Ausgabe 06/2009: Risikominimierung

RisikominimierungLeasingrückläufer E Das Restwertrisiko wird zur wachsenden Konkurs-gefahr für Autohäuser. Höchste Zeit, dass die Automobilhersteller reagieren Von Udo SchwickalJahrelang galt das Leasing als Wunderwaffe schlechthin. Der Neuwagenabsatz wurde gesteigert, die Fahrzeuge schnell gedreht und der Handel bekam hochwertige Gebrauchtwagen, an denen sich auch noch ein gutes Sümmchen verdienen ließ. Auch heute ist das Leasing nach wie vor ein lukratives Geschäft, es sei denn, man muss für die Restwerte der zurückgegebenen Fahrzeuge einstehen. „Die Probleme begannen vor rund zwei Jahren, als vor allem von den Premium-Herstellern vermehrt Jahreswagen auf den Markt gebracht wurden“, erinnert sich der ehemalige Leiter des Gebrauchtwagen-Center Motor Nützel, Thorsten Kniep. „Dadurch kamen die Restwerte, die man immer künstlich hoch gehalten hatte, ins Rutschen.“ In der Folge wurde auch die Weitervermarktung von Leasingrückläufern immer problematischer. Der Verfall der Gebrauchtwagenpreise hat die ursprünglich kalkulierten Restwerte der Leasingflotten zur Makulatur verkommen lassen. Jüngstes Opfer dieser Entwicklung ist (war) Münchens letzter unabhängiger BMW-Händler, die Automag Buchner + Linse in München. Geschäftsführerin Cathrine Batdorf gab als Grund für die Insolvenz vor allem Verluste bei den Leasingrückläufern an, die sich am Ende auf 1,6 Mio. Euro summiert hätten. Der ehemalige DaimlerChrysler-Manager und jetzige Berater Walter Missing (siehe Interview) sieht denn auch die Hersteller in der Pflicht: „Der Handel braucht eine schnelle und entschlossene Unterstützung.“ Missing plädiert dafür, dass die Hersteller oder ihre Banken die entstandenen Verluste unter der Voraussetzung ausgleichen, dass sich die Händler an die vorgegebenen Restwerte der einzelnen Modelle gehalten und das Geschäft über die Herstellerbank abgewickelt haben.Programme der HerstellerEinige Autobauer haben jetzt auf den drohenden Leasing-Tsunami reagiert, der nach Schätzung von ZDK-Präsident Robert Rademacher bis zu 1.000 Händler in diesem Jahr verschlingen könnte. Mit der Senkung der Restwerte folgen die Hersteller den herstellerungebundenen Leasinganbietern. Die stehen, wenn sie in der Vergangenheit den Kampf um die günstigste Rate mitgemacht haben, angesichts zu hoher Restwerte schon länger mit dem Rücken zur Wand. Bei Volkswagen hat der Handelspartner neuerdings zu Vertragsbeginn die Möglichkeit, das Restwertrisiko an die Volkswagen Leasing zu übertragen. In diesem Falle übernimmt die VW Leasing die Vermarktung der Leasingrückläufer. Im Großkundengeschäft gibt es zusätzlich Individualvereinbarungen, wo das Risiko zwischen Handel, Hersteller und Leasing aufgeteilt wird.Bei Audi kann der Händler Restwertrisiken aus Leasingverträgen in unterschiedlichen Stufen von 50 bis 100 Prozent absichern. Die Entscheidung, welche Stufe er wählt, ist grundsätzlicher Natur, gilt also für alle seine Leasinggeschäfte. In Abhängigkeit von der gewählten Stufe werden unterschiedlich hohe Rückstellungen gebildet, an denen sich der Händler über einen Teil seiner Marge einbringt. Sie differieren zudem nach Modellreihen und Laufzeiten und betragen in der Spitze 3,2 Prozent. Die jeweilige Rückstellung wird bei der Abrechnung des Leasinggeschäftes herangezogen und aufgelöst. Basis für die Berechnung von Restwertdifferenzen bilden wie bei Mercedes-Benz die DAT-Händler-Einkaufspreise.„Beide Stützungsprogramme sind ein Schritt in die richtige Richtung“, urteilt Thorsten Kniep. Er findet es auch angemessen, dass Volkswagen aufgrund der höheren Risiken die Überschreitungsmöglichkeiten von Restwertempfehlungen beschränkt. Schließlich läge die Schuld der zu hohen Restwerte auch bei manchen Händlerkollegen, so Kniep.Bis zu 7 Prozent bei MercedesMercedes-Benz gleicht die Differenzen zwischen den in den Leasingverträgen (nicht den Finanzierungsverträgen) verankerten Restwerten und den aktuellen Hereinnahme-Preisen in Höhe von bis zu 7 Prozent aus. Voraussetzung ist, dass die von Mercedes-Benz empfohlenen Tabellenrestwerte zugrunde gelegt wurden und die Abwicklung über die Mercedes-Benz Bank erfolgt ist.BMW übernimmt die Unterschiede zwischen vereinbarten Restwerten und Hereinnahme-Preisen ab einer Höhe von 3 Prozent. Basis sind die Dekra-Händler-Einkaufspreise. Im Unterschied zu Mercedes-Benz und Audi findet diese Regelung auch Anwendung auf Finanzierungsverträge, sofern diese mit der Möglichkeit der Rückgabe des Fahrzeuges nach Ablauf der Finanzierungsdauer verknüpft ist. Aufgrund der gestiegenen Risiken wird das restwerttragende Portfolio noch regelmäßiger und detaillierter als früher analysiert. Darüber hinaus wurden neue restwertrisikofreie Produkte aufgelegt.5,5 Mio. Euro für das Renault-NetzRenault Deutschland reagiert auf die schwierige Lage vieler Händler mit einem Hilfsprogramm in Höhe von 5,5 Mio. Euro, das vor allem die drohenden Verluste im Leasinggeschäft abmildern soll. Statt der bislang garantierten Restwerte legt Renault Deutschland bei Leasinggeschäften nur noch die jeweils aktuellen DAT-Preise zu Grunde. Für den Renault Laguna wurde sogar eine Restwertversicherung eingeführt. Eine weitere Maßnahme, um einen möglichen Wertverlust abzufedern, besteht in einer Prämie für alle Leasingrückläufer, die 2009 zu den Händlern kommen werden – sofern sie über die Renault Bank finanziert wurden. Durch die gestiegenen Risiken hat die Renault Bank die 3-Wege-Finanzierung SuperPlus neu gestaltet. Für Neuwagen wurde das verbriefte Rückgaberecht durch ein Rücknahmeversprechen ersetzt. Der Händler verspricht dem Kunden, das Fahrzeug nicht mehr wie bisher zur Schlussrate, sondern zum am Vertragsende gültigen DAT-Händlereinkaufswert (brutto) zurückzunehmen. Zusätzlich wurde eine 2-Wege-Finanzierung in das Produktportfolio aufgenommen, bei der die Restwerte generell um 3 Prozent abgesenkt sind. Bei Peugeot legt der Handel die Fahrzeugrestwerte selbst fest. Als Hilfestellung dienen ihm Orientierungswerte im PoS-System der Bank, über die möglichst nicht hinausgegangen werden soll. Diese Werte basieren auf den Restwertprognosen der drei Forecast-Institute „EurotaxSchwacke“, „DAT“ und „Bähr & Fess“. Da die tatsächlichen, zukünftig erzielbaren GW-Preise jedoch zusätzlich von individuellen Faktoren sowie der regionalen Vermarktungssituation abhängen, ist der Händler angehalten, seine Restwerte selbst zu kalkulieren. Aus diesem Grund ist eine Absenkung der vertraglichen Restwerte durch den Handel auf einen Mindestwert von zehn Prozent der UPE möglich. Da Peugeot keine zwingenden Restwerte vorgibt, existierten auch keine Restwert-Unterstützungsprogramme. Restwert- statt KilometerleasingDas gilt auch für die Santander Consumer Bank. Deren Händler vermitteln im Gegensatz zu ihren Kollegen bei den Herstellerbanken überwiegend Restwertverträge, wo das Risiko beim Leasingnehmer, sprich Kunden, liegt. Spezielle Stützungsprogramme zur Restwertabsicherung sind daher aktuell nicht vorgesehen. zKurzfassungJahrelang haben Hersteller, Händler und Leasingfirmen mit immer günstigeren Leasingraten Neuwagen in den Markt gedrückt. Gleichzeitig ruinierten gerade die Premiummarken mit Dumpingpreisen für ihre Jahreswagen aus dem Vermietgeschäft die Preisstabilität ihres Gebrauchtwagenmarkts. Jetzt ist die Spekulationsblase geplatzt und mit jedem Leasingrückläufer werden tausende von Euro an Verlusten realisiert. Zu viel für manchen Händler, der ohne ein massives Eingreifen seines Herstellers 2009 nicht überleben wird. Die Autobauer haben inzwischen reagiert und für Neuverträge ihre Restwerte gesenkt. Zudem wurden Stützungsprogramme für die Händler aufgelegt. Zu spät und viel zu zaghaft, urteilen manche Experten und forden eine komplette Übernahme der Risiken von Leasingrückläufern. Lesen SIe hier...... wie die Automobilhersteller den Handel bei der verlustreichen Rücknahme der Leasingrückläufer unterstützen wollen. Experten halten diese Programme allerdings für nicht ausreichend.Kommentar571 Insolvenzverfahren bei Unternehmen im Autohandel allein im letzten Jahr bestärken Forderungen hinsichtlich nachhaltiger und umfangreicher Veränderungen im Geschäftsmodell zwischen Automobilherstellern und -händlern. Dies gilt ebenso und vor allem im Hinblick auf die „Rückverlagerung“ des Restwertrisikos auf die Herstellerseite. Die Entwicklungen zeigen, dass die betriebswirtschaftlichen Abschriften in diesem Bereich den sprichwörtlichen Tropfen, der das Fass auf der Handelsseite zum überlaufen bringt, darstellen. Zwar haben einige Hersteller bereits erste Maßnahmen ergriffen, um ihren Vertragshändlern unter die Arme zu greifen. In einigen Fällen kommt die Hilfestellung allerdings zu spät oder die Maßnahmen sind nicht ausreichend. Es ist aufgrund der Leasing-Vertragslaufzeiten und der aktuellen Marktsituation davon auszugehen, dass die zu hoch angesetzten Restwerte das Handelsgeschäft auch künftig nachhaltig belasten. Automobilhersteller und ihre Leasing-Tochterunternehmen werden schon deswegen nicht umhin kommen, Restwerte zu stützen, weil das Leasing ein ganz wesentliches Element im Absatzinstrumentarium der Automobilhersteller ist. Und: Die Hersteller und Importeure sind auf ihre Vertragshändler beim Neuwagenabsatz angewiesen. Es muss also auch im Interesse der Herstellerseite liegen, ihre Vertragshändler vor unwägbaren Risiken zu schützen. Drei Fragen an Walter Missing, Geschäftsführer der Fahr Herrmann Missing Beratungsgesellschaft für Automobilvertrieb: AH: Der Verfall der Gebrauchtwagenpreise hat die Restwerte der Leasingrückläufer stark sinken lassen. Zahlreiche Händler, die den Restwertempfehlungen ihrer Hersteller gefolgt sind, müssen aktuell und zukünftig hohe Verluste abschreiben. Wie stellt sich die Situation aus Ihrer Sicht dar? Wie ernst sehen Sie die Restwertproblematik für den Handel? W. Missing: Die Situation ist für den Handel absolut dramatisch. Bekanntlich liegen in den deutschen Vertriebsorganisationen historisch bedingt die Restwertrisiken bei fast allen Marken grundsätzlich beim Handel. Wurden früher noch Erträge mit den Rückläufern erwirtschaftet, so trägt der Handel heute bei den meisten Rückläufern am Ende der Vertragslaufzeit massive Verluste. Aus den wachsenden Differenzen zwischen garantierten Restwerten und Marktpreisen, in Verbindung mit der derzeitigen schlechten Marktsituation im Gebrauchtwagengeschäft, entsteht ein unüberschaubares Risiko. Bei hochpreisigen Fahrzeugen in den Premium- und SUV-Segmenten belaufen sich die Verluste je Fahrzeug heute in fünfstelliger Größenordnung.AH: Was sollten die Hersteller kurzfristig zur Unterstützung des Handels tun?W. Missing: Der Handel braucht schnelle und entschlossene Unterstützung. Ich plädiere deshalb klar dafür, dass die Hersteller oder die Herstellerbanken die entstandenen Verluste ausgleichen. Ich akzeptiere ausschließlich die Einschränkung, dass die Hersteller den Ausgleich nur unter der Voraussetzung vornehmen, wenn sich der Händler an die in den Restwerttabellen verankerten Werte der einzelnen Modelle gehalten und das Geschäft über die Hersteller-Bank abgewickelt hat. Für die Übernahme der Differenzen gibt es unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten – von der Hereinnahme beim Händler über eine gutachterliche Schätzung bis zur Hereinnahme und späteren Verkauf über eine Herstellerdrehscheibe. AH: Welche Strategien sollten die Hersteller verfolgen, um ein ähnliches Debakel in Zukunft zu vermeiden?W. Missing: Die Hersteller müssen sich endlich ihrer Verantwortung für die Durchsetzung ihrer Preise am Markt stellen. Dazu gehört auch die Preisstabilität für Gebrauchtwagen. Sie leidet durch zwei Hauptursachen: Zum einen daran, wenn die Neuwagen-Stückzahlen nicht nachfrageorientiert in den Markt gesteuert werden. Und zum anderen, wenn die Hersteller selbst junge Firmenwagen, Mietwagenrückläufer und Jahreswagen mit ungeheurem Preisdumping in den Markt drücken. Diese geschäftspolitische Ausrichtung vieler Hersteller ist unverantwortlich und muss sich radikal ändern. Die bestehenden Restwertausgleichsmodelle einzelner Hersteller reichen jedenfalls nicht aus. Wenn es dann trotzdem zu Abweichungen zwischen Restwert und Marktpreis kommt, muss der Hersteller die Differenz ausgleichen, d. h. die Restwerte garantieren. In den USA wird das seit vielen Jahren praktiziert. „Das Rückläufergeschäft sollte mindestens den durchschnittlichen Bruttoertrag des Gebrauchtwagengeschäfts erreichen.“ Der Händler steht im Risiko

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