Ausgabe 12/2012: Reparatur-Restrisiko

Reparatur-Restrisikofalschberatung – Welche Aufklärung schuldet die Werkstatt dem Kunden vor Auftragsdurchführung? autohaus-Juristen Rechtsanwälte G. Haug & PartnerEs gibt immer wieder Streitfälle, die auf den ersten Blick völlig klar sind und dann doch die Gerichte über zwei Instanzen beschäftigen. So geschehen in einem Rechtsstreit gegen ein Auto-haus, das sich aus guten Gründen geweigert hatte, dem ungerechtfertigten Zahlungsverlangen eines Kunden nachzukommen. In der Sache ging es um eine Zylinderkopfreparatur für einen sieben Jahre alten Pkw mit rund 180.000 km. Ein Jahr und ca. 10.000 km später ist dann ein kapitaler Motorschaden u. a. an den Pleuellagerschalen und der Nockenwellenlagerung eingetreten, der Kosten in Höhe von mehr als 10.000 Euro verursacht hätte.Aus der Sicht des Kunden war der Schuldige für diesen Totalschaden natürlich schnell ausgemacht: Wenn nach gerade mal einem Jahr erneut ein Motorschaden auftritt, dann hat man bei der ersten Reparatur offensichtlich geschlampt. Um diese Vermutung zu erhärten, wird dann ein Sachverständiger mit der Überprüfung des Motors und dem Ziel beauftragt, irgendeinen Reparaturmangel ausfindig zu machen. Der Gutachter kam dann allerdings zu dem Ergebnis, dass an dem Motor vielfache Beschädigungen vorlagen, die eine genaue Bestimmung der Schadensursache nicht mehr zuließen. Insbesondere konnte anhand der Riefen und Fressspuren nicht festgestellt werden, welche Beschädigung zuerst bzw. ob alle Beschädigungen zeitnah eingetreten waren. Jedenfalls ließ sich ein Zusammenhang zwischen der durchgeführten Reparatur und dem späteren Motorschaden nicht zwingend herstellen bzw. eindeutig nachweisen.InstanzenwegDer rechtsschutzversicherte Anspruchsteller hat sich von diesem Befund allerdings nicht entmutigen lassen und hat seinen angeblichen Schaden zuzüglich Gutachterkosten mit der Begründung eingeklagt, der Motorschaden sei bereits zum Zeitpunkt der Reparatur angelegt gewesen. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die vorhergehende Teilreparatur unzureichend war, weil ein kompletter Austauschmotor erforderlich gewesen wäre.Dieser Sichtweise ist das Landgericht mit erfreulicher Deutlichkeit entgegengetreten. Insbesondere sei bereits nach dem vom Kläger eingeholten Gutachten nicht erkennbar, dass der Motorschaden infolge der laut Sachverständigen nicht zu beanstandenden Reparatur eingetreten ist. In Anbetracht der hohen Laufleistung könne ein Überhitzungs- bzw. Verschleißschaden nicht ausgeschlossen werden. Nachdem die Beweislast für eine mangelhafte Reparatur beim Kläger liegt und die gutachterlichen Feststellungen einen solchen Rückschluss nicht zulassen, dürfte die Klage kaum Erfolgsaussichten haben.Die beklagte Werkstatt hat zudem noch eingewandt, dass der Kläger seinen Pkw wenige Monate vor dem kapitalen Motorschaden wegen zu hohen Ölverbrauchs in die Werkstatt brachte. Dabei wurde festgestellt, dass der Öldruckschalter undicht war und erneuert werden musste. Der Kläger hatte sich jedoch in Kenntnis dieses Befundes gegen eine sofortige Reparatur entschieden und fuhr munter weiter. Weiterhin musste er einräumen, dass er den Warnhinweis der Beklagten nicht nur ignoriert, sondern in der Folgezeit mit seinem Fahrzeug samt Anhänger Baumaterial über weite Strecken transportiert hatte. Als dann irgendwann „Klappergeräusche“ aufgetreten sind, dauerte es nicht mehr lange, bis der Motor endgültig irreparabel beschädigt war.BeratungsverschuldenMan sollte meinen, dass die Klage nach alldem abweisungsreif war. Der Kläger ist dann allerdings umgeschwenkt und hat seine Schadenersatzansprüche auf eine angebliche Falschberatung der Beklagten gestützt. Insbesondere hätte ihm der Werkstattmeister seinerzeit davon abraten müssen, die Teilreparatur überhaupt durchzuführen. Diese sei in Anbetracht des Fahrzeugalters und der Laufleistung nicht mehr sinnvoll gewesen. Hätte ihn die Werkstatt darüber aufgeklärt, dass trotz Reparatur das Risiko eines künftigen Motorschadens in absehbarer Zeit nicht ausgeschlossen werden kann, so hätte er sich anderweitig entschieden.Dem war zunächst entgegenzuhalten, dass jedem Fahrzeughalter bekannt sein muss, dass ein Antriebsaggregat nicht für die Ewigkeit ausgelegt ist. Wenn er sich – aus welchen Gründen auch immer – entscheidet, einen betagten Motor nur zu reparieren, anstatt ihn auszutauschen oder ein Ersatzfahrzeug anzuschaffen, besteht für die Werkstatt auch keinerlei Veranlassung, diesen Kundenauftrag zu hinterfragen. Abgesehen davon wurde der Kunde in dem konkreten Fall sogar darauf angesprochen, ob er nicht etwas mehr Geld in die Hand nehmen und sich ein anderes Fahrzeug bei Inzahlungnahme seines Gebrauchten anschaffen will. Er hat sich jedoch aus Kostengründen für die dann durchgeführte Teilreparatur entschieden.Nachdem die Beklagte einem vom Gericht angeregten Vergleich nicht beitreten wollte, wurde ein Gutachten zu der klägerischen Behauptung eingeholt, die Reparatur des Motors sei „nicht mehr sinnvoll gewesen“ und hätte aus technischer Sicht nicht mehr vorgenommen werden dür-fen. Der damit beauftragte Sachverständige hat dann allerlei technische Überlegungen zum Schadensbild angestellt und im Ergebnis konstatiert: Aus sachverständiger Sicht war die Reparatur, so wie sie durchgeführt wurde, nicht mehr sinnvoll, weil das Risiko von Folgeschäden immanent bleibt. Es kann jedoch von niemand vorausgesagt werden, welche Laufleistung ein Motor tatsächlich erreichen wird, insofern ist auch keine Prognose möglich, nach welcher Zeit nach einer Reparatur mit erneuten Schäden zu rechnen ist.KlageabweisungVor dem Hintergrund dieser wenig erhellenden Aussage des Sachverständigen bedurfte es noch einiger Überzeugungsarbeit, bis die Klage schließlich in erster Instanz abgewiesen wurde. Insbesondere musste dem Gericht vermittelt werden, dass die Werkstatt nicht mit der gutachterlichen Überprüfung sämtlicher Motorkomponenten beauftragt und hierzu auch nicht verpflichtet war. Von daher verbietet es sich, die Erkenntnisse des Sachverständigen nach der eingehenden Untersuchung des Motors auf den Kenntnisstand der Beklagten zum Zeitpunkt der Reparaturausführung zu projizieren. Die Klage war dann im Ergebnis und nicht zuletzt deshalb erfolglos, weil eine weitergehende Aufklärung – ob er nicht etwas mehr Geld für ein Ersatzfahrzeug in die Hand nehmen möchte – nicht geboten war.Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers wurde mangels Erfolgsaussichten im Beschlusswege zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass ein Werkunternehmer seiner Aufklärungspflicht in der Regel genügt, wenn er wie hier dem Besteller die möglichen Alternativen aufzeigt. Welchen Weg der Besteller am Ende wählt, fällt dann in dessen Verantwortungsbereich. ■Rechtsanwalt Walter SattlerKanzlei@raehaug-partner.deKurzfassung1. Die Werkstatt ist grundsätzlich verpflichtet, den Kunden über alle Umstände aufzuklären, die er nicht kennt und die für seinen Willensentschluss zur Reparatur von Bedeutung sind.2. Der Umfang dieser Beratungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere dem Kenntnisstand des Bestellers und dem Fachwissen des Werkunternehmers.3. Dabei genügt die Werkstatt in der Regel ihrer Aufklärungspflicht, wenn sie dem Kunden Alternativen zur Reparatur aufzeigt bzw. empfiehlt.Kommentar< Dass ein Kunde bei seiner Werkstatt darauf vertrauen darf, über sämtliche für einen Reparaturauftrag relevanten Gesichtspunkte aufgeklärt zu werden, ist eine Selbstverständlichkeit. Der nebenstehende, von unserer Kanzlei bearbeitete Rechtsstreit macht allerdings deutlich, dass man die Kirche im Dorf lassen sollte. Wenn sich ein Kunde aus Kostengründen scheut, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, dann kann er die Verantwortung für seine Entscheidung nicht auf das Autohaus abwälzen. Die anwaltliche Praxis zeigt jedoch, dass ein vorgebliches „Beratungsverschulden“ immer öfter zur Allzweckwaffe missbraucht wird, um zumindest im Vergleichswege noch ein paar Euro herauszuschlagen. Auch wenn der Rechtsstreit im Ergebnis richtig entschieden worden ist – die Einholung eines Gutachtens zu der Frage, ob eine Reparatur „sinnvoll“ ist oder nicht, macht nun wirklich keinen Sinn! Dies hat jeder Kunde nach entsprechender Beratung durch die Werkstatt selbst zu entscheiden und nicht ein später hinzugezogener Sach-verständiger. >

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