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Rückblick: Was die Autobranche von China lernen kann

30.04.2025 14:12 Uhr | Lesezeit: 4 min
Bildcollage zur AUTOHAUS China-Tour 2025
AUTOHAUS goes China 2025: Deutsche und österreichische Händler waren in den vergangenen acht Tagen auf dem weltgrößten Automarkt unterwegs.
© Foto: AUTOHAUS

Eine achttägige Entdeckungsreise mit AUTOHAUS geht im Reich der Mitte zu Ende. Zehn Marken, sieben Händler und eine große Messe standen in Südostchina auf dem Besuchsprogramm. Wie lauten die vorläufigen Erkenntnisse?

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AUTOHAUS hat aktuell eine Businesstour nach China organisiert. Die Teilnehmer besuchen die Auto Shanghai 2025, treffen chinesische Händlerkollegen in ihren Betrieben und diskutieren mit der China Automobile Dealership Association (CADA) über die zukünftige Rolle des Automobilhandels. Mit dabei ist Branchenexperte Norbert Irsfeld, der regelmäßig im AUTOHAUS veröffentlicht. Seine Eindrücke und Erkenntnisse lesen Sie exklusiv hier.

1. "China Speed" bietet deutschem Handel Chancen

Die aufstrebende Küstenregion rund um Shanghai vibriert täglich vor technologischen Innovationen, permanenten strategischen Kurswechseln, einer ungeduldigen Wegwerfmentalität, wenn sich Erfolge nicht einstellen, und einer erzkapitalistischen Wettbewerbsorientierung, wenn es darum geht, besser zu sein als der Nachbar. Gute Ideen werden gewissenhaft und skrupellos kopiert.

"China Speed" sorgt für kameragesteuerte Rückspiegel, echte Massagefunktionen vorne und hinten, kinderleichtes automatisches Einparken, autonomes Fahren auch im Volumensegment, fortlaufende technologische Sprünge in der Batterieplattform, um Reichweite und Ladegeschwindigkeit zu steigern, ausfahrbare Rückfahrsitze und großflächige Bildschirme im Fond, wie man sie eigentlich nur im europäischen Luxury-Segment kennt. Die Aufzählung macht bereits sichtbar, dass sich die europäischen Hersteller sehr strecken müssen, um wieder auf Augenhöhe mit ihren chinesischen Konkurrenten zu kommen. Mögen europäische Konzernzentralen das Folgende nur mit hochgezogenen Augenbrauen zur Kenntnis nehmen, aber den Takt weltweiter, innovativer Produktentwicklung gibt China vor. Insofern trifft zu, was VW-Chinavorstand Ralf Brandstätter meinte: Die globale Automobilindustrie befindet sich in der Play-off-Runde.

"China Speed" bedingt sich selbst und schraubt sich in die Höhe. Der Preiskrieg an der Neuwagenfront wütet am stärksten bei elektrisch angetriebenen Fahrzeugen. Unübersichtliches Angebot, defizitäres Markenkapital, fehlende Kundenbindung – all das sorgt für hohe Verlustvorträge und existenzielle Sorgen der asiatischen Automobilhersteller. Nach gelernten marktwirtschaftlichen Maßstäben müsste sich der Herstellermarkt in den kommenden 24 Monaten drastisch reduzieren. Aber in China diktieren die unberechenbaren Regeln eines autoritativen Systems den Markt.

Der deutsche Automobilhandel kann profitieren: von neuen, innovativen Produkten, neuen zukunftsweisenden Modellen, neuen, neugierig machenden Marken, neuen, kundenbegeisternden Funktionen – sofern die Fahrzeuge und die Ausstattungsmerkmale den Weg zu uns finden.

2. Vertrieb ist nicht alles, aber ohne erfolgreichen Vertrieb ist alles nichts.

Das, was wie eine Plattitüde klingt, legt die Achillesferse chinesischer Anbieter frei. Es bedarf einer gepflegten Kundenkartei, um Interessenten zu Kunden neuer Marken zu machen. Das fehlt den neuen Marken häufig. Es fehlt den jungen Wilden nur zu oft an Bekanntheit und an einer Positionierung, die es den Kunden ermöglicht, Produkt und Image einzuordnen. Das geringe Markenkapital bietet den Kunden ein geringes Identifikationspotenzial. Die Automobilhersteller unterliegen einer verhaltenspsychologischen "Herstellerverzerrung" ("manufacture bias"), wenn sie glauben, dass sich das ansehnliche Fahrzeug von selbst verkauft. Nicht in Europa, erst recht nicht in China.

Dem Automobilhandel kommt also eine Schlüsselrolle zu, profunde Produktexpertise zu liefern, Vertrauen in diese Produkte zu stiften und Kunden von neuen Marken und Funktionalitäten zu überzeugen. Die Branche sollte die Herausforderung selbstbewusst mit beiden Händen annehmen, das Autohausmanagement strategisch professionalisieren. Dann erlebt der stationäre Autohandel eine weltweite Renaissance.

3. Der deutsche Automobilhandel könnte ein Vorbild für chinesische Kollegen sein

Erfolgreiche chinesische Automobilhändler vertreiben an einem Standort üblicherweise mehr als 1.000 Neuwagen und mehr. Neuwagenverkäufer verkaufen jeweils 100 Premiumfahrzeuge im Jahr. Die Showrooms gleichen verweltlichten Konsumtempeln. Mehrstöckige Glasfassaden, hochwertiger Marmor und modernes Interieur dominieren das Bild eines durchschnittlichen Autohauses in einer der Metropolen. Dem großzügigen Showroom folgt eine moderne Werkstatt mit vergleichbar wenigen Arbeitsplätzen. Gebrauchtfahrzeuge? Fehlanzeige! Bei den aufgesuchten Automobilhändlern schlug der Neuwagenumsatz mit 70 bis 90 Prozent des Umsatzes zu Buche. Der Rest kommt aus dem Aftersales.

Der Gebrauchtwagenumsatz lieferte im Kuchendiagramm einen Spiegelstrich. Grundsätzlich ist der Autohandel wenig resilient. Die Abhängigkeit vom volatilen Neuwagengeschäft erhöht das Geschäftsrisiko erheblich, wie man uns leidlich berichtete. Nachlässe von 30 Prozent und Null-Prozent-Finanzierungen sind aktuell üblich. Die NW-Abteilung schreibt tiefrote Zahlen. Chinesen erfreuen sich am munteren Handeln und nutzen Live-Chats in sozialen Medien, um mit Hilfe der ganzen Familie unterschiedliche Intrabrandwettbewerber gegenseitig auszustechen.

Einer der größten Automobilhandelskonzerne, die Yongda Group aus Shanghai, 1992 gegründet, vereint mit ihren mehr als 20 Marken einen Umsatz von umgerechnet zehn Milliarden Euro. Man verkauft in 200 Betrieben 250.000 Neu- und Gebrauchtwagen. Man bezeichnet sich als der größte BMW-Vertragshändler der Welt. Vor einiger Zeit zentralisierte das Unternehmen das Gebrauchtwagengeschäft konzernweit in einer Sparte und zählt sich zu den Branchenvorreitern. Immerhin wurden letztjährig 75.000 Gebrauchtfahrzeuge zu einem Transaktionspreis von durchschnittlich 6.200 Euro verkauft. Das GW-Management lieferte im abgelaufenen Geschäftsjahr erstmalig einen positiven Ergebnisbeitrag. Der verantwortliche Vice President verwies nüchtern darauf, dass Yongda erst am Anfang eines professionellen Gebrauchtwagengeschäftes stehe.

Generell bleibt der Eindruck bei den teilnehmenden deutschen und österreichischen Automobilhändlern haften, dass die chinesischen Kollegen Wertschöpfungspotenziale in der Werkstatt und im Gebrauchtwagengeschäft nicht konsequent ausschöpfen, Synergien zwischen den Geschäftsfeldern und Kosteneffizienzen nicht systematisch realisieren. Gleichzeitig betreibt man ein aggressives Digital-Marketing, das den deutschen Kollegen als Vorbild gereichen könnte.


Auto Shanghai 2025 - Impressionen

Menschen laufen über den Messestand der Marke Volkswagen. Bildergalerie



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