einer intensiven Expansionsphase zeichnet sich eine gewisse Re-Fokussierung und Konzentration auf bestimmte Regionen und Marken ab.Betrachtet werden die 50 größten Händlergruppen und deren zentralen Merkmale. Dabei führte ICDP eine Erfolgsfaktorenforschung durch, um Muster von besonders erfolgreichen und weniger erfolgreichen Automobilhandelsgruppen zu identifizieren.Die aktuelle ICDP Studie zu den Top-Handelsgruppen wird im Rahmen des ICDP Autumn Forums am 22. Oktober in Frankfurt vorgestellt. Mehr dazu bei www.icdp.netICDPDas International Car Distribution Programme (ICDP) ist eine Non-Profit Forschungs- und Beratungsorganisation zu allen Themenbereichen des Automobilvertriebs. Ansprechpartner für ICDP sind Christina Gutjar, Professor Dr. Susanne Royer, Professor Dr. Hans-Gerhard Seeba (Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel) und Uwe Stratmann. Kontakt: Tel. (04 61) 8 05 25 43 oder E-Mail: uwestratmann@icdp.netTabelle 1: Profile der Top 50 Autohandelsgruppen in ... DeutschlandFrankreichGroßbritannienItalienØ Umsatz im Einzelhandel€ 401 Mio. € 398 Mio.€ 650 Mio.*€ 220 Mio.Ø Neuwagen im Einzelhandel9.300 NW13.200 NW16.100 NW8.500 NWZusammenhang zw. Unternehmensgrösse und RentabilitätTabelle 2: Die 10 grössten deutschen händlergruppen Rang nach UmsatzÜbergeordnete Firmierung der AutomobilhandelsgruppeGesamtumsatz im Einzelhandel in DeutschlandGesamtabsatz im Einzelhandel Neuwagen in DeutschlandMarke mit dem größten UmsatzanteilStandorte im Vertrieb und ServiceVertriebs- und Servicepunkte für die unterschiedlichen Marken1Emil Frey Gruppe *1.14749.107Ford51972MAHAG**1.10020.710Volkswagen32473Gottfried Schultz Gruppe91920.252Volkswagen30764AVAG Holding ***85931.095Opel811495Wellergruppe79716.500BMW33456Fahrzeugwerke LUEG65513.100Mercedes22317Feser & Graf Gruppe64713.738Volkswagen14218Autohaus Rosier5439.535Mercedes25399Günther Graf von Hardenberg Gruppe5009.578Volkswagen113310Edgar Kittner Gruppe ***49111.000Volkswagen3237

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