Ausgabe 22/2013: Verwandtendarlehen

Wir hatten an dieser Stelle schon öfter unter dem Titel "Strafsteuer für Opa" (Heft 6/2010) sowie "Strafsteuer für Eigenkapital" (Hefte 12/2008 und 8/2010) auf eine Steuerungerechtigkeit hingewiesen, die nun in zahlreichen Nuancen den Bundesfinanzhof (BFH) - Deutschlands oberstes Steuergericht - erreicht haben.Worum geht es?Mit Einführung der Abgeltungsteuer in Höhe von pauschal 25 Prozent auf Kapitaleinkünfte aus privaten Kapitalanlagen ist dieser besondere Steuersatz oftmals von Vorteil, wenn ansonsten ein höherer Steuersatz bis zum Spitzensteuersatz von 42 Prozent oder gar der "Reichensteuer" von 45 Prozent zuzüglich Soli bestehen würde. So hatten Politiker schon bei der Einführung dieser pauschalen Abgeltungsteuer Bedenken, dass in der Praxis mit allen Mittel versucht werde, durch Gestaltungen von der normalen, höheren Besteuerung in die günstigere Abgeltungsteuer zu wechseln.So könnte man versucht sein, hohe Gewinne im Unternehmen, die durch einen großen Eigenkapitaleinsatz entstehen, dadurch zu mindern, dass das Kapital abgezogen, zinsbringend angelegt wird und die Gewinne im Unternehmen dadurch gemindert werden. Auf die Zinserträge würde dann statt der normalen Gewinnbesteuerung nun nur die Abgeltungsteuer anfallen. Die in der Praxis oftmals kritische Frage ist, ob die gewählte Gestaltung dann auch vom Gesetz gebilligt wird oder aber quasi missbräuchlich zur Ausnutzung eines Steuervorteils dient. Dies zeigt folgendes Beispiel: Der Unternehmer zieht sein Eigenkapital aus dem Unternehmen ab (Entnahme), leiht das Geld seinem Ehepartner, dieser wiederum gibt dem Unternehmen ein verzinsliches Darlehen. Während die Darlehenszinsen, die das Unternehmen an den Ehepartner zahlt, wie im Normalfall als Betriebsausgaben abzugsfähig sind und den vollen Steuersatz des Gewinnes mindern, wären die privat vom Ehepartner erzielten Darlehenszinsen dem Grunde nach nur mit der Abgeltungsteuer belastet. Solch eine Steuersatzminderung ist unserem Bundesfinanzminister natürlich ein Dorn im Auge."Nahestehende Personen"Diese Steuersatzspreizung wollte schon der Gesetzgeber in solch missbräuchlichen Fällen vermeiden und hat daher eine Klausel ins Gesetz geschrieben, wonach die Abgeltungsteuer insbesondere dann nicht gilt, wenn es sich bei Darlehensgeber und Darlehensnehmer um "nahestehende Personen" handelt. Dies hat nun zu dem Streit geführt, ob bereits allein das Bestehen eines Verwandtschaftsverhältnisses zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer die Anwendung der Abgeltungsteuer ausschließt. Dies hatten wir als "Strafsteuer für Opa" verneint, da eine höhere Steuerbelastung allein auf Grund eines Verwandtenverhältnisses sowohl gegen Art. 3 "Gleichheitsgrundsatz" als auch gegen Art. 6 Grundgesetz (besonderer Schutz von Ehe und Familie) verstoßen würde.Diverse FG-EntscheidungenZu solchen Fragen sind nunmehr bereits etliche Entscheidungen von Finanzgerichten (FG) ergangen, und es haben mittlerweile zahlreiche Sachverhaltsvarianten den BFH erreicht. Dabei gibt es FG-Entscheidungen, die so offensichtlich falsch sind, dass sie der BFH sicher wird aufheben müssen. Auf jeden Fall wird der BFH aber auch zwangsläufig zu der Frage Stellung nehmen, ob allein ein Verwandtschaftsverhältnis z. B. von Eltern und Großeltern zu volljährigen, wirtschaftlich unabhängigen Kindern und Enkeln solch eine "Strafsteuer" auslösen kann. Bspw. hat das FG München in einem Fall zu Lasten der Steuerpflichtigen entschieden, weil ansonsten "Gewinne abgesaugt" würden, nur um in den Genuss der Abgeltungsteuer zu kommen. Dabei hat es sich bei dem vom FG entschiedenen Fall gar nicht um Unternehmensgewinne gehandelt, sondern der Vater hatte seine überschüssigen privaten liquiden Mittel seiner Ehefrau und seinen Kindern geliehen, die damit ein Vermietungsobjekt erwarben.Fälle beim BFHAuch dieser Fall ist mittlerweile beim BFH angelangt, der gleich mehrfach interessante Aspekte aufzeigt: Während das Darlehensverhältnis mit der Ehefrau tatsächlich ein Steuersatzgefälle, also eine Steuersatzspreizung eintreten lässt, weil der Ehemann die Zinseinnahmen der Abgeltungsteuer unterwerfen möchte, während die Ehefrau die Schuldzinsen bei der Vermietung als Werbungskosten zur Minderung des vollen Steuersatzes in Abzug bringt, ist beim Darlehen von Vater an Sohn überhaupt keine Steuersatzspreizung eingetreten, weil der Sohn in dem Streitjahr nur geringfügige steuerpflichtige Einnahmen hatte. Hätte es der Vater als Kläger nur auf die Steuersatzminderung innerhalb der Familie abgesehen, hätte er vielmehr seinem Sohn das Geld ohne Zinsen leihen müssen, um nicht die Zinsen des Sohnes versteuern zu müssen.Weitere beim BFH anhängige Fälle betreffen zum Beispiel Darlehensgewährung an eine GmbH, deren Inhaber die Tochter und Enkelkinder der Darlehensgeberin sind, sowie Darlehen eines Steuerberaters (Kläger) an seinen Berufskollegen, der damit den Einstieg in die Gesellschaft des Klägers finanzierte. Somit hat der BFH über zahlreiche Varianten zu entscheiden, ob, und wenn ja, wann in solchen Fällen ein "Nähe"verhältnis die Abgeltungsteuer ausschließt. Möglicherweise hat aber auch das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort - jedenfalls dann, wenn der BFH zu Lasten der "Verwandtendarlehen" entscheiden würde.Kurzfassung1. Darlehenszinsen, die auf der einen Seite als Werbungskosten oder Betriebsausgaben die Einkünfte des Darlehensnehmers mindern, auf der anderes Seite beim Darlehensgeber der Abgeltungsteuer unterliegen sollen, sind dem Fiskus ein Dorn im Auge.2. Mit der generellen Einführung einer pauschalen Abgeltungsteuer hat der Gesetzgeber eine steuerliche Entlastung eingeführt, die unter Berücksichtigung der inflationären Geldentwertung jedenfalls berechtigt und gerecht ist, um einer Übermaßbesteuerung von Zinsen entgegenzuwirken.3. Von dieser Begünstigung Zinseinnahmen nur deshalb auszuschließen, weil zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer ein Verwandtschaftsverhältnis besteht, lässt sich keinesfalls verfassungsrechtlich rechtfertigen.KommentarAndreas Drost Wirtschaftsprüfer, Steuerberater www.raw-partner.deÜber so manche Perversionen des Steuerrechts haben wir an dieser Stelle oft berichtet. Da solche gesetzgeberischen Konstruktionsfehler auf Grund der Komplexität und Kompliziertheit unseres Steuerrechts für die breite Öffentlichkeit kaum zu überblicken sind und auch den meisten Politikern die Fachkenntnis fehlt, sind es weder Themen von Wahlkämpfen noch Inhalt von Koalitionsverhandlungen. So wird das Thema Steuergerechtigkeit allenfalls unter dem Blickwinkel der Steuerflucht (Schweiz, Steueroasen etc.) betrachtet, nicht aber mit den Themen einer in Deutschland möglichen Übermaßbesteuerung und der Bestrafung von Verwandtschaftsverhältnissen.Anstatt über Steuererhöhungen nachzudenken, stünde es den Politikern besser zu Gesicht, endlich den Steuerdschungel zu lichten, sprich die Steuergesetzgebung zu vereinfachen. Dass das Gegenteil passiert, zeigen bereits die von Jahr zu Jahr umfangreicheren Steuererklärungsformulare. Damit aber ist die Politik auf dem Holzweg! Bleibt in so manchen Fällen nur zu hoffen, dass wenigsten die obersten Richter dem Fiskus die verfassungsrechtlichen Grenzen aufzeigen.

Ausgabe 22/2013: Verwandtendarlehen

MEISTGELESEN

Stellantis Deutschland: Schlüsselposition unter neuer Leitung

Mercedes, BMW & Co.: Das sind die Hauptsorgen der deutschen Premiumhersteller

Exklusiv – Marktaustritt nach zehn Jahren: Yareto stellt Betrieb ein

STELLENANGEBOTE

Sachbearbeiter (m/w/d) Großabnehmer

Account Manager (w/m/d) Full-Service Leasing Automotive im Außendienst für unsere Vertriebskooperation Ford Fleet Management Vertriebsregion Süd (Baden-Württemberg, Bayern) im Homeoffice

Kfz.-Mechatroniker (m/w/d)

Serviceberater (m/w/d)

NEWSLETTER