Ausgabe 21/2008: Von doris Plate

1. Fabrikatshändlerkongress / Rund 700 Teilnehmer waren nach Frankfurt gekommen, um auf die Probleme unserer Branche hinzuweisen. PremiereVon doris PlateWir haben einen guten Eckpfeiler eingeschlagen." So das Resümee von ZDK-Geschäftsführerin Antje Woltermann zum 1. Fabrikatshändlerkongress in Frankfurt. Auch ZDK-Vizepräsident Ulrich Fromme sieht sich auf dem richtigen Weg: "Es waren zwar noch nicht so viele Besucher, wie ich mir erhofft hatte, aber genügend, um einen zweiten zu machen." Der Initiator des Kongresses ist überzeugt, dass der Verband sich mehr öffnen und ins Gespräch mit den Mitgliedern kommen muss. Gelegenheit dazu gab es in Frankfurt. 700 Teilnehmer zählte man zur Premiere, die meisten waren voll des Lobes: "Diese Veranstaltung müsste Pflicht für jeden Händler sein", brachte es ein Gast auf den Punkt. Auch der amerikanische Fabrikatshändlerpräsident Phil Brady rät den deutschen Kollegen auf diesem Weg weiterzumachen: "Auch wir finden in den USA nur Gehör, weil unsere Regierung weiß, dass 94 Prozent der Autohändler hinter unserem Verband NADA stehen" (siehe Interview auf Seite 20).Gerechte LastenverteilungIn seiner Grundsatzrede forderte Ulrich Fromme eine gerechtere Lastenverteilung zwischen Händler und Hersteller, Stichwort "Neues Geschäftsmodell". Fromme richtete aber auch Appelle an die Politik: An die Bundesregierung, endlich die CO2-basierte Kfz-Steuer zu verabschieden und mehr in Straßen zu investieren, an die EU-Kommission, die Kfz-GVO beizubehalten. Er prangerte die steigende Zahl der Direktverkäufe der Hersteller an – mit einer Million inzwischen ein Drittel der Zulassungen. Und er sieht dringenden Gesprächsbedarf in Sachen Finanzierung und Leasing. Trotzdem: "Mit Trübsinn gibt es keine Power", man müsse die Probleme gemeinsam lösen.Professor Tim Nash von der Northwood University riet in seinem Vortrag, die Möglichkeiten von Telematik mehr zu nutzen, Gebrauchtwagen nach Zentral- und Osteuropa zu verkaufen und den Kunden auch in schlechten Zeiten gute Angebote zu machen. "Wenn die Wirtschaft sich wieder erholt, werden diese Kunden das mit Loyalität danken." Investition in gutes PersonalDie Investition in gutes Personal ist für ihn ebenfalls ganz wichtig: "Es ist die schlechteste Zeit, um hier zu sparen. In schwierigen Zeiten kann man nur mit gutem Personal die Einbrüche möglichst gering halten."Aufmunternd war auch der Vortrag von Andreas Steinle vom Zukunftsinstitut: Er sah einen Trend vom passiven Konsumenten zum "aktiven Prosumenten" und riet den Händlern zur Spezialisierung. Ob Handtaschenversicherung, Angebote für Hundehalter oder "Psychosoziales Tuning", sein Credo war: "Schnick-schnack bringt Geld." Anders ausgedrückt: Wenn es passt, ist der Kunde bereit mehr auszugeben. Sein Beispiel: Der Kunde zahlt für ein gewöhnliches Kilo Kaffee 5,80 Euro, für dieselbe Menge Nespresso aber 68 Euro. Verkauft wird das Lebensgefühl.Interessiert verfolgten die Händler auch den Vortrag von Andreas Barchetti vom Mehrmarken-Autohaus Autocity in Bozen (siehe Seite 32). Mit seinem Satz: "Marke macht man durch Emotion und nicht durch Standardkontrolle" sprach er vielen aus der Seele. Seine Warnung: IT-Probleme und Controlling sollten bei Mehrmarkenlösungen nicht unterschätzt werden.Händlerschutz ist wichtigGewohnt überzeugend und stark war der Auftritt von Prof. Dr. Willi Diez. Der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft schrieb dem darauf folgenden Redner Dr. Stephan Simon von der EU-Kommission ins Stammbuch: "Händlerschutz hat sehr viel mit Wettbewerb zu tun." Er forderte für die Kfz-GVO Kontinuität und Vertrauensschutz und warnte vor einer Kehrtwendung in der Wettbewerbspolitik. "Jedes Geschäftsmodell braucht einen verlässlichen rechtlichen Rahmen", so Diez. Und: "Ein starker Händler kann mit einem Hersteller anders reden als ein schwacher."Simon ging zwar sehr eloquent auf diese Vorlage ein, gab aber nur einen sehr vagen Ausblick. Lediglich bestimmte Inhalte der Kfz-GVO würden nach seinen Ausführungen in jedem Fall beibehalten werden. Dazu gehörten der Zugang zu technischen Informationen, Ersatzteilemarkt, Zugang zum Netz der Vertragswerkstätten und Parallelhandel. Händlerschutz sei aber noch in der Diskussion. Die letzte Entscheidung träfe das Gremium der Kommissare. Im März 2009 werde diese voraussichtlich verkündet. Dabei bestünden folgende Optionen: 1. Die Kfz-GVO bleibt, 2. Sie läuft aus, 3. Es gibt eine Zwischenlösung: Schirm-GVO plus Leitlinien. Die anwesenden Händler forderten aber vehement die Fortführung der derzeitigen Kfz-GVO. In der Podiumsdiskussion unter der Leitung von AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel machten sie das sehr deutlich. Hersteller neben dem ThemaNeben dem Thema waren leider die Vorträge der beiden Hersteller-Vertreter. Während Ford-Chef Bernhard Mattes eine Werbeveranstaltung für seine Marke präsentierte, referierte GM-Europa-Chef Carl-Peter Forster über GM-Initiativen für umweltverträgliche Mobilität. Mattes betonte zwar, dass sein Fabrikat als einziger Hersteller für die Fortsetzung der Kfz-GVO plädiere, der GM-Chef äußerte sich aber gar nicht über die Hersteller-Händler Beziehung. Forster verstärkte hingegen die Forderung an die Politik, endlich die Verunsicherung zu beenden, und verlangte: "Wir brauchen ein mittel- und langfristiges Verkehrs- und Mobilitätskonzept." Nur dann könnten sich die Automobilproduzenten auf eine Marschrichtung einstellen und die "richtigen" Autos produzieren. Derzeit wollten die Kunden zwar etwas für die Umwelt tun, aber möglichst nichts dafür bezahlen. ZDK-Präsident Robert Rademacher brachte es zum Abschluss auf den Punkt: "Man soll den Kopf nicht hängen lassen, wenn einem das Wasser bis zum Hals steht." Weiter kämpfen ist das Gebot der Stunde. Die Branche muss ihre Forderungen an die Hersteller klar formulieren. Vielleicht gibt es dann beim nächsten Fabrikatshändlerkongress am 21. und 22. Oktober 2010 schon mehr Systempartnerschaft. ForderungenDie drei wichtigsten Forderungen an die Politik:1. Schnelle Entscheidung über CO2-basierte Kfz-Steuer2. Verlängerung der Kfz-GVO3. Auch kleine und mittlere Unternehmen leben lassen Die drei wichtigsten Forderungen an die Hersteller:1. Gerechte Verteilung der Lasten 2. Keine Leasing- und Finanzierungsgeschäfte zu Lasten der Händler3. Schluss mit Direktverkäufen1. Fabrikatshändler-kongress / Positive Impulse vom NADA-Präsidenten aus USA: Den Kunden auch in schwierigen Zeiten gute Angebote machen und gemeinsam Stärke zeigen. RatschlagVon Doris PlateDie Amerikaner machen es vor. Ihr NADA-Kongress war Vorbild für den 1. Fabrikatshändlerkongress. Ihr Präsident Phil Brady war nach Frankfurt gekommen, um seine Solidarität zu zeigen. Wie die amerikanischen Autohändler mit ihren Problemen umgehen und warum sie Gehör bei ihrer Regierung finden, erläuterte er im Gespräch mit AUTOHAUS-Redakteurin Doris Plate.AH: Mister Brady, wie geht es derzeit dem amerikanischen Markt?P. Brady: Wir hatten in diesem Jahr schon schwere Zeiten erwartet und rechneten mit 14,1 Millionen Verkäufen in 2008. Nach dem Börsencrash vom 29. September müssen wir unsere Prognose für dieses Jahr aber nochmals nach unten korrigieren und erwarten jetzt nur etwa 13,5 Millionen Neuzulassungen. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 hatten wir noch 16,9 Millionen Neuwagenverkäufe in USA. Das zeigt, wie dramatisch der Einbruch ist. AH: Was erwarten Sie für 2009?P. Brady: Wir hoffen, dass die Nachfrage wieder anzieht und die Wirtschaft sich wieder fängt, so dass wir mindestens die 13,5 Millionen Neuzulassungen halten können und hoffentlich wieder mehr verkaufen. Die meisten Experten erwarten aber, dass es länger dauern wird, bis wir uns wieder erholen. Kaufen statt LeasingAH: Einige amerikanische Hersteller haben sich schon aus dem Leasing-Geschäft verabschiedet, weil das Restwertrisiko zu groß geworden ist und in den USA die Hersteller dieses tragen müssen. Wie gehen die Händler damit um?P. Brady: Es ist eine weitere Herausforderung, weil Kunden in die Autohäuser kommen, die bisher geleast haben und enttäuscht sind, wenn sie hören, dass das nicht mehr so leicht geht. GMAC zum Beispiel hat sehr viel Leasing gesponsert und sich jetzt zurückgezogen. Die Händler versuchen den Kunden aber klar zu machen, dass jetzt eine sehr gute Zeit ist, um zu kaufen. Unsere Botschaft ist: "Ja, es ist eine Zeit der großen Herausforderungen für Händler, für die Kunden ist es aber eine großartige Zeit, um zu kaufen." Sie können jetzt so manches Schnäppchen machen. AH: Aber wie können die Kunden denn kaufen, wenn sie kein Geld haben und die Banken nicht finanzieren?P. Brady: Ja, der Finanzierungsanteil in USA ist weit höher als in Deutschland, aber es gibt nicht nur die Captives. Unabhängige Banken machen jetzt interessante Angebote, auch die regionalen Finanzpartner der Autohändler können für Autogeschäfte gewonnen werden. Unsere Botschaft an die Kunden ist: Wir haben gute Angebote für dich – gerade jetzt. Es könnte zwar etwas schwieriger sein, eine Finanzierung zu bekommen, aber wir werden das schaffen.AH: Was halten Sie von diesem Kongress?P. Brady: Es ist eine tolle Initiative, die Händler aller Marken hier zusammenzubringen. In Deutschland ist es wohl üblich, nur Versammlungen innerhalb der einzelnen Marken abzuhalten. In den USA sind wir aber stolz darauf, dass 94 Prozent der Autohändler Mitglied in der NADA (National Automobile Dealers Association) sind. Natürlich gibt es auch bei uns Veranstaltungen nur für einzelne Marken, die nur die Händler dieses Fabrikats interessieren. Aber es gibt so viele Themen, die alle gleichermaßen angehen, wo sie voneinander lernen können. Und es ist eine Demonstration der Stärke gegenüber der Regierung und auch gegenüber den Herstellern mit einer solchen Veranstaltung aufzutreten.Engagement lohnt sichAH: Was raten Sie den deutschen Händlern?P. Brady: An dieser Tagung teilzunehmen und sich in dieser Organisation zu engagieren. Denn der Verband kann die politischen Entscheidungen nur beeinflussen, wenn die Politik weiß, dass er die Interessen aller Autohändler vertritt. Wir können nur Gehör finden, weil unsere Regierung weiß, dass 94 Prozent der Autohändler in USA Mitglied bei NADA sind.AH: Mister Brady, herzlichen Dank für das Gespräch.

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