Ausgabe 04/2014: Zickzack-Kurs

Wieder einmal zeigt sich, dass Richter sich im Zweifelsfall wenig darum scheren, was sie selbst oder ihre Kollegen in der Vergangenheit entschieden haben. Aktuelles Opfer dieses Verhaltens drohen all die Kfz-Händler zu werden, die Vermittlungsgeschäfte ausführen und dabei den Käufern der Fahrzeuge selbst Nachlässe gewähren.Worum geht es im Detail?Mitunter werden Autohäuser nicht als Eigenhändler, sondern als Vermittler für den Hersteller tätig. Dabei gibt es in der Praxis je nach Hersteller unterschiedliche Konstellationen - zum einen das komplette Vertreter-Modell für alle Neuwagengeschäfte, zum anderen beschränkt auf bestimmte Fahrzeugmodelle oder ausgewählte Kunden (z. B. Großkunden). Wird nun das Autohaus in solch einem Fall als Vermittler tätig, gewährt es den Käufern der Fahrzeuge häufig einen Nachlass, um das Vermittlungsgeschäft zum Abschluss zu bekommen und die eigene Vermittlungsprovision zu erhalten. Wirtschaftlich gesehen handelt es sich dabei aus Sicht des Autohauses um einen Nachlass, während es sich aus Sicht des Käufers als Minderung des Anschaffungspreises für das Fahrzeug darstellt.RechtsprechungswandelBis vor wenigen Jahren hat die Rechtsprechung diese wirtschaftliche Betrachtungsweise in umsatzsteuerlicher Hinsicht vollkommen ignoriert. Während auf den Fahrzeugumsatz und die Vermittlungsprovision die volle Umsatzsteuer fällig wurde, war es verboten, den Nachlass zur Minderung der Umsatzsteuer heranzuziehen - obwohl effektiv ein Nachlass an den Endkunden gewährt wurde und dieser mit weniger Anschaffungskosten belastet war. Es dauerte bis zum Jahr 2006, bis sich der Bundesfinanzhof auf Grund der EuGH-Rechtsprechung dazu überwinden konnte, endlich auf eine korrekte wirtschaftliche Betrachtungsweise umzuschwenken. In der Folge berechtigte ein Nachlass an den Kunden eines Vermittlungsgeschäfts auch zur Minderung der Umsatzsteuer.Neue EuGH-RechtsprechungMit Urteil vom 16. Januar 2014 (Rs. C-300/12 - Ibero Tours) wirft nun der EuGH diese korrekte wirtschaftliche Betrachtungsweise wieder über den Haufen. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, stellt er erstaunliche Verrenkungen an. Gemäß seinen Überlegungen in der Urteilsbegründung wird der Nachlass des Autohauses an den Endkunden im Zusammenhang mit dem vermittelten Umsatz (Lieferung eines Fahrzeugs) geleistet. Daher kann der Nachlass nicht die (umsatzsteuerpflichtige) Vermittlungsprovision mindern, weil der Nachlass ja eben nicht die Vermittlungsleistung betreffen soll. Nach Ansicht des EuGH kann der Nachlass aber auch nicht den (umsatzsteuerpflichtigen) vermittelten Umsatz mindern, denn der Hersteller erhält unabhängig davon, ob ein Nachlass vom Autohaus gegeben wird oder nicht, mangels Rückerstattung des Nachlasses an den Vermittler immer den gleichen Betrag. Zudem ist der Hersteller verpflichtet, unabhängig vom Vorliegen eines etwaigen Preisnachlasses immer die gleiche Provision zu zahlen. Daher ist der EuGH der Meinung, dass der Nachlass des Autohauses dieses nicht zu einer Minderung der Umsatzsteuer berechtigt, und stellt so die alte, bis vor wenigen Jahren gültige Rechtslage wieder her.Folgen für die AutohäuserOffen bis umstritten ist bislang lediglich, wann diese neue "alte" Rechtsprechung endgültig anzuwenden ist. Im ungünstigsten Fall sind alle Zeiträume betroffen, für die zum Zeitpunkt des EuGH-Urteils (16. Januar 2014) noch keine Steuererklärung abgegeben wurde. Alternativ kann die einschränkende Rechtsprechung auch erst nach Ergehen des Folgeurteils durch den Bundesfinanzhof (voraussichtlich im Frühjahr 2014) oder gar nach Ablauf einer Übergangsfrist durch die deutsche Finanzverwaltung zur Anwendung kommen. Letztendlich wird dieses Urteil aber für alle Autohäuser, die Umsätze des Herstellers vermitteln, eine nicht unbedeutende Ertragsminderung zur Folge haben. Denn dadurch, dass eine Minderung der Umsatzsteuer aus dem Nachlass nicht mehr möglich sein wird, kann das Finanzamt auch nicht mehr am Preisnachlass "beteiligt" werden. Folglich wird der (Brutto-)Nachlass beim Autohaus komplett zum Aufwand. Und wenn das Autohaus versucht, die Höhe des bisherigen Nachlasses zu verringern, steht zu befürchten, dass hierdurch wiederum Umsatz verloren geht.Kurzfassung1. Die Rechtsprechung hat erneut ihre Auffassung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Nachlässen des Vermittlers an den Endkunden eines Vermittlungsgeschäfts geändert.2. Dadurch wird für das Autohaus zukünftig keine Minderung der Umsatzsteuer aus diesen gewährten Nachlässen mehr möglich sein.3. Dieses Urteil bedeutet eine deutliche Ertragsschwächung und einen Wettbewerbsnachteil für alle Autohäuser, die Umsätze des Herstellers vermitteln.4. Der genaue Zeitpunkt der Anwendung der neuen Rechtsprechung ist noch offen bzw. umstritten. Eine (geringfügig) rückwirkende Anwendung ist je nach Einzelfall zumindest denkbar.KommentarWieder einmal heißt es erst "Hü" und nun wieder "Hott". Hatten sich die Juristen beim Bundesfinanzhof vor wenigen Jahren endlich zu einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise bezüglich der umsatzsteuerlichen Behandlung von Nachlässen eines Vermittlers an den Endkunden durchgerungen, bleibt ihnen nun nach der neuen Rechtsprechung des EuGH nichts anderes übrig, als ihre Meinung wieder zu revidieren. Die Folge ist, dass alle Autohäuser, welche Umsätze des Herstellers vermitteln, nunmehr einen echten Wettbewerbsnachteil gegenüber den reinen Eigenhändlern sowie den Niederlassungen haben werden. Denn diese können den Fiskus durch eine Umsatzsteuerminderung auch weiterhin bei Rabatten an den Endkunden am Preisnachlass beteiligen. Somit bleibt es den betroffenen Autohäusern letztendlich nur, auf Grund der noch offenen bzw. umstrittenen endgültigen Anwendung der neuen Rechtsprechung zunächst weiterhin die Umsatzsteuerminderung aus den gewährten Nachlässen gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen. Allerdings könnte jedoch kein Vertrauensschutz mehr auf die bisherige Rechtslage mehr bestehen. Da somit die Möglichkeit einer rückwirkenden Anwendung des Urteils durch die Finanzverwaltung auf all die Fälle im Raum steht, für die im Zeitpunkt des EuGH-Urteils noch keine Steuererklärung abgegeben wurde, sollten Vermittler zumindest auch eine mögliche Rückzahlung der Umsatzsteuer aus den Nachlassanzeigen (Gutschriften) einkalkulieren. Um das potenzielle Rückzahlungsrisiko möglichst gering zu halten, bietet sich darüber hinaus lediglich an, die Nachlässe an Endverbraucher zunächst so niedrig wie möglich halten bzw. sie soweit wie möglich vermeiden. Daneben bleibt den betroffenen Autohäusern wohl nichts anderes übrig, als auf eine hoffentlich erneute Änderung der Rechtsprechung in einigen Jahren zu warten.Horst Neubacher Wirtschaftsprüfer, Steuerberater www.rath-partner.de

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