Ausgabe 12/2010: Streichkonzert für Autohaus-Kredite

Streichkonzert für Autohaus-KrediteInternationale Kapitalregeln E Unter der Bezeichnung Basel III werden neue Eigenkapitalregeln für die Banken geplant – mit einschneidenden Auswirkungen auch auf den Automobilhandel. VON WALTER MISSINGKaum haben Wirtschaft und Banken Basel II verdaut, steht die nächste Reform des seit 2007 europaweit angewendeten Regelwerks ins Haus. Den Anstoß dazu gab der Pittsburgh-Gipfel der größten Industrie- und Schwellenländer im September 2009. Unter dem Eindruck der Finanzkrise beschlossen deren Regierungschefs, die Risiken der Banken durch strengere Regulierungsvorschriften zu begrenzen. Sie wollen die Banken wetterfest machen und damit künftigen Krisen wirkungsvoll vorbeugen. Der für die Bankenregulierung zuständige sog. Baseler Ausschuss, ein Gremium der Notenbanken und Aufsichtsbehörden von insgesamt 27 Staaten, hat daraufhin Vorschläge für international gültige neue Kapitalregeln vorgelegt, die unter dem Terminus „Basel III“ zusammengefasst und bis Ende 2012 umgesetzt werden sollen.Gefahren für den AutomobilhandelWovon bisher wenig gesprochen wird: Basel III hat nicht nur gravierende Konsequenzen für die Banken, sondern in der Folge auch einschneidende Auswirkungen auf die Finanzierung der Unternehmen aller Wirtschaftszweige. Davon wird vor allem auch der Automobilhandel als eine seit Jahren ebenso eigenkapital- wie ertragsschwache Branche betroffen sein. Gleichwohl haben sich bisher nur einige wenige Großkonzerne wie BMW oder Bayer bezüglich Basel III zu Wort gemeldet. Von Seiten der Wirtschaftsverbände herrscht hingegen Funkstille. Das gilt auch für den ZDK, obwohl gerade dessen Mitgliedsfirmen Basel III aus heutiger Sicht gewaltig auf den Nägeln brennen wird. Der ZDK muss sich des Themas dringend annehmen. Denn es wird nicht reichen, dass sich nur die Banken gegen die Umsetzung von Basel III in der vorliegenden Form zur Wehr setzen – auch wenn der französische Bankenverband mit seiner Prognose, dass allein die geplanten neuen Liquiditätsregeln Frankreich jährlich 1,5% Wachstum kosten könnten, bei der Regierung Sarkozy durchaus Eindruck schinden konnte.Widerstand gegen das ReformwerkDie Banken und ihre Verbände protestieren in diesen Wochen massiv gegen wesentliche Kernpunkte und insbesondere den Zeitplan von Basel III. Trotzdem wissen sie, dass sie um signifikante Veränderungen der bisherigen Regeln, insbesondere zur Stärkung ihres Eigenkapitals, nicht herumkommen werden. Ihnen ist klar, dass sie ihre Geschäfte zukünftig mit mehr Eigenkapital absichern müssen und dass das, was bisher als Eigenkapital angesehen wurde, kräftig gestutzt, neu und strenger definiert wird. Gerungen wird deshalb jetzt vor allem darum, in welchem Umfang und Ausmaß die neuen Vorschriften umgesetzt werden können, ohne Wachstum und Beschäftigung in den beteiligten Staaten zu gefährden.„Das Problem sind nicht die einzelnen Maßnahmen, sondern die Kombination der verschiedenen Vorschläge, deren restriktive Wirkungen sich potenzieren“, zitiert das Handelsblatt vom 5. Mai einen führenden Banker. Die Rede ist von einem drastischen Absinken der Kernkapitalquoten (bei der Deutschen Bank zum Beispiel von aktuell 11,9% auf 6,4%) und einem Bedarf von bis zu 300 Mrd. Euro zusätzlichem Kapital allein für Europas Banken, wenn Basel III ohne Abstriche umgesetzt werden würde. Vor diesem Hintergrund will der Basler Ausschuss endgültige Beschlüsse erst im Dezember 2010 fassen, wenn die Auswirkungen seiner aktuellen Vorschläge auf Banken und Wirtschaft getestet und bewertet worden sind. Trotzdem ist es wichtig, bereits jetzt einen Blick auf die geplanten Veränderungen von Basel III zu werfen und die Frage zu erörtern, wie sich der Automobilhandel auf die neuen Bedingungen einstellen muss. Denn es liegt auf der Hand, dass Basel III nachhaltige Auswirkungen auf die zukünftige Kreditvergabe der Banken an die Unternehmen einer Branche haben wird, die sie schon heute auf die rote Liste gesetzt haben (siehe hierzu AUTOHAUS 1-2 vom 18. Januar 2010).Neue Herausforderung für das Autohaus-ManagementFür Autohaus-Unternehmer und ihre Geschäftsführungen stellen sich damit neue Herausforderungen. Ihre Konzentration muss mehr denn je einem jederzeit ausreichenden Free Cash Flow als Nachweis der langfristigen Kapitaldienstfähigkeit ihrer Unternehmen gelten. Auf diesen Zusammenhang fokussiert sich die gesamte Logik für die Autobranche und deshalb kann darauf nicht oft genug hingewiesen werden. Gleiches gilt für ein aktives Working Capital Management als eines der für die Unternehmen maßgeblichen To Dos, die bereits in der Artikelserie in AUTOHAUS Heft 3/2010 bis 6/2010 ausführlich beschrieben worden sind. Sie müssen zwingend umgesetzt werden. Unter den Bedingungen von Basel III wird allerdings selbst das nicht ausreichen. Für ein gutes Rating wird es dann auf nochmals andere, zusätzliche Faktoren ankommen. Doch zunächst der Blick auf die Inhalte von Basel III.Basel III im ÜberblickDas derzeit diskutierte Gesamtpaket basiert im Wesentlichen auf drei Säulen:1. Neue Anforderungen an das EigenkapitalDem harten Kernkapital der Banken dürfen zukünftig weder latente Steuern noch Kernkapital von Tochtergesellschaften, an denen die jeweilige Bank zu weniger als 100% beteiligt ist, zugerechnet werden. Auch der Firmenwert und sonstige immaterielle Vermögenswerte zählen nicht mehr zum harten Kernkapital. Das sog. hybride Kernkapital – dazu gehören beispielsweise nachrangige Bankschuldverschreibungen – soll auf unter 50% des Kernkapitals zurückgeführt werden. Darüber hinaus muss es zukünftig effektiv einbezahlt sein, dauerhaft zur Verfügung stehen und zur Abdeckung von Verlusten dienen können. 2. Deckelung des VerschuldungsgradsDie Banken sollen sich – gemessen an ihrer Bilanzsumme – nur noch bis zu einer bestimmten Grenze verschulden dürfen. Eine verbindliche Norm ist in einem ersten Schritt zwar nicht zu erwarten, trotzdem werden sich die Banken an den definierten Höchstgrenzen orientieren müssen. Bemessungsgrundlage für den Verschuldungsgrad einer Bank ist das sog. Leverage Ratio, das Verhältnis von Kernkapital zur Bilanzsumme.3. Höhere LiquiditätsreservenDie Banken sollen Kapitalpuffer und Liquiditätsreserven für schlechtere Zeiten aufbauen und vorhalten, wobei noch nicht abschließend festgelegt ist, welche Vermögenswerte neben Barmitteln und Notenbankguthaben als Bestandteil dieser Reserven anerkannt werden sollen.Banken bereinigen Kreditportfolios weiterDie Banken warten nicht ab, bis die neuen Regeln gelten oder bis abschließend feststeht, an welchen Stellschrauben wie stark gedreht werden wird. Sie beginnen vielmehr schon jetzt, die bereits in den letzten beiden Jahren erkennbare Bereinigung ihrer Kreditportfolios zu intensivieren. Der Automobilhandel steht dabei ganz oben auf ihrer Liste, und das spüren viele Unternehmen tagtäglich am eigenen Leib. Die Deutsche Bank und die Commerzbank sind aus der Branche bereits ganz ausgestiegen, die Dresdner Bank muss dem Beispiel ihrer neuen Mutter Commerzbank folgen. Von den großen Geschäftsbanken verbleibt damit einzig die HypoVereinsbank in nennenswertem Umfang im Automobilhandel engagiert.Unter den Bedingungen von Basel III wird das Eigenkapital zur Kreditunterlegung auch bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die dem Automobilhandel noch vergleichsweise aufgeschlossen gegenüberstehen, deutlich knapper werden. Auch bei diesen Geldinstituten ist deshalb mit weiteren Einschränkungen der Kreditvergabe an ihre mittelständische Klientel aus der PS-Branche zu rechnen. Wie die Grafik oben verdeutlicht, müssen sie im Gegensatz zu den Zeiten von Basel I, wo Rating-unabhängig eine Eigenkapital-Unterlegung von 8% verlangt wurde, bereits heute zwischen 1,6% und 12% unterlegen – je nachdem, wie der Kreditnehmer geratet ist.Bei weiter verschärften Anforderungen an das Eigenkapital und der Verpflichtung zur Bildung von zusätzlichen Liquiditätsreserven aus den beiden Kernelementen von Basel III liegt es auf der Hand, dass sich auch die heutigen klassischen Finanzierungspartner des Automobilhandels nicht lange überlegen werden, ob sie für einen Kredit eines Kunden aus dem Automobilhandel mit einem – allein schon branchenbedingt – schlechten Rating eine Eigenkapitalunterlegung von z. B. 12% vornehmen sollen, wenn sie stattdessen bei gleicher Unterlegung drei- bis viermal so viele Kredite an mit A geratete Kunden gewähren können. Verschärfung der KreditkonditionenDie reduzierten Spielräume der Banken werden nicht nur Neukredite, sondern auch die bestehenden Kreditlinien tangieren. Der Branche droht aber nicht nur ein kräftiges Streichkonzert, sie muss sich auch auf weitere Verschärfungen der Kreditkonditionen einstellen. Denn die Banken werden die unter den Bedingungen von Basel III erhöhten Eigenkapitalkosten an die Kreditnehmer weitergeben und darüber hinaus versuchen, die insbesondere aus den neuen Liquiditätsvorschriften erlittenen Renditeeinbußen zumindest teilweise über eine Erhöhung der Preise für Kredite zu kompensieren.Das Gesamtszenario weist vor diesem Hintergrund für weite Teile des Automobilhandels bedrohliche Züge auf. Die Gefahr, dass mit Basel III „die bislang mit hohem Aufwand verhinderte Kreditklemme quasi durch die Hintertür herbeireguliert“ wird (so der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands, Karl-Heinz Boos, in einem Gastkommentar in Dow Jones Deutschland vom 14. Mai), ist für die Branche nicht von der Hand zu weisen. Ob es dazu tatsächlich kommen wird, ist derzeit nicht abschließend zu beurteilen. Auf jeden Fall werden zukünftige Kreditvergaben an die Erfüllung nochmals höherer Ansprüche und Anforderungen der Banken geknüpft werden. Das steht zweifelsfrei fest. Was heißt das konkret? Und wie können die Automobilhandelsunternehmen präventiv darauf reagieren? Grundsätzliche Rating-ZusammenhängeDas Rating eines Unternehmens bleibt auch unter den Bedingungen von Basel III das wichtigste Kriterium der Banken für Kreditvergabeentscheidungen und für die Konditionsgestaltung. Folgende Zusammenhänge muss man sich bewusst machen:Das Rating bestimmt die Einstufung eines Unternehmens in die z. B. bei der Sparkassen-Finanzgruppe aktuell 18 verschiedene Klassen von „Sehr gute“ oder „gute Bonität“ über „befriedigende Bonität“ und „ausreichende“, „(sehr, äußerst) kritische Bonität“ bis zu „Insolvenz“.Die Einstufung ist nicht nur für die Zinshöhe des Kreditnehmers entscheidend, sondern wegen der mit der Einstufung korrelierenden Ausfallwahrscheinlichkeit von Krediten respektive Kreditnehmern auch für die Eigenkapitalunterlegung der Banken.Je besser die Ratings ihrer Kreditnehmer, umso mehr Kredite kann deshalb eine Bank vergeben. Geschäftsvolumen der Bank und Qualität ihrer Kreditnehmer stehen daher in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis.Neue Rating-Anforderungen für den AutomobilhandelAngesichts dieser Gegebenheiten werden bei der Beurteilung und Bewertung, wie ein Unternehmen aus Sicht der Bank in der Lage ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, grundsätzlich neue Instrumente eingesetzt. Ratings werden spätestens mit Basel III, voraussichtlich aber schon sehr viel früher, nicht mehr primär anhand vergangenheitsbezogener Bilanzen ermittelt, sondern auf Basis einer qualifizierten Betrachtung der Unternehmen für mindestens drei Jahre in die Zukunft. Für Autohaus-Unternehmer und ihre Geschäftsführungen hat das folgende Konsequenzen:1. Vorlage einer aussagekräftigen Unternehmensplanung einschließlich einer Mehrjahres-Ertrags- und Liquiditätsplanung (Plan-Bilanz, Plan-Gewinn- und Verlustrechnung, Plan-Cash Flow).2. Nachweis effizienter Controlling-Instrumente zur permanenten Verfolgung und gegebenenfalls Nachjustierung der Planzahlen.3. Kenntnis der Methoden und Inhalte des Risiko-Screenings der Banken und Berücksichtigung bei der Planung und Steuerung des Unternehmens.4. Ermittlung und Dokumentation der zukünftigen Kapitaldienstfähigkeit und der zukünftigen Kapitaldienstgrenze.5. Ermittlung und Dokumentation der zukünftigen Ausnutzung der Finanzierungslinien.6. Identifikation von (Liquiditäts-)Risiken mittels Stress-Szenarien einschließlich der Bewertung der Risiken und der Ableitung von Maßnahmen.7. Ausrichtung der Prozesse im Unternehmen auf die neuen Rahmenbedingungen.Stress-SzenarienDie Banken werden sich künftig nicht mit eindimensionalen Zahlenwerken zufrieden geben, die auf bestimmten definierten Prämissen aufgebaut sind. Sie wollen von ihren Kreditnehmern vielmehr auch wissen, wie sich wichtige Kennzahlen eines Unternehmens unter verschiedenen Stress-Szenarien, sprich simulierten Veränderungen interner und/oder externer Parameter, entwickeln werden. Mit diesen Stress-Tests wollen sie Risiken identifiziert und bewertet sehen. Entscheidend kommt es den Banken dabei vor allem auf die zukünftige Liquiditätsverfassung des Unternehmens und seine Kapitaldienstfähigkeit an. Vor diesem Hintergrund wird es um die Aufbereitung und Darstellung der folgenden Szenarien gehen: 1. Break-Even-Szenario: Die Gesamtleistung des Unternehmens ermöglicht ein Jahresergebnis „0“.2. Cash-Break-Even-Szenario: Es muss aufgrund von Zins- und Tilgungsleistungen kein Rückgriff auf Finanzierungslinien genommen werden.3. Kapitaldienst-Szenario: Die Zinsen, nicht jedoch die Tilgung werden erwirtschaftet. Es tritt keine Netto-Neuverschuldung ein.4. 80%-Linie-Szenario: Die Inanspruchnahme der kurzfristigen Finanzierungslinien liegt bei maximal 80%.5. Extrem-Szenario: Die kurzfristigen Finanzierungslinien werden zu 100% durch den Kapitaldienst beansprucht.Standortbestimmung der UnternehmenNur wenige Unternehmen im deutschen Automobilhandel werden in der Lage sein, aus dem Stand den künftigen Anforderungen für eine quantitativ und qualitativ ausreichende Kreditvergabe zu genügen. Mit der Komplexität der aufgezeigten Aktivitäten haben sich bisher auch kaum externe Berater auseinandergesetzt. Allenfalls vereinzelte Beratungsgesellschaften haben sich auf die Thematik spezialisiert und bieten bereits heute nicht nur umfangreiche Stress-Tests für Automobilhandelsunternehmen an, sondern stehen auch für die Umsetzung der daraus gewonnenen Erkenntnisse in konkrete Maßnahmenpläne zur Verfügung. zKurzfassungBasel III wird neue Herausforderungen für die Banken, aber auch für das Autohaus-Management mit sich bringen. Ratings werden nicht mehr primär anhand vergangenheitsbezogener Bilanzen ermittelt, sondern auf Basis einer qualifizierten Betrachtung eines Autohandelsunternehmens für mindestens drei Jahre in die Zukunft. Das bedeutet vor allem:1. die Vorlage einer aussagekräftigen Unternehmensplanung einschließlich einer Mehrjahres-Ertrags- und Liquiditätsplanung 2. den Nachweis effizienter Controlling-Instrumente zur Verfolgung und Nachjustierung der Planzahlen3. Kenntnis der Methoden und Inhalte des Risiko-Screenings der Banken und deren Berücksichtigung bei der Planung und Steuerung des Unternehmens4. Identifikation von (Liquiditäts-)Risiken mittels Stress-Szenarien einschließlich der Bewertung der Risiken und der Ableitung von Maßnahmen.Typisches Mittelstandsportfolio einer BankHandelHandel

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