Ausgabe 01-02/2012: Transparenzgebot

TransparenzgebotArbeitsrecht E Zur Zulässigkeit von Überstunden-Abgeltungsklauseln in Arbeitsverträgen.Autohaus-Juristen Rechtsanwälte G. Haug & PartnerDie juristische Praxis ist sehr häufig mit der Frage konfrontiert, ob in einem Arbeitsvertrag eine Klausel vereinbart werden kann, wonach pauschal sämtliche Überstunden durch das monatliche Bruttoentgelt mit abgegolten sind. Diese Frage war bereits in der Vergangenheit dahingehend zu verneinen, dass einer solchen Pauschalabgeltung jedenfalls die Ordnungsvorschrift des § 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) entgegensteht. Nach dieser Vorschrift darf die wöchentliche Arbeitszeit (neben anderem) 48 Stunden nicht überschreiten. Mit Urteil vom 17. 8. 2011 – 5 AZR 406/10 – hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zuletzt Stellung zur Wirksamkeit von Überstunden-Abgeltungsklauseln genommen. Der FallEin Angestellter war seit Oktober 2006 beim Arbeitgeber beschäftigt. Im Arbeitsvertrag hieß es unter anderem: „Der Mitarbeiter verpflichtet sich, die Tätigkeit gewissenhaft und nach bestem Vermögen zu erfüllen, die Interessen des Arbeitgebers zu wahren und seine ganze Arbeitskraft ausschließlich der vereinbarten Tätigkeit zu widmen. Nebenbeschäftigungen bedürfen der Genehmigung des Arbeitgebers. Der Mitarbeiter erhält für die vertragliche Tätigkeit ein Bruttogehalt in Höhe von 5.833,33 Euro pro Monat. Durch die zu zahlende Bruttovergütung ist eine etwaig notwendig werdende Über- oder Mehrarbeit abgegolten. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich“. Im März 2009 erhielt der Angestellte die ordentliche Kündigung zum Ende Juni 2009. Der Angestellte reichte Klage zum Arbeitsgericht ein, mit welcher er für die seit Beginn des Anstellungsverhältnisses geleisteten 930,33 Überstunden eine Vergütung von 39.362,26 Euro nebst Zinsen verlangte. Das Arbeitsgericht wies die Klage des Angestellten ab. Das Landesarbeitsgericht gab in der Berufung der Klage des Angestellten in Höhe von 30.229,12 Euro statt. Die Revision des Arbeitgebers zum BAG hatte Erfolg, das LAG wurde aufgehoben und die Klage abgewiesen. Entscheidung des BAGNach der Entscheidung des BAG enthält der Arbeitsvertrag weder eine positive noch eine negative Regelung zur Vergütung von Überstunden. Die Vertragsbestimmung, wonach die Über- bzw. Mehrarbeit durch die Bruttovergütung abgegolten sein soll, ist nämlich unwirksam. Es liegt mit dieser Formulierung eine AGB-Klausel vor, die gemäß den gesetzlichen Bestimmungen einer sog. Inhaltskontrolle zu unterziehen ist. Es ist eine Transparenzüberprüfung gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB vorzunehmen. Die streitige Vertragsklausel ist anhand dieser Überprüfung nach Auffassung des BAG nicht klar und verständlich, weil der Umfang der Überstunden im Arbeitsvertrag ebenso wenig bestimmt ist, wie die Voraussetzungen, unter denen Überstunden „etwaig notwendig“ sein sollen. Insbesondere ist aus der Klausel auch keine Begrenzung auf die nach § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeit von 48 Wochenstunden zu entnehmen.Der Arbeitgeber konnte sich somit nicht auf die pauschale Abgeltung von Überstunden berufen. Das BAG kam dennoch zu einer klageabweisenden Entscheidung, weil der Angestellte seine Überstunden nach richterlicher Auffassung letztlich „freiwillig“ leistete. Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die „Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist“. Solche Umstände konnte der Angestellte jedoch nicht darlegen. Den konkreten Fall nahm das BAG zum Anlass, ausdrücklich auszuführen, dass es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, nicht gibt. Ob eine berechtigte „Vergütungserwartung“ besteht, ist gemäß BAG nach folgenden objektiven Kriterien zu beurteilen: Verkehrssitte, Art und Umfang wie auch Dauer der Dienstleistung sowie Stellung der Vertragsparteien zueinander. Auf deren rein persönliche Meinung kommt es hierbei nicht an. Eine Vergütungserwartung kann sich im Weiteren insbesondere daraus ergeben, dass in der betreffenden Branche Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung vorsehen. Darlegungs- und beweisverpflichtet für das Bestehen der Vergütungserwartung ist derjenige, der die Vergütung verlangt, somit der Arbeitnehmer.Transparente KlauselNach der Rechtsprechung des BAG ist eine Vertragsklausel, die eine Pauschalabgeltung von Mehrarbeit regelt, nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Leistungen des Arbeitnehmers von der Überstundenabgeltung erfasst werden sol-len. Anderenfalls wäre es nicht erkennbar, ab wann ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung besteht. Es muss für den Arbeitnehmer seine Leistungspflicht so bestimmt oder wenigstens durch eine konkrete Begrenzung „nach oben“ hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Über-stunden so bestimmbar sein, dass der Arbeitnehmer schon bei Vertragsschluss erkennen kann, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vertragliche Vergütung maximal erbringen muss. Eine Überstunden-Abgeltungsklausel im Arbeitsvertrag muss somit die Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen, die Klausel muss „transparent“ sein. Sinn dieses Transparenzgebots ist es – so das BAG –, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Bei einer unklaren Pauschalierungsklausel bestünde die Gefahr, dass der Arbeitnehmer im Glauben, er habe keinen Rechtsanspruch auf eine gesonderte Überstundenvergütung, seinen Anspruch nicht geltend macht. Anhand der Rechtsprechung des BAG ist für die Zukunft somit eine Pauschalierungsklausel zu empfehlen, die zumindest eine konkrete Begrenzung auf die nach § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden enthält. Auf das ArbZG wäre hierbei direkt Bezug zu nehmen. zRechtsanwalt Rainer Bopp, Fachanwalt für Arbeitsrecht, kanzlei@raehaug-partner.deKurzfassung1. Die Pauschalklausel in einem Arbeitsvertrag, wonach etwaig notwendige Über- oder Mehrarbeit durch die monatliche Bruttovergütung abgegolten sein soll, ist wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Transparenzgebot unwirksam. 2. Eine Überstunden-Abgeltungsklausel ist gem. BAG nur dann klar und verständlich, wenn für den Arbeitnehmer schon bei Vertragsschluss erkennbar ist, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistungen er für die vertragliche Vergütung maximal erbringen muss. 3. Es gibt keinen allg. Rechtsgrundsatz, wonach jede Mehrarbeit grundsätzlich zu vergüten ist. Ob hierfür eine Vergütung berechtigterweise zu erwarten ist, ergibt sich aus Verkehrssitte, Art, Umfang und Dauer der Dienstleistung sowie Stellung der Vertragsparteien zueinander. Einschlägige Tarifverträge sind zu berücksichtigen. Kommentar< Aus dem in vorliegendem Beitrag besprochenen Urteil des BAG ergibt sich kein „Freibrief“ dahingehend, dass in jedem Arbeitsvertrag eine Pauschalklausel vereinbart werden darf, wonach acht Überstunden entsprechend § 3 ArbZG von der Bruttovergütung abgegolten sein sollen. Das BAG hat vorliegend die Abgeltungsklausel deshalb für unwirksam angesehen, weil sie gegen das gesetzliche Bestimmtheitsgebot verstößt und insoweit „intransparent“ ist. Es ist zu berück-sichtigen, dass für die Kfz-Branche Tarifverträge gelten, die Vergütungsregelungen enthalten. Sollten diese Vergütungsregelungen durch die Vereinbarung von Überstundenabgeltung zu weit unterschritten werden, käme eine Unwirksamkeit der Vertragsklausel wegen einer sonstigen „unangemessenen Benachteiligung“ in Betracht. Es gilt also nach wie vor, bei Abfassung von Arbeitsverträgen auf eine Ausgewogenheit zu achten. >

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