Praxistag Prozesse: Schnittstellen als Türöffner

Prozesse digital zu optimieren kann in der Theorie so einfach sein. In der Praxis stehen oft mangelnde Fachkenntnis, hohe Kosten oder die Furcht vor dem Unbekannten zeitgemäßen Lösungen im Weg. Auf dem AUTO-HAUS Praxistag: Prozesse 4.0 berichteten wieder erfahrene Händler, welche Maßnahmen und Werkzeuge wirklich sinnvoll sind und wie sie Erfolge dadurch erzielen. Durch die rein digitale Veranstaltung führte Jörg von Steinaecker, Inhaber Steinaecker Consulting, aus dem Verlagsstudio in München.Systeme vernetzenJörg von Steinaecker sprach in seinem Eröffnungsvortrag auch gleich eines der Hauptprobleme bei der Digitalisierung an. Das Thema Schnittstellen steht oft noch der Modernisierung der Abläufe im Autohaus im Weg. Dabei zeigte er den technischen Aufbau der im Schnitt 37 Systeme, die in einem Autohaus zum Einsatz kommen. Ideal ist es daher, wenn diese Systeme auf Datenebene autonom untereinander kommunizieren und die Mitarbeiter gar nicht erst in den Datentransfer eingreifen müssen. Denn "Schnittstellen gehören zu den größten Zeitdieben im Autohaus", so Steinaecker.Schnittstellen sind das A und ODass Digitalisierung oft auch viel mit Lernen zu tun hat, unterstrich Stefan Clauß, Geschäftsleitung Verkauf bei der Schneider Gruppe, in seinem Vortrag. Dort wollte man aufgrund veralteter Systeme einen Cut machen und die IT-Struktur mitsamt den Prozessen grundlegend neu auflegen. Allerdings sollte dies zunächst in Eigenregie mit internen Programmierern geschehen. Nach einiger Entwicklungszeit machte die Schneider Gruppe dann einen Richtungswechsel und man untersuchte, ob wirklich alles selber entwickelt werden muss und welche Systemanbieter in die eigene Systemlandschaft integriert werden könnten. Heute nutzt der Händler erfolgreich Systeme wie Jobrouter und Alpha Controller. Den Überblick über alles hat der hauseigene Digitalisierungsbeauftragten, der die Abläufe koordiniert.Um seine Standzeiten zu reduzieren, nutzt Tiemeyer automobile den Alpha Controller, um den Hereinnahmeprozesse zu beschleunigen. Dabei kommt laut Stefan Scheer, Standortleiter Tiemeyer automobile, und Olaf Bock, Geschäftsführer Alpha Online, verstärkt Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Der Mitarbeiter kann dabei selbst entscheiden, ob er die Bewertung selbst bzw. durch einen Prüfdienst oder mithilfe der KI durchführt. Das System analysiert Fahrzeugschäden, berechnet den Preis und stellt die Daten für die Dokumentation und Kalkulation zur Verfügung. Am Ende können die fertigen Unterlagen verschickt oder direkt vor Ort auf dem Tablet unterzeichnet werden.Keep it simpleProzesse sollten dahingehend optimiert werden, dass sie nicht nur für den Händler, sondern vor allem für den Kunden einfacher werden. Die Auto Bebion Gruppe hat in diesem Zuge unter anderem die Online-Terminvereinbarung eingeführt. Voraussetzung war, dass die Kunden sich nicht registrieren müssen und der Prozess so einfach wie möglich funktioniert. Doch mit der technischen Lösung allein war es nicht getan. Laut Geschäftsführer Christian Bebion war viel Marketing nötig, um gerade die Bestandskunden auf das neue Angebot aufmerksam zu machen. Auch die Werkstatt arbeitet bei Bebion inzwischen papierlos. Da ein hoher Individualisierungsgrad angepeilt wurde, entschied Bebion sich für formondo, einen digitalen Fomulareditor, der sich automatisch via Schnittstelle die Daten aus den Systemen von Bebion zieht. In der Werkstatt ist das Tablet inzwischen eines der wichtigsten Werkzeuge, das auch als Stempeluhr und zur Zeitauswertung bei der Produktivität genutzt werden kann.Ähnliche Erfolge konnte die AHG Autohandelsgesellschaft, eine Tochter von Alphartis, mit den mobilen Lösungen von Atbas erzielen. Das zeigten Peter Bucher, Leiter Sparte Teile und Zubehör bei der AHG, und Mathias Schröder von ATBAS in ihrem Beitrag. Dabei kommt ein Handheld, das einem Smartphone ähnelt, mit einem Laserscanner zum Einsatz. Damit können die Mitarbeiter im Service Reifen und Lagerware wesentlich schneller erfassen und zuordnen. Laut Atbas kann ein Mitarbeiter damit bis zu vier Reifenwechsel pro Tag mehr durchführen. Die Daten über Lagerstatus und Verfügbarkeit werden mit dem Scanner direkt ins System eingespielt und können von allen Mitarbeitern im Autohaus eingesehen werden.Was die Kunden wollenDanny Moldenhauer, Geschäftsführer von digital35, unterstrich, warum sich Digitalisierung gerade für den Autohandel lohnt. So würden vor allem die Kunden, allen voran die onlineaffine Generation Z, auch im Autohandel dieselbe Geschwindigkeit und Convenience erwarten, wie sie es aus anderen Branchen gewohnt ist. Gleichzeitig verlangen auch der Fachkräftemangel und hohe interne Verwaltungskosten mehr und mehr nach digital optimierten Prozessen für mehr Wirtschaftlichkeit.Auch Kai-Dieter Schirmer, Vertriebsleiter MCON-Group, und Horst-Dieter Ries, Geschäftsführer Autozentrum Ries, sehen in ihren Vorträgen den Kunden und die dazugehörigen Daten im Fokus. So hat das Autozentrum Ries ein umfangreiches Leadmanagement eingeführt, durch das eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden jederzeit möglich ist. Dafür werden alle notwendigen Informationen den Mitarbeitern im richtigen Moment automatisch zur Verfügungen gestellt. Die Vorbereitung und Analyse der Daten geschieht dabei automatisch im Hintergrund.Papierlose WerkstattDaniel Henning, Kaufmännischer Leiter der Herbrand Gruppe, stellte in seinem Vortrag die Lösung Workshop Control vor. Darin werden alle Informationen, die zum Werkstattauftrag gehören, digitalisiert und für die Prozesssteuerung optimiert. Über unzählige Schnittstellen zu sämtlichen relevanten Systemen werden die Daten für alle beteiligten Mitarbeiter ohne Medienbrüche bereitgestellt. Für die digitale Zahlungsabwicklung nutzt Herbrand die Plattform bezahl.de. Damit können die Zahlungen im System zugeordnet werden. Gleichzeitig stellte Lasse Diener, CEO von bezahl.de, neben digitalen Zahlungsmöglichkeiten auch eine eigene Smartkasse vor, mit der die Kunden vor Ort im Autohaus in einem autarken Prozess selbst bezahlen können.Ebenfalls vollständig papierlos ist die digitale Kundenakte, die Thomas Hertlein, Geschäftsführer von Autohaus Hertlein, in seinem Vortrag vorstellte. Die Kunden haben ähnlich wie im E-Commerce jederzeit Zugriff auf ihre Daten und können so Rechnungen erneut einsehen und bezahlen oder Servicetermine online buchen. Bemerkenswert hierbei ist auch, dass das Autohaus Hertlein ein kleiner Familienbetrieb mit 17 Mitarbeitern ist. Digitalisierung ist also längst nicht mehr etwas nur für große Unternehmen.

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