Ausgabe 03/2010: Ungleichmäßige Besteuerung

Ungleichmäßige BesteuerungPKW-Privatnutzung E Forderung an die Regierung! Herausforderung für 2010! Rath, Anders, Dr. Wanner & Partner WPGVon umstrittenen Steuersenkungen abgesehen hat sich die neue schwarz-gelbe Bundesregierung im Koalitionsvertrag auf Bürokratieabbau und Vereinfachung des Steuerrechts eingeschworen. Die zu Beginn des Jahres wirksam werdenden Steuererleichterungen werden von der Opposition als Steuergeschenk verteufelt, sind in Wahrheit aber keinerlei freiwillige Wohltaten des Gesetzgebers, sondern allesamt verfassungsrechtlich gebotene und sogar vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angeordnete Steueränderungen! Dies gilt jedenfalls für die Erhöhung des Tarifgrundfreibetrages bei der Einkommensteuer, die Erhöhung der Kinderfreibeträge und parallel dazu die Erhöhung des Kindergeldes sowie die Abzugsfähigkeit von Vorsorge und Krankenkassenbeiträgen von der Einkommensteuer – alles abgeleitet aus der Forderung, das Existenzminimum steuerfrei zu belassen!1 %-Regelung verfassungswidrig?Wir haben bereits öfter ausgeführt, dass die 1 %-Regelung mit ihrer Pauschalierung, gemessen am steuerrechtlich zu beachtenden Gleichheitsgrundsatz, verfassungswidrig sein dürfte: Der Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Grundgesetz erfordert, gleich gelagerte Sachverhalte auch gleich zu besteuern bzw. grob unterschiedliche Sachverhalte auch steuerlich zu differenzieren, so dass der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht verletzt wird – so gerade die Rechtsprechung des BVerfG. Die so genannte 1 %-Regelung, wonach bei der privaten Nutzung von betrieblichen Fahrzeugen – sei es durch Arbeitnehmer oder den Unternehmer selbst – pauschal die private Nutzung mit 1 % pro Monat vom Listenpreis des Fahrzeugs bewertet wird, wird bei zahlreichen verschiedenen Sachverhalten diesem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit keinesfalls gerecht. Beispiel 1:Der Unternehmer U überlässt dem Arbeitnehmer A einen nagelneuen Pkw mit den Anschaffungskosten von 50.000 Euro auch zur privaten Nutzung. Dem Angestellten B, der nicht wie A der Führungsmannschaft angehört, wird ein sieben Jahre alter Pkw, der seinerzeit ebenfalls einen Listenpreis von 50.000 Euro gehabt hatte, überlassen. Jedem dürfte einleuchtend sein, dass der Nutzungswert des sieben Jahre alten Pkw erheblich geringer ist als der des neuen Pkw, der dem A überlassen wird. Auch wenn man die Nutzung beider Fahrzeuge bei einem Mietwagenunternehmen einkaufen müsste, würde mit Sicherheit der Pkw des A eine erheblich höhere Mietwagenrechnung verursachen als der sieben Jahre alte Pkw des B. Beide müssen jedoch denselben Wert als Privatnutzungsanteil versteuern, nämlich monatlich 1 % aus 50.000 Euro!Beispiel 2:Unternehmer U hat keinerlei Beziehungen hinsichtlich des Fahrzeugeinkaufs und erhält für 45.000 Euro ein Fahrzeug mit einem Listenpreis von 50.000 Euro. Der herstellernahe Unternehmer H erhält für 45.000 Euro ein Fahrzeug mit einem Listenpreis von 80.000 Euro. Beide Unternehmer überlassen diese Fahrzeuge nunmehr ihren Arbeitnehmern zur privaten Mitnutzung. Der Arbeitnehmer von U muss nun 1 % aus 50.000 versteuern, der Arbeitnehmer von H 1 % von 80.000 Euro pro Monat. Aus der Sicht der Arbeitnehmer mag dies zwar gerechtfertigt sein, weil die Pkw entsprechende unterschiedliche Listenpreise haben. Betrachtet man jedoch die Besteuerung aus der Sicht der Kostenbelastung, so haben beide Fahrzeuge bei den Arbeitgebern dieselben Kosten ausgelöst, führen jedoch zu grob unterschiedlichen Einnahmen des Staates. Nachdem die Nutzungswertversteuerung auch die Kostenbelastung des Arbeitgebers ausgleichen soll, findet somit in beiden Fällen eine völlig unterschiedliche Kosten-„Erstattung“ an den Fiskus statt, obwohl beide Pkw bei den Unternehmern dieselben Kosten auslösen.Beispiel 3:Der Unternehmer U hat ein Faible für Oldtimer. Er schafft sich für 100.000 Euro einen Oldtimer an, der aufgrund der Geldentwertung (Inflation) seinerzeit nur einen Listenpreis von 20.000 Euro gehabt hatte. Dieser Wagen wird nun auch für die private Lebensführung mit genutzt. Aufgrund der 1 %-Regelung hat dieser Unternehmer nur 1 % aus 20.000 Euro pro Monat zu versteuern, obwohl dieser Pkw ganz erheblich höhere Kosten, nämlich Anschaffungskosten für 100.000 Euro ausgelöst hat!Altes Urteil des BVerfGGleichwohl hat das BVerfG anhand des zweiten Beispiels die 1 %-Regelung vor Jahren als verfassungsgemäß angesehen, weil es davon ausgegangen ist, dass die Gleichmäßigkeit der Besteuerung der Arbeitnehmer – wie Beispiel 2 zeigt – auch die gleiche Nutzungswertbesteuerung bei den Arbeitnehmern auslösen soll. Da sich der Wert eines Fahrzeugs jedoch am besten anhand der Listenpreise vergleichen ließe, sei die Versteuerung nach den Anschaffungskosten gegenüber der Versteuerung nach der Listenpreismethode eher verfassungswidrig, so das BVerfG. Deswegen wurde die Listenpreismethode als Pauschalierungsmöglichkeit des Gesetzgebers akzeptiert. Dass diese Argumentation jedoch keinesfalls schlüssig ist, zeigen die Beispiele 1 und 3: Gemessen am Beispiel 1 ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit Sicherheit nicht mit der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers vereinbar. Der an den Arbeitnehmer B überlassene alte Pkw hat einen ganz entscheidenden niedrigeren Nutzungswert, so dass im Beispiel 1 die Gleichmäßigkeit der Besteuerung der Arbeitnehmer auf der Strecke bleibt. Dies wird jedem Branchenkenner, aber auch Käufer eines neuen Pkw sofort klar, wenn man den Preisverfall eines Pkw während seiner Laufzeit betrachtet: In den ersten drei Jahren der Nutzungsdauer eines Pkw tritt regelmäßig der größte Wertverfall ein, während sich in späteren Jahren der Wertverfall regelmäßig stark verlangsamt. Hinzu kommt in Anlehnung an den Preisverfall auch die Tatsache, dass ein entsprechend alter Pkw, würde er erst mit einem Alter von sechs Jahren vom Unternehmen gekauft, durch die entsprechend niedrigeren Anschaffungskosten auch erheblich weniger Finanzierungskosten auslöst als ein neuwertiger Pkw. Und wie sähe dann das BVerfG die Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Beispiel 3 gesichert?Forderungen an den GesetzgeberRedet man mithin von Strukturreform, Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung, dann kann die Branche nur eine Forderung an den Gesetzgeber richten: 1. Weg mit der Besteuerung nach dem Listenpreis, weil die Listenpreisermittlung erheblich schwieriger und verwaltungsaufwändiger ist als die Berücksichtigung der tatsächlichen Anschaffungskosten aus der Buchhaltung des Unternehmens. 2. Dem Alter der Fahrzeuge entsprechend müsste bei der Nutzungswertbesteuerung durch eine Staffelung Rechnung getragen werden: Pro Jahr der Nutzung des Fahrzeuges könnte die Nutzungswertbesteuerung um 10 % aus dem Betrag des Erstjahres gekürzt werden, somit wären im ersten Jahr 100 %, im zweiten Jahr 90 %, im dritten Jahr 80 % (usw.) anzusetzen, um dann bei 20 % als Sockelbetrag konstant zu bleiben. 3. Unter diesen Prämissen ist die Nutzungswertbesteuerung mit 1 % der Anschaffungskosten beizubehalten, wirkt marktbelebend und deshalb zugleich steuerneutral! Michael Böhlk-LankesRechtsanwaltSteuerberatermuc@raw-partner.deKommentar< Die Vorteile der Änderungsvorschläge müssten doch jedem Politiker einleuchten: Trotz Absenkung der Kfz-Nutzungswertbesteuerung anhand der Anschaffungskosten und der Berücksichtigung der Dauer der Nutzung durch 10 %ige Abschläge wird die Regelung voraussichtlich steuerneutral sein, da es zu einer erheblichen Zunahme von Nutzungswertbesteuerungen führen wird. Diese Änderung würde nämlich auch als Konjunkturstütze zur Belebung des Kfz-Handels wirken, was nach Ablauf der Abwrackprämie dringend erforderlich wäre. Eine zusätzliche Nachfragebelebung des Gebrauchtfahrzeugabsatzes macht wiederum Platz für den Vertrieb von Neufahrzeugen, außerdem wird die Hemmschwelle von Unternehmen und auch Mitarbeitern, Fahrzeuge den Mitarbeitern auch für private Mitnutzung zu überlassen und zu versteuern, durch eine mäßigere Nutzungswertbesteuerung doch erheblich gesenkt. Daher unser Appell an die Politiker: Fangt mit eurer versprochenen Strukturreform bei der 1 %-Besteuerung an, mit unseren Vorschlägen wird sie durchaus gerechter, plausibler und wird an Akzeptanz gewinnen! >

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