Digitalisierung: " Wir sprechen eine einheitliche Datensprache "

Die Digitalisierung schafft neue Prozesse und viele neue Daten. Raphael Dammann, Head of Sales Strategy bei der Deutschen Automobil Treuhand (DAT), erklärt, was das für die Automobilwirtschaft bedeutet und wie sich die DAT hier einbringt.AH: Herr Dammann, die Digitalisierung geht auch an Serviceprovidern und Datenspezialisten nicht vorbei, die hier in der Regel auch gestaltend tätig sind. Wo setzt die DAT ihre Schwerpunkte?R. Dammann: Die DAT ist eine neutrale Dateninstanz. Wir sprechen eine einheitliche Datensprache und sind die Ersten, die mit der Softwarelösung SilverDAT II bereits in den 1980er Jahren auf einer CD die Digitalisierung gelebt haben. Viele hatten damals noch ausschließlich Papierlisten. Die Digitalisierung scheitert oft an vorhandenen System- oder Medienbrüchen. Nur wenn man wie in unserem Fall die "Welten" des Verkaufs und der Werkstatt in einem Softwaresystem vereint und Schnittstellen anbietet, können Medienbrüche vermieden und für die Kunden tolle Lösungen geschaffen werden. Unsere aktuellen Schwerpunkte sind beispielsweise mittels FastTrackAI die Schadenkalkulation und Bewertung mit künstlicher Intelligenz. Wir setzen mit dieser automatisierten Kalkulation mit Hilfe von Bilderkennung einen Prozess fort, den wir vor über 20 Jahren angefangen haben. Ein weiteres Thema ist die Telematik. Hier werden große Datenmengen generiert, die man in eine Struktur überführen muss, um "Use cases" zu erarbeiten. Hier sind wir ebenfalls ganz vorne dabei.AH: Was liefert das Auto an neuen Daten per Telematik? R. Dammann: Es kommen aus modernen Autos sehr viele Daten in sehr hoher Frequenz, beispielsweise Ortsinformationen, Kilometerstände, Fahrzeugzustände wie etwa Fehlercodes usw. Die Hersteller sammeln unzählige Daten und stellen uns diese für die Entwicklung neuer Dienstleistungen zur Verfügung.DSGVO und DatensicherheitAH: Gibt es hier Grenzen?R. Dammann: Das hängt in hohem Maße vom Kunden ab, welche Daten er - etwa im Fall der Telematik - bereit ist, herauszugeben. Aufgrund der DSGVO kann nur der Kunde entscheiden, was mit seinen Daten in welcher Form passiert. Das Consent-Thema können wir mit übernehmen. Jeder Fahrer muss der Verwendung seiner Daten zustimmen. Wenn das Auto gewechselt wird, muss der neue Halter wiederum zustimmen.AH: Wie wird die Industrie in der Sammelwut eingeschränkt?R. Dammann: Das regelt der Gesetzgeber, bzw. ist ein EU-einheitliches Thema.AH: Wie sorgen Sie für Datensicherheit?R. Dammann: Daten, die wir sammeln, werden ausschließlich auf Servern in Deutschland abgespeichert. Die Datencenter sind entsprechend zertifiziert und erfüllen höchste Sicherheitsstandards.AH: Von welchen Datenprodukten sprechen wir in Zukunft?R. Dammann: Wir sind gerade dabei, Produkte zu definieren. Vorstellen kann man sich zum Beispiel das Routing von Fahrzeugen zu Fairgarage-Mitgliedsbetrieben, sofern vom System ein Fehler aufgezeigt wird. Wir arbeiten hier mit Hochdruck mit Partnern zusammen, die bereits über bestimmte Produkte verfügen, zum Beispiel über ein elektronisches Fahrtenbuch. Das ist ja nicht immer unser originäres Geschäft. Wichtig ist es allerdings, die Daten in strukturierter und markenübergreifender Form bereitzustellen - das wiederum ist unser originäres Geschäft.AH: Wer hat dann den ersten Zugriff auf den Lead? Der Hersteller oder die DAT?R. Dammann: Wir sind hier neutral. Das entscheidet letztlich der Halter.GW-Markt und PreisentwicklungAH: Hinsichtlich der monatlichen Preisentwicklungen am GW-Markt wird der DAT vorgeworfen, zu langsam zu reagieren. Die vorgegebenen Preise würden die Entwicklung nicht immer in Echtzeit abbilden?R. Dammann: Die Logik dahinter ist, dass Echtzeitdaten immer Momentaufnahmen sind, aus denen sich Trends entwickeln können. Die Interpretation dieser Trends ist wichtig, aber dazu muss man die Daten ein Stück weit beobachten. Besonders in dieser Zeit ist der Markt sehr volatil und dynamisch. Wir ermöglichen jedem Nutzer den Blick auf unsere Werte in Kombination mit tagesaktuellen Angebotspreisen aus den großen Fahrzeugmärkten. Um den Gesamtmarkt dann einzuschätzen, braucht es diesen "Puffereffekt". Das ist im Rahmen unseres marktordnenden Auftrages ein Stück weit notwendig. Wir haben den Auftrag neutral zu sein. Wir ordnen also den Markt, indem wir die oft übertriebene Dynamik etwas rausnehmen. Damit verhindern wir Strohfeuer und bilden die echten Trends ab. Um die detaillierte Marktbeobachtung zu forcieren, haben wir die Beratungsgesellschaft Promotor in die DAT Group integriert. Wer Tagespreise möchte, kann sich also an unsere Beratungstochter wenden.AH: Wann kommt hier künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz?R. Dammann: Wir sind dran. Gehen Sie von 2023 aus. Dann werden die Fahrzeugbewertungen noch genauer.AH: Aufgrund der aktuellen Situation liefern die Hersteller teilweise unfertige Fahrzeuge aus. Kann das in der VIN hinterlegt werden?R. Dammann: Das ist nicht so einfach und es gab auch schon vorher vereinzelt Lücken, weil Hersteller kurzfristig neu geplant hatten. Diese Thematik verschärft sich jetzt. Wir haben Vereinbarungen getroffen, dass wir diese Daten nachgeliefert bekommen. Das ist aber derzeit noch nicht vollständig gesichert.Digitalisierung im HandelAH: Was müssen die Händler tun, um die Digitalisierung weiter voranzutreiben?R. Dammann: Dieses Thema drängt. Hersteller und Händler müssen hier dichter zusammenrücken. Es lässt sich aufgrund der großen Herausforderungen nicht alleine optimal lösen.AH: Mit SilverDAT3, also Ihrer Kalkulationssoftware für Schäden an Fahrzeugen, wird die DVD als Datenspeicher zum Jahresende abgeschafft. Was versprechen Sie sich von der Portallösung?R. Dammann: Der Parallelbetrieb von DVD und Cloud-Lösung läuft bereits mehrere Jahre, um den Kunden die reibungslose Umstellung ganz einfach zu ermöglichen. Viele Rechner haben heute schon kein DVD-Laufwerk mehr. Die aktuelle Lösung ist zudem nicht nur viel komfortabler, sie kann auch viel mehr Funktionen enthalten, die in der alten Software technisch nicht zu implementieren waren. Wir sind schneller, können täglich updaten und würden die aktuellen Datenmengen nicht mehr auf einer DVD unterbringen. Diese Zeit ist vorbei. Inzwischen gibt es von uns ein Datenuniversum, das jetzt über unser Portal vollständig zugänglich ist."FastTrackAI" im PilotbetriebAH: Auch "FastTrackAI", also die Kalkulation mit Bildauswertung als quasi "Kalkulation to go", ist dort bereits installiert?R. Dammann: Hier sind wir zunächst mit Pilotbetrieben im Einsatz. FastTrackAI wird im Laufe des Jahres im DAT-Portal flächendeckend erhältlich sein.AH: Können damit auch Fahrzeuge bewertet werden?R. Dammann: Das ist dann eine zusätzliche Variante, bei der keine vollumfängliche Reparaturkostenkalkulation erstellt werden muss, sondern "nur" die für eine Fahrzeugbewertung im Prozess der Hereinnahme relevanten Beschädigungen. Bereits heute kann zu der Erstellung einer Reparaturkostenkalkulation eine Bewertung des Fahrzeugs automatisch beigestellt werden, einfach auch, um dem Anwender zu zeigen, ob die Schadenhöhe den Fahrzeugwert übersteigt oder nicht.AH: In diesem Bereich sind viele mit Lösungen am Markt. Auf was kommt es an?R. Dammann: Es gibt zahlreiche Dienstleister, die an einer Bilderkennung arbeiten, die Fahrzeuge und Schäden erkennt. Die Frage ist aber, wer kann das so gut wie die DAT und was mache ich jetzt damit? Dazu wird eine detaillierte Schadenkalkulation anhand der individuellen Reparatur- und Teileinformationen eines Fahrzeugs benötigt. Das kann nur die DAT in dieser Form und aus einer Hand anbieten.AH: Kann man damit auf einen Gutachter verzichten?R. Dammann: FastTrackAI ist ein Tool, das den Gutachter unterstützt, wie beispielsweise eine Digitalkamera. Man macht ein Bild und hat unmittelbar eine sinnvolle Vorkalkulation. Darauf wird dann aufgebaut. Es ist ein Hilfsmittel. Der Sachverstand des Gutachters ist weiterhin nötig.AH: Vielen Dank für das Gespräch!

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