Ausgabe 07/2008: Weichen stellen

Beratung / Durch Anpassung der Serviceprozesse konnte das Autohaus Huster Produktivität und Leistungsgrad deutlich erhöhenWeichen stellenvon Sabine TilpEigentlich hätte man sich im Autohaus Huster relativ entspannt zurücklehnen können: Bundesweit belegte das Unternehmen innerhalb seiner Gruppe Platz 2 in Sachen Kundenzufriedenheit, im Service wurden eine Produktivität von 88 Prozent und ein Leistungsgrad von 101 Prozent erreicht. Die Geschäftsführer Ulrich Kühnert und Gerd Winkler: "Wir waren dennoch Ende 2006 an dem Punkt angelangt, dass mit unseren bestehenden Abläufen die maximal mögliche Produktivität erreicht und keine Steigerung mehr möglich war." Deshalb wollte man die Weichen neu stellen und gemeinsam mit der Unternehmensberatung b-k-p Consulting GmbH die Prozesse im Service optimieren. Rund 350.000 Euro Verbesserungspotenzial wurden im Vorfeld identifiziert, das nicht durch Kosteneinsparungen, sondern über Mehrerlöse und Steigerung der Produktivität und des Leistungsgrades (6 bis 9 Prozent je nach Betrieb) durch die verschiedenen Maßnahmen erreicht werden sollte. Die "Entlohnung" der Berater, die das Projekt nachhaltig begleiten, erfolgt dabei übrigens rein auf Erfolgsbasis. Neues Fünf-Schicht-ModellBereits seit 1995 hat das Autohaus Huster lange Service-Öffnungszeiten: montags bis freitags von 6.00 bis 22.00 Uhr, samstags 7.30 bis 16.00 Uhr. Gearbeitet wurde einschließlich Serviceannahme und Lager im klassischen 2-Schicht-System, das wochenweise getauscht wurde. Ulrich Kühnert. "Dadurch, dass auch die so genannten Randzeiten voll besetzt waren, entstand einerseits Leerlauf in der Werkstatt, in den Kernzeiten wiederum Engpässe." Deshalb wurde für den gesamten Kundendienstbereich ein komplett neues, an den zeitlichen Bedarf angepasstes pulsierendes Fünf-Schicht-Modell eingeführt. Mit zwei versetzten Frühschichten, einer Mittelschicht und wiederum zwei versetzten Spätschichten, die sich über alle After-Sales-Bereiche erstrecken, konnten die Leerlaufzeiten deutlich gesenkt werden. Trotzdem sind Schwankungen bei der Werkstattauslastung nicht zu verhindern, durch die lange Werkstattarbeitszeit ist zudem erst relativ spät am Tag ersichtlich, inwieweit Überhänge auf den Folgetag übertragen werden müssen. Gerd Winkler: "Wir nutzen das Werkstattplanungssystem WPS von HRF für die gesamte Planung und fahren damit sehr gut. Dennoch ist es notwendig, die Arbeitszeit der Mechaniker flexibel an die tatsächliche Auftrags- und Auslastungslage anzupassen, weshalb wir zusätzlich mit Gleitzeitkonten arbeiten."Optimierter TeiledienstMechaniker-Leerlaufzeiten, die sich negativ auf die Produktivität im Service auswirken, entstanden im Autohaus Huster u. a. auch im Teilebereich. Gemeinsam mit b-k-p wurden auch hier die Prozesse angepasst, sodass z. B. durch die Vorkommissionierung von Teilen für Kundenaufträge die Wartezeiten bei der Teileausgabe deutlich gesenkt werden konnten. Darüber hinaus wurde das Lager entsprechend umgebaut, sodass die Teiledienstmitarbeiter die so genannten "Top 300-Teile", die etwa 75 Prozent des Umsatzes ausmachen, im Schnellzugriff haben. Die Teileverfügbarkeit konnte zudem verbessert werden, indem DMS-seitig die Teileverbrauchsmeldung auf den aktuellen Tag vorverlegt und damit die Nachlieferung um einen Tag vorgezogen wurde. Durch den Einsatz der Software "Atbas", die für die VW-Konzernmarken entwickelt wurde (www.atbas.de), und des entsprechenden Scannersystems konnte zudem der Aufwand in den Abläufen der Bestellannahme, Kommissionierung und AT-Teile-Abwicklung gesenkt werden.Ein Zeitfresser im Autohaus Huster war auch das Thema Öl. Früher bekamen die Mechaniker das Öl vom Teiledienst zum Fahrzeug geliefert, mussten jedoch im Vorfeld zum Lager laufen, warten, Bescheid geben. B-k-p-Geschäftsführer Thomas Kremer: "Natürlich bewegen wir uns hier im Minutenbereich, der sich aber täglich zu unproduktiven Stunden summiert." Durch den Einbau einer Ölanlage mit einer zentralen Entnahmestelle in der Werkstatt konnten die Produktivität der Mechaniker erhöht und die Ressourcen der Teledienstmitarbeiter entlastet werden.Mit der Umstrukturierung von Prozessen einher geht häufig auch das Thema Mitarbeiterfreisetzung. Im Autohaus Huster betraf dies einen Teiledienstmitarbeiter, der jedoch nicht entlassen wurde, sondern einen neuen Aufgabenbereich bekam. Ulrich Kühnert: "Dieser Mitarbeiter ist für den NORA-Bereich, der früher bei uns mehr oder weniger komplett brachlag, verantwortlich und betreut heute – auch im Außendienst – Großkunden und Fremdwerkstätten im Bereich Teile. Darüber können wir zusätzliche Umsätze und Erträge erwirtschaften."Dies gelingt im Autohaus Huster auch durch die konsequente Direktannahme. Selbstkritisch gesteht Ulrich Kühnert: "Hier haben wir in der Vergangenheit sehr viel Potenzial verschenkt. Die Veränderung der Prozesse und eine deutliche Erhöhung der Direktannahmequote haben bereits im ersten halben Jahr zu einer Steigerung der Lohn- und Teileumsätze von 26 Prozent geführt." Neben der in Zahlen messbaren Steigerung sieht Kühnert auch weitere positive Effekte: Der gesamte Prozess, so erklärt er, ist durch die direkte Kommunikation mit dem Kunden deutlich schlanker geworden – notwendige Reparaturen können mit dem Kunden sofort besprochen werden, sodass (vergebliches) Nachtelefonieren und Rücksprachen deutlich weniger Zeit binden. Durch das "Erlebnis Direktannahme" wiederum erhöht sich die Kundenbindung, zudem, so Kühnert, können aktiv zusätzliche Leistungen verkauft werden.Aktuelle ZahlenUnerlässlich für die erfolgreiche Umsetzung von Veränderungen ist aussagekräftiges Zahlenmaterial. Die für die Werkstattsteuerung erforderlichen Kennzahlen waren im Autohaus Huster schon seit über 10 Jahren gängiges Werkzeug für die Geschäftsleitung – allerdings auf Monatsbasis, wodurch zeitnahes Reagieren auf Entwicklungen nur sehr eingeschränkt möglich war. Ulrich Kühnert: "Produktivität und Leistungsgrad stehen im Fokus. Wir erfassen die relevanten Zahlen heute auf täglicher Basis, können die Ergebnisse bis auf Mitarbeiterebene herunterbrechen. Zudem werden die Kennzahlen jetzt regelmäßig in wöchentlichen Besprechungen auf Abteilungsleiterebene und auch mit den Mechanikern analysiert. Dadurch ist das gesamte System für die Mitarbeiter nachvollziehbar."Verändert wurde in diesem Zuge auch die Entlohnung der Serviceberater und Meister. Während die Mechaniker unverändert Leistungslohn erhalten, haben für Werkstattmeister und Serviceberater seit 2007 sowohl Leistungsgrad als auch Produktivität Einfluss auf die Entlohnung.Mitarbeiter einbeziehenAn oberster Stelle stand bei allen Maßnahmen, die Autohaus-Mitarbeiter einzubinden. Moritz Mattes, Projektleiter b-k-p: "Veränderungen im Arbeitszeit- und Entlohnungsmodell sind die für die Mitarbeiter sensibelsten Themen. Gemeinsam mit Frank Nitschmann, dem Serviceleiter des Autohauses, haben wir die Mitarbeiter in Dreiergruppen über anstehende Maßnahmen und die Hintergründe informiert. Nur dann, wenn auf Mitarbeiterseite die entsprechende Einsicht in und Verständnis für die Notwendigkeit der Veränderungen da ist, werden sie auch mitgetragen und gelebt." Dazu gehört auch, dass der Veränderungs- und Verbesserungsprozess keine projektbezogene Eintagsfliege ist, sondern nachhaltig im Unternehmen etabliert und fortgesetzt wird – ein klares Führungsthema. Ulrich Kühnert: "Durch die Einbeziehung der Mitarbeiter und regelmäßige Besprechung der Ergebnisse haben wir mehr Verständnis und Akzeptanz für anstehende Maßnahmen, zudem wächst durch diese Einbindung auch die Motivation der Mitarbeiter, sich immer wieder mit Vorschlägen aktiv einzubringen und so selbst aktiv zur Sicherung ihres Arbeitsplatzes beizutragen."

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