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Renault Espace im Test: Abschied vom Van-Pionier

22.01.2024 06:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Aus dem Van-Ur-Modell Renault Espace wurde 2023 ein SUV. Zudem gibt es beim Renault Espace nur noch einen Motor – den (Voll-)Hybrid.
© Foto: Michael Blumenstein

Renault ist Mitbegründer des Van-Segments. Das war vor 40 Jahren. 2024 stirbt auch bei den Franzosen das Konzept langsam aus. Den Espace gibt es aber weiterhin – als SUV.

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Das Ausnutzen des Raumes galt bei den Pkw lange Zeit als Tugend. Etliche Hersteller versuchten, das Maximum an Platz aus dem Minimum an Abmessungen rauszuholen. Renault war mit dem Espace Pionier in dieser Disziplin, aber auch viele andere Hersteller schafften es, auf wenig Verkehrsfläche viel Raum für Passagiere und Gepäck zu zaubern. Mittlerweile scheinen Tugenden altbacken zu sein und damit vielleicht auch Automobil-Abmessungen egal – sie ufern bei vielen Herstellern aus. Aktuellstes Paradebeispiel: Die neue BMW 5er-Limousine wuchs um zwölf Zentimeter auf 5,06 Meter. Im Innenraum spürt man davon eher nichts.


Renault Espace 2024

Renault Espace in mattgrau schraeg von vorn fotografiert auf Parkplatz Bildergalerie

Anders beim Renault Espace. Das letzte Modell spaltete bereits die Gemüter, war aber noch als Van erkennbar. Das ist endgültig passé. Dafür jedoch verpassten die Franzosen dem Espace eine SUV-Aura und ließen ihn von zuletzt 4,86 Metern auf nun 4,72 Meter schrumpfen. Seit Sommer 2023 rollt er unbemerkt über die Straßen, denn der optische Unterschied zwischen dem Espace und dem Renault Austral ist marginal. Zwar misst der Austral nochmals gut 20 Zentimeter weniger als der Espace, von vorn betrachtet sind es jedoch Zwillinge. Ab der B-Säule tun sich Unterschiede auf, optisch wie technisch.

So besitzt der Espace ab Werk sieben Sitzplätze. Wer die zwei (meist) eingeklappten im Heck gar nicht benötigt, kann sie abbestellen, eine Vergütung gibt es dafür nicht. Der Nutzen ist jedoch vorhanden. Zwar bereiten vor allem das Ein- und Aussteigen in die dritte Sitzreihe viel Mühe, sitzt man mal drin, ist wider Erwarten erstaunlich viel Platz vorhanden. Ablagen sowie USB-C-Ladebuchsen gibt es obendrauf. Da sich die mittlere Sitzreihe um 22 Zentimeter verschieben lässt und im Normalfall dort großzügige Platzverhältnisse herrschen, kann die Beinfreiheit hinten justiert werden. Per mechanischer Fernentriegelung vom Kofferraum aus lässt sich die mittlere Reihe getrennt umlegen, der Mittelteil kann als Armlehne und Becherhalter dienen. Die hintersten Sitze werden per Schlaufe gelöst.

Renault Espace
Der erste Renault Espace kam 1984 auf den Markt. Der Siebensitzer besaß eine Gesamtlänge von unter 4,40 Metern.
© Foto: Renault

Die Schrumpfkur geht im Kofferraum weiter. Wer voll bestuhlt, hat 170 Liter Gepäckraum. Wer zu fünft fährt, immerhin knapp 500. Wer alles umklappt, bekommt beim Siebensitzer 1.700 Liter. So richtig viel ist das für einen Espace aber nicht, er packte mal 3.000 Liter hinter Fahrer und Beifahrer. Vielleicht will man aber gar nicht mehr viel in den Space einladen, denn die Stehhöhe unter der Heckklappe beträgt 1,77 Meter. Da stößt sich sogar der Durchschnittsfranzose mit 1,78 Metern den Kopf an. Wenn wir gerade an der Heckklappe meckern: Die Heckscheibe ist klein. Sehr klein. Tatsächlich winzig ist der Wischer hinten – das ist eher ein Witz.

Nichts zu beanstanden gibt es an der Einrichtung. Vor allem im Trim Esprit Alpine, das sportlich wirken soll, hat Renault schöne Stoffe ausgesucht und diese sauber verarbeitet. Die Idee mit dem kleinen Fähnchen am Sitz, hier die Trikolore, haben sie bei Volvo abgeguckt. Netter Gag, aber man stelle sich mal eine Deutschlandflagge im VW vor. Wobei, im VW-Infotainmentsystem gibt es die Option, den Home-Button mit einer Länderflagge zu individualisieren. Das ist aber dezenter.

Vorn gibt es gut ausgeformtes Gestühl, leider ohne große Anpassungsmöglichkeiten. Die elektrische Verstellung lässt sich übers Infotainmentsystem abspeichern. Echte Tasten in der Türverkleidung oder am Sitz sind deutlich besser zu bedienen – aber teurer. Die Fahrer-Sitzposition ist dennoch gut. Gut ist auch die Handauflage, die ein wenig an den Schubkraftregler im Flieger erinnert. Sie lässt sich verschieben und kann bei Eingaben im Infotainmentsystem Treffsicherheit geben. Das Handy wird überdies induktiv auf der Ablage geladen – zuverlässig gegen Verrutschen. Die zwei großen Displays (12“-Display in der Mitte und 12,3“-Kombiinstrument) lassen sich gut ablesen und leidlich gut bedienen. Wie man jedoch das Info-Display nachts komplett abschaltet, ohne beispielsweise die Musik verstummen zu lassen, haben wir innerhalb von zwei Wochen nicht herausgefunden. Und nein, eine Bedienungsanleitung für diese Funktion durchzulesen, verfehlt das Prinzip einer einfachen Bedienung – sofern es dort auffindbar gewesen wäre.

Kofferraumfoto des Renault Espace bei geöffneter Heckklappe
© Foto: Michael Blumenstein

Unterstützung beim Suchen gibt Google/Android Automotive. Auf Zuruf lassen sich viele Dinge aktivieren. Schade, dass es die Autoindustrie nicht schafft, eine eigene adäquate Lösung anzubieten. Der Assistent merkt sich auch zum Beispiel, wenn man wiederkehrend Dinge im Auto macht oder nutzt, und antizipiert das für die kommenden Fahrten. Ob das cool ist? Entscheidet man selbst, indem man sein Google-Konto mit dem Auto verknüpft und noch mehr Daten in die Welt jagt.


Testwagenpreis: 53.650 € (brutto)
R3/1.199 cm3 | 147 kW/200 PS (131-PS-Benziner + 68-PS-E-Motor) Automatik
175 km/h | 8,8 s | WLTP-Verbrauch: 4,8 S | 109 g/km
Abmessungen: 4.722 x 1.843 x 1.645 mm 
Kofferraumvolumen: 159 – 477 – 1.714
HK: 19 | VK: 23 | TK: 22
Wartungsintervall: 30.000/jährlich
Garantie: 2 Jahre



Wer das Lenkrad in der Hand hält, darf den Espace bewegen. Und das kann durchaus Spaß machen. Der Esprit Alpine hat serienmäßig die Allradlenkung an Bord, die den Wendekreis von 11,6 auf rund 10,5 Meter reduziert und damit auf dem Niveau des VW ID.3 agiert. Die Allradlenkung ist tipptopp – im Gegensatz zum sehr synthetischen Lenkgefühl. Apropos Lenkung: Da haben es die Franzosen mit den Hebeln und Tasten definitiv übertrieben. Zur Veränderung der Rekuperationsstufe gibt es zwei Paddel, rechts kommt der Satellit für die Musik (laut, leise, wechseln etc.) hinzu, davor der Scheibenwischerhebel und dicht darüber der Hebel zum Ändern der Fahrstufe („Schalthebel“). Respekt denen, die nie das falsche Teil bedienen.

Die Franzosen lassen aber nicht nur die Hülle und den Inhalt schrumpfen, wie erwähnt, sie minimieren auch die Fülle an Motoren. Gab es Jahrzehnte diverse Diesel und Benziner, gibt es jetzt genau einen Motor. Die Basis stellt der 1,2-Liter-Dreizylinder mit 131 PS und 205 Newtonmeter Drehmoment. Etwas mickrig für einen 1,6-Tonner, mag man meinen. Unterstützung bekommt der Benziner jedoch von gleich zwei Elektromotoren, zusammen bringt es das Konglomerat auf 200 PS – reicht. Der große E-Motor fungiert je nach Leistungsanforderung als Generator und unterstützt den Verbrenner. Das gab es schon mal beim Opel Ampera, anno 2011. Der hatte aber zusätzlich noch einen Stecker, den es beim Espace nicht gibt – Vollhybrid also. Der kleinere E-Motor dient als Startergenerator und bedient auch das Getriebe, das elektronisch angesteuert wird und rechnerisch 14 Fahrstufen (plus Rückwärtsgang) bietet, die sich zusammen aus elektrischem und mechanischem Getriebe ergeben. Dass das eine neue Art des Getriebes ist, merkt man beim Fahren ab und an. Die Drehzahl ist meistens sehr gering und der Verbrenner – sofern aktiv – dreht niedrig. Wer jedoch Leistung abfordert, muss sich knapp zwei Sekunden gedulden, bis der passende Gang aktiviert ist, es kurz ruckt und – mit Elektroschub unterstützt – vorwärtsgeht. Wie skizziert, kann über die beiden Schaltwippen am Lenkrad die Rekuperationsstufe beeinflusst werden, in den beiden höchsten geht beim Gaswegnehmen auch das Bremslicht an.

Foto vom Infotainmentscreen mit Anteil an elektrisch zurückgelegtem Weg
500 Kilometer von 2.200 legten wir im E-Modus zurück – trotz sehr hohem Autobahn-Anteil.
© Foto: Michael Blumenstein

Unter den Sitzen des 400-Volt-Vollhybriden befindet sich die 1,7-kWh-Batterie (Nettowert). Den Akkustand zeigt eine blaue Leiste im Display an. Wer behutsam fährt, schafft auch einen Kilometer am Stück rein elektrisch, immer mal wieder. Spätestens dann kommt jedoch, ebenfalls mit einem Ruck, der Dreizylinder zum Einsatz. Eine Anzeige informiert darüber, wie viel Prozent elektrisch gefahren wurde (anhand der Gesamtkilometer bis zum manuellen Nullen dieser Anzeige). Bei uns lag der Anteil meist bei gut 30 Prozent. Ganz ordentlich, vor allem während der kalten Temperaturen während der Testzeit. So lassen sich bei ruhiger Fahrweise auf der Autobahn 6,5 Liter realisieren. Wer es eiliger hat, kommt auf gut acht. Die Werksangabe von unter fünf Litern war bei uns dennoch in weiter Ferne – auch im Stadtverkehr, die Domäne der Vollhybriden. Merkwürdig war, dass mehrfach beim Ampelstopp, an den wir elektrisch herangefahren sind, der Motor sich im Stand einschaltete.

Ampelstopp bedeutet meistens Stadtverkehr. Hier machen sich die montierten 20-Zöller negativ bemerkbar. Sie poltern und regen den Innenraum bei gewissen Geschwindigkeiten zum Dröhnen an. Auf der Landstraße und Autobahn überzeugt das Fahrgestell des Renault Espace deutlich mehr. Das darf man von dem Fahrzeug auch erwarten. Denn bis man ihn „besitzt“, gehen rund 50.000 Euro brutto über den Ladentisch. Viel Geld, gemessen am Gegenwert mutet es in der heutigen Zeit aber fast schon als preiswert an. Selbst dann, wenn nur Espace draufsteht und nichts mehr vom Konzept drin. Aber, und das haben die Kunden angeblich entschieden: Vans sind out.


+ Allradlenkung
+ Platzangebot
+ kostengünstig

- Stehhöhe Kofferraumklappe
- Automatikhebel
- streifiges Matrixlicht  




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