Ausgabe 08/2013: Sie kommen bei Nacht

Sie kommen bei NachtKriminalität – Imageschaden und Existenzverlust drohen, wenn sich Autohäuser nicht ausreichend gegen die neuen Formen des Diebstahls absichern. Von johanna auguste kOchBlitzschnell. Aus und vorbei. In Minutenschnelle schneiden Diebe beim Autohaus Potthoff in Hamm aus 18 Gebrauchtwagen fest installierte Navigationsgeräte heraus. Sie sind Profis. Und der Schaden enorm. 1.500 bis 2.000 Euro pro Fahrzeug verliert Potthoff in dieser Nacht. Wie konnte das nur passieren? Eine Ausnahmesituation führt zur Fehlentscheidung. Der eigens bei Potthoff angestellte Nachtwächter macht Urlaub. Seine beiden Vertretungen sind krank. „Nur in dieser einen Nacht sind wir das Risiko eingegangen, und prompt ist es passiert“, erzählt Autohaus-Chef Wilhelm Potthoff mit gedämpfter Stimme. Die taghelle Beleuchtung des Gebrauchtwagenplatzes bei Nacht und die Videoüberwachung haben die Täter von ihrem Vorhaben nicht abhalten können.Aber die Diebe machen einen Fehler. Im Deckmantel der Nacht rücken sie einen Monat nach ihrem ersten Coup wieder bei „Potti“ an, wollen zuschlagen. Dumm nur: Diesmal ist der Nachtwächter da und ruft die Polizei. Das Sicherheitssystem bei Potthoff funktioniert. Die Täter werden festgenommen und später anhand von Videoaufnahmen identifiziert. Jetzt wird den Holländern der Prozess gemacht.Wilhelm Potthoff ist erleichtert, dass der entstandene Schaden weitestgehend von der Versicherung übernommen wurde. Und obwohl das Gelände grundsätzlich gut gesichert war und Potthoff nur in dieser einen Nacht mal Pech hatte, will er die Sicherheitsstufe erhöhen. Denn das Beispiel zeigt: Die kleinste Sicherheitslücke kann für Händler zum Risiko werden. Der neue TäterVorbei sind die Zeiten, in denen Poller und Zäune reichten, um Höfe abzusichern. Eine neue Form des Autodiebstahls verunsichert die Branche. Die Bundeskriminalitätsstatistik zeigt: 2011 gingen in Deutschland im Vergleich zu 2010 zwar die Fahrzeugdiebstähle um 2,2 Prozent (41.057) zurück. Der Klau aus Autos nahm aber um 2,2 Prozent auf 242.563 Fälle zu. Und auch der Diebstahl an Fahrzeugen stieg um 1,9 Prozent auf 123.093 Fälle. Diebstähle in oder aus Autohäusern werden dabei zwar nicht gesondert statistisch erfasst. Die Flut der Meldungen über Diebstähle bei Händlern aber stützt die allgemeinen Zahlen.„Die Veränderungen im Täterverhalten spiegeln in erster Linie die technische Entwicklung der Fahrzeuge wider, die zunehmend mit elektronischen Bauteilen und Modulen ausgestattet werden“, erklärte das Bundeskriminalamt (BKA) auf Anfrage von AUTOHAUS. Beispiele für entwendete Gegenstände an und aus Fahrzeugen seien insbesondere original Radabdeckungen, Außenspiegel, Spoiler, Kühlergrills, Scheinwerfer, Räder, Katalysatoren, Airbags, Radio- und Navigationsgeräte sowie Steuergeräte.Teuer bis existenzgefährdendDiesem veränderten Täterverhalten würden auch einige Versicherer gerne vorbeugen und die Voraussetzungen für Einbruchdiebstahl-Versicherungen erhöhen. Doch wie AUTOHAUS aus Branchenkreisen erfuhr, hält der Wettbewerb zwischen den Versicherungsgesellschaften sie davon ab, die Anforderungen an Betriebe hochzuschrauben. Deshalb muss es derzeit erst zu einem Schaden kommen, bevor Versicherungen von Betrieben Zusatzmaßnahmen fordern. Die Leidtragenden sind die Händler. Denn im Ernstfall ist der Schaden für die Betroffenen oft überraschend groß. Formal erfüllen sie die Auflagen und wähnen sich in Sicherheit. Dem nur standardmäßig abgesicherten Betrieb aber drohen nicht nur schärfere Sicherheitsauflagen. Auch die Selbstbeteiligung steigt. Im schlimmsten Fall kann der Händler seinen Versicherungsschutz gänzlich verlieren – vom Imageschaden bei den Kunden und einer möglichen Existenzgefährdung ganz zu schweigen. 2009 entstand laut dem Branchendienst Finanz-Duell in Deutschland bei Gewerbeobjekten durch Einbruchdiebstahl ein Gesamtschaden von rund 300 Millionen Euro.Präventiv statt spekulativPräventiv sollten Händler daher ihr Areal über die Anforderungen der Versicherungsgesellschaften hinaus absichern – im Innen- sowie im Außenbereich. Der erste Schritt sollte die Ermittlung des betriebseigenen Sicherheitsgrades sein, den es dann mit den Vorgaben der Versicherungsbedingungen abzugleichen gilt. Bei Handlungsbedarf geben die Internetportale www.der-sichere-kfz-betrieb.de vom ZDK und der Nürnberger-Versicherung sowie www.sicherheit-autohaus.de Anregungen für Präventivmaßnahmen. Auf den Autohandel spezialisierte Sicherheitsdienstleister mit Kontaktpersonen werden empfohlen. Nicht zuletzt unterstützt auch die Polizei Gewerbetreibende auf www.polizei-beratung.de bei der Absicherung vor Einbruchdiebstahl. ■Lesen SIe hier...... wie beim Autohaus Potthoff in Hamm aus 18 Gebrauchtwagen Navigationsgeräte gestohlen wurden und warum sich Händler heute anders vor Kriminalität schützen müssen als früher. Kommentar< Wie sichere ich mein Autohaus denn nun am besten ab? Umfriedungen sind gut, haben aber eine Kehrseite: Nicht nur Täter, sondern auch Kunden kommen außerhalb der Geschäftszeiten nicht auf den Hof. Poller hingegen sind keine Kundenabwehrwaffe und schützen vor Diebstahl des Fahrzeugs. Den Klau aus und an Kfz verhindern sie aber nicht. Videokameras könnten diese Sicherheitslücke schließen, bergen aber rechtliche Fallstricke. Denn Kameras zeichnen schließlich nicht nur potenzielle Täter, sondern während der Geschäftszeiten auch Kunden und Mitarbeiter auf. Es handelt sich um die Verarbeitung personenbezogener Daten. Vor dem Einsatz von Kameras sollte daher ein Anwalt konsultiert werden. Dann sollten hochwertige Kameras über eine Sicherheitsfirma und aus Bildqualitätsgründen nicht im Baumarkt gekauft werden. Idealerweise wären die Kameras zumindest nachts auf einen Wach- oder Sicherheitsdienst aufgeschaltet. Denn wichtig ist, dass das Grundstück non-stop von geschultem Personal überwacht wird. >„Mitarbeiter dürfen nicht permanent überwacht werden.“AH: Herr Bopp, dürfen Händler Gebrauchtwagenplätze mit Videokameras überwachen?R. Bopp: Wie so oft lautet die Antwort: „Es kommt darauf an“. Es ist zu differenzieren, wer und wie lückenlos überwacht werden soll. Sollen Arbeitnehmer überwacht werden oder soll der Fahrzeugbestand vor Zugriffen betriebsfremder Personen geschützt werden? Die rechtlichen Anforderungen richten sich nach der konkreten Fallgestaltung. Für die Zulässigkeit der Überwachung eines Gebrauchtwagenplatzes gilt also ein „Ja, aber …“AH: Worauf müssen Autohäuser achten?R. Bopp: Die allgemeinen Persönlichkeitsrechte von Kunden und Arbeitnehmern müssen gewahrt werden. Für den Kunden sollte es ausreichend sein, wenn ein Hinweisschild aufgehängt wird, das ihm bewusst macht, dass er sich auf einem privaten Firmengelände befindet und eine Videoüberwachung installiert ist. Die Arbeitnehmer allerdings müssen mit einer Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Platzes einverstanden sein, weil dieser ein Teil ihres Arbeitsplatzes ist. Und wenn es einen Betriebsrat gibt, ist nach dem Betriebsverfassungsgesetz auch dessen Zustimmung erforderlich.AH: Und was ist, wenn der Arbeitnehmer damit nicht einverstanden ist?R. Bopp: Dann muss eine Güter- und Interessenabwägung vorgenommen werden. Es können Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers durch die Wahrung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Es ist zu klären: Steht dem Arbeitgeber ein „notwehrähnliches“ Recht zu, wie z. B. bei einem ständigen Warenverlust, der anders nicht aufklärbar ist? Wenn ja, ist die Videoüberwachung zulässig und insbesondere auch die Verwertung der Videobänder in einem Prozessverfahren. Eine dauerhafte und verdachtsunabhängige Videoüberwachung von Arbeitnehmern ist dagegen regelmäßig unverhältnismäßig und rechtswidrig.AH: Bei einer 24-Stunden-Fremdüberwachung durch einen Dienstleister: Wie sieht es dann mit den Persönlichkeitsrechten der Arbeitnehmer aus?R. Bopp: Das ist unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten problematisch. Ich empfehle daher, tagsüber selbst aufzuzeichnen und die Aufgabe nur außerhalb der Arbeitszeiten, wenn der Platz eigentlich leer sein sollte und gefilmte Personen sich damit unbefugt auf dem Gelände befinden, an einen Dienstleister zu übergeben. Im Übrigen sind jegliche Aufzeichnungen nach dem Bundesdatenschutzgesetz unverzüglich zu löschen, wenn sie nicht mehr erforderlich sind.

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