Nutzungsausfall: Schnelles Handeln zahlt sich aus

KURZFASSUNG 1. Ein Nutzungsausfallschaden ist dann zu erstatten, wenn das Fahrzeug für den Geschädigten von zentraler Bedeutung und der Wert der Nutzungsmöglichkeit konkret berechenbar ist. 2. Neben einem Verkehrsunfall kann auch der Verkauf eines mangelbehafteten Fahrzeugs Ursache des Nutzungsausfalls sein. 3. Der Nutzungsberechtigte muss sich um die zeitnahe Reparatur oder Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges bemühen. 4. Urteil LG Koblenz vom 2. November 2023: Bei erfolgloser Nachbesserung ist für den Zeitraum von sechs Wochen zwischen Einstellung der Fahrzeugnutzung und Ablauf der Rückabwicklungsfrist eine Nutzungsentschädigung zu zahlen. Schadensminderung kommt für diesen Zeitraum nicht in Betracht. Autohäuser stellen in der Beratung wiederholt die Frage, ob einem Fahrzeugkäufer nach einem mangelbedingten Rücktritt vom Kaufvertrag ein Nutzungsausfallschaden zusteht. Diese Frage lässt sich nicht mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten. Es kommt vielmehr auf die jeweilige Fallgestaltung an. Auch und insbesondere kommt es bei einem gerechtfertigterweise ausgesprochenen Rücktritt darauf an, wie schnell und zielorientiert das Autohaus die Rückabwicklung vornimmt oder einen Ersatzwagen zur Verfügung stellt. Mit Urteil vom 2. November 2023 (Az. 15 O44/23) hat das Landgericht (LG) Koblenz einen praxisrelevanten Fall zum Nutzungsausfallschaden entschieden. Der Fall: Anfang Februar 2022 erwarb ein Verbraucher vom betroffenen Autohaus einen Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 98.000 km zum Preis von 7.200 ?. Bereits bei Übergabe des Fahrzeugs war unstreitig ein Mangel vorhanden, der sich darin äußerte, dass nach Übergabe des Fahrzeugs immer wieder die Fehlermeldungen "P000A" und "P0011" auftraten, die sich mit Startschwierigkeiten äußerten. Diese Fehlermeldungen sollen im System als solche Fehler hinterlegt sein, die im Zusammenhang mit dem Zylinderkopf und der Nockenwelle stehen. Käufer mit der Geduld am Ende Der Gebrauchtwagen war insgesamt fünfmal zur Mängelbeseitigung beim Autohaus: Am 14. Februar 2022, vom 8. Juni bis 11. Juni 2022, am 12. Juni 2022, vom 27. Juni bis 1. Juli 2022 und am 19. September 2022. Nach dem fünften erfolglosen Reparaturversuch benannte das Autohaus eine andere Fachwerkstatt und forderte den Kläger auf, sein Fahrzeug dort instand setzen zu lassen. Das Autohaus werde dann die Kosten hierfür unmittelbar an diese Fachwerkstatt bezahlen. Der Kläger ließ jedoch bei dieser anderen Fachwerkstatt keine weitere Mängelbeseitigung durchführen, sondern erklärte Ende 2022 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Kläger forderte das Autohaus auf, den Kaufpreis bis 6. Januar 2023 zurückzuzahlen, und verlangte ab 18. November 2022 zusätzlich die Bezahlung eines Nutzungsausfallschadens. Er begründete Letzteres damit, dass er das Fahrzeug seit dem 18. November 2022 nicht mehr genutzt habe und zumutbar auch nicht habe nutzen können, weil das Fahrzeug im Display seit dem 18. November 2022 die Fehlermeldung "Motorstörung" angezeigt habe. Das Autohaus habe eine die Mängel beseitigende Nachbesserung nicht durchgeführt, so dass er jedenfalls vom 18. November 2022 bis 6. Januar 2023 Nutzungsausfall beanspruchen könne. Das Autohaus verteidigte sich damit, der Kläger habe das Fahrzeug schließlich zu einer anderen Fachwerkstatt zur zielführenden Reparatur verbringen können. Der Kläger habe die Reparatur aber nicht vornehmen lassen, deshalb stünde dem Kläger kein Anspruch auf Nutzungsausfallschaden zu. Das LG Koblenz sah einen Anspruch des Klägers dagegen sehr wohl gegeben und sprach dem Kläger einen Nutzungsausfallschaden mit Beginn 18. November 2022 in beantragter Höhe zu. Verlust der Gebrauchsmöglichkeit als Vermögensschaden Der Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines Fahrzeugs liegt nicht in einem Substanzverlust dieses Gegenstands selbst und stellt damit eigentlich und "lediglich" einen immateriellen Schaden dar. Ein immaterieller Schaden aber ist an die gesetzlich bestimmten Fälle gebunden - und der Nutzungsausfall ist im Gesetz als Schadensposition nicht ausdrücklich genannt. Mit der verbreiteten allgemeinen Nutzung von Fahrzeugen in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts statuierte die Rechtsprechung allerdings in richterlicher Rechtsfortbildung - zunächst noch für den Fahrzeugausfall nach Unfällen - den ersatzfähigen Nutzungsausfallschaden. Gemäß BGH liegt dem ein Kommerzialisierungsgedanke zugrunde, wonach die Nutzungsmöglichkeit eines Fahrzeugs allgemein geldwert auf dem Markt erworben werden kann und sich bei Fahrzeugen, auf deren ständige Verfügbarkeit ein Fahrzeugnutzer im Sinne der "eigenwirtschaftlichen Lebenshaltung" angewiesen ist, die Gebrauchsmöglichkeit eines Fahrzeugs als ein "vermögenswertes Gut" darstellt und als geldwerter Vorteil anzusehen ist. Später dehnte der BGH über den Nutzungsausfall bei Unfällen hinaus seine Rechtsprechung auf Fälle der vorliegenden Art - die Lieferung eines mangelhaften Fahrzeugs - aus. Nach den über die Zeit entwickelten Grundsätzen der Rechtsprechung ist ein Nutzungsausfallschaden aktuell dann zu erstatten, wenn beim Geschädigten dessen Nutzungsmöglichkeit sowie dessen Nutzungswille vorliegen, die Verfügbarkeit des Fahrzeugs für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung und der Wert der Nutzungsmöglichkeit berechenbar ist. Diese Grundsätze sah das LG Koblenz in seinem Urteil vom 2. November 2023 als gewahrt an. Nutzungsausfall und Schadensminderungspflicht Die Schadensminderungspflicht des § 254 BGB ist ein generell im Schadensersatzrecht geltendes Grundprinzip. Hiernach ist ein Geschädigter verpflichtet, seinen Schaden so weit wie möglich gering zu halten und damit einen Schädiger zu entlasten. Dies führt für den Nutzungsausfallschaden dazu, dass sich ein Nutzungsberechtigter um eine zeitnahe Reparatur und gegebenenfalls um die zeitnahe Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges bemühen muss. Für den vorliegend Fall entschied das LG Koblenz in seinem Urteil vom 2. November 2023, dass vom Kläger nach den konkreten Umständen eine schadensmindernde Nutzung des Fahrzeugs jedenfalls ab dem 18. November 2022 wegen der im Display angezeigten Motorstörung nicht mehr zu verlangen war. Dem LG Koblenz genügte insoweit dieses - vom Autohaus nicht bestrittene - "Mangelsymptom". Nachdem der Kläger sein Fahrzeug in sieben Monaten fünfmal zur Nachbesserung zur Verfügung gestellt hatte, sah das LG Koblenz auch keine minderungsrelevante Verzögerung einer Reparatur. Der Käufer war mehr als geduldig. Auch war für den Kläger nach den Darlegungen des LG Koblenz eine minderungsrelevante Ersatzbeschaffung jedenfalls bis zur Erklärung des Rücktritts bzw. der dort gesetzten Frist zur Rückabwicklung bis zum 6. Januar 2023 nicht zu verlangen. In der Konsequenz sprach das LG Koblenz dem Kläger für den Zeitraum 18. November 2022 bis 6. Januar 2023 eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 1.750 Euro zu. Widerstreitende Problematik: Nutzen oder nicht nutzen? Es sollte nachvollziehbar sein, dass der vorliegende Kläger wegen des Aufleuchtens der Fehlermeldung "Motorstörung" das Fahrzeug nicht mehr nutzte. Allerdings schließt nicht jede Funktionsstörung die Nutzung eines Fahrzeugs aus. Ein Käufer befindet sich dann allerdings in einer "Zwickmühle": Nutzt er ein Fahrzeug trotz entsprechender Mängelsymptome weiter, so kann ein größerer Schaden ausgelöst werden mit der Folge eines Schadensersatzes zugunsten des Verkäufers. Nutzt der Käufer das Fahrzeug bei Vorliegen von Mangelsymptomen nicht mehr, so muss er jedenfalls einen solchen Mangel insoweit darlegen - und wenn vom Verkäufer bestritten - auch beweisen, der eine Fahrzeugnutzung unzumutbar macht, weil eventuell durch die Fahrzeugnutzung die Gefahr einer weiteren Schadensverursachung besteht. Jedenfalls dann, wenn ein Mangelsymptom nicht sicher als zu vernachlässigende Kleinigkeit zu qualifizieren ist, ist einem Verkäufer zu empfehlen, auf alle Fälle zügig und zielgerichtet zu handeln, um eine Nutzungsentschädigung zu vermeiden. Rechtsanwalt Rainer Boppkanzlei@raehaug-partner.dewww.haug-partner.de KOMMENTAR Wie bei jedem Rücktritt vom Kfz-Kaufvertrag machte auch im Fall des Urteils des LG Koblenz das beklagte Autohaus für die Fahrzeugnutzung während der Besitzzeit des Käufers Gebrauchsvorteile geltend. Mit der zugesprochenen Nutzungsentschädigung rechnete der Käufer allerdings gegen die Gebrauchsvorteile auf. Nachdem die Nutzungsentschädigung die Gebrauchsvorteile überstieg, erhielt der Käufer nicht nur den vollen Kaufpreis zurück, das Autohaus musste zusätzlich einen Schadensersatzbetrag in Höhe von rund 350 Euro zahlen. Es stellt sich in Fällen der vorliegenden Art für die Berechnung einer Nutzungsentschädigung die Frage, welche Reaktionszeit einem Käufer zwischen Rücktrittsreife und dem tatsächlich erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag im Sinne der Schadensminderungspflicht zuzugestehen ist. Für das LG Koblenz war dies jedenfalls der Zeitraum vom 18. November bis Ende Dezember - somit etwas mehr als ein Monat. Einer ausufernden Nutzungsentschädigung ohne Begrenzung ist unter Berufung auf die Schadensminderungspflicht entgegenzutreten. Wie immer sind nach der Formel der Rechtsprechung "die konkreten Umstände des Einzelfalls" zu berücksichtigen.

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