Ausgabe 07/2012: Zurück in die Zukunft

Zurück in die ZukunftGVO E Was sich ab dem 1. Juni 2013 in Sachen Mehrmarkenvertrieb rechtlich ändert und warum die Exklusivität für manche Hersteller ein heißes Eisen ist. Von Doris PlateDer Termin rückt immer näher. Ab dem 1. Juni 2013 gilt im Kfz-Handel die Vertikal-GVO. Diese räumt Herstellern und Importeuren Möglichkeiten ein, die sie zuletzt vor 2003 hatten. Unter anderem könnten sie theoretisch den Mehrmarkenvertrieb einschränken. Was tatsächlich möglich ist und wie Händler gegensteuern können, fragten wir Rechtsanwalt Christoph Boeminghaus von der Kölner Kanzlei OsborneClarke. AH: Was ändert sich aus Ihrer Sicht in Sachen Exklusivität der Händlerbetriebe mit Inkrafttreten der neuen GVO?Ch. Boeminghaus: In Sachen Exklusivität und Markenzwang dreht sich das Rad unter der künftig geltenden Vertikal-GVO wieder ein Stück zurück. Während die „alte“ GVO 1400/2002 erstmals den Mehrmarkenvertrieb ausdrücklich förderte und Bezugsverpflichtungen von mehr als 30 Prozent des jährlichen Neuwagenbedarfs noch bis 1. Juni 2013 verbietet, gehen die „Neuregelungen“ wesentlich herstellerfreundlicher mit diesem Thema um. Erlaubt ist es dann wieder, dem Händler den Vertrieb von Neufahrzeugen von Wettbewerbern für die Dauer von fünf Jahren ganz zu verbieten oder ihn zu verpflichten, mehr als 80 Prozent seines Gesamtbedarfs an Neufahrzeugen nur mit Fahrzeugen des eigenen Fabrikats zu decken. Nach Ablauf der fünfjährigen Laufzeit solcher Klauseln muss der Händler aber frei darüber entscheiden können, das Wettbewerbsverbot tatsächlich zu beenden und den Vertrag ohne Markenexklusivität fortzusetzen, wie die Kommission in ihren Leitlinien zur Vertikal-GVO betont. Der Händler darf dabei keinem Verlängerungszwang unterliegen. Unbefristet möglich sind dagegen Bezugsbindungen, die den Händler verpflichten, bis maximal 80 Prozent seines Gesamtjahresbedarfs an Neuwagen mit einer Marke zu befriedigen. Eine solche Bezugsbindung schränkt den Mehrmarkenvertrieb dauerhaft ein. Denn mit den verbleibenden 20 Prozent des Einkaufsvolumens sind allenfalls noch Nischenfabrikate als Zweit- oder Drittmarke abzudecken.Keine VerwechslungsgefahrAH: Sehen Sie einen Trend, wie die Hersteller mit dem Thema umgehen?Ch. Boeminghaus: Ein einheitlicher Trend ist bislang nur schwer auszumachen. Als verallgemeinerungsfähige Tendenz lässt sich aber festhalten, dass die Hersteller, die die neue GVO bisher überhaupt zum Anlass für neue Händlerverträge vorgeschoben haben, die Händler auch wieder enger an sich binden wollen. Eine Rückkehr zur strikten Exklusivität ohne Bestandsschutz für vorhandene Mehrmarkenbetriebe scheint jedoch die Ausnahme zu bleiben. Ansonsten muss man differenzieren: Einige, wie zum Beispiel Opel, führen die Exklusivität für die Dauer von fünf Jahren wieder ein und bestehen auch danach auf der Bezugsbindung in Höhe von 80 Prozent des jährlichen Einkaufsvolumens. Händler, die bereits mehrere Fabrikate vertreten, genießen zwar Bestandsschutz. Von ihnen wird allerdings verlangt, die Marken durch bauliche und visuelle Maßnahmen in ihrer Präsentation voneinander abzugrenzen.Viele Hersteller verlangen indes gar nicht erst eine fünfjährige Exklusivität, sondern lassen den Mehrmarkenvertrieb auch in neuen Verträgen weiter unter der Voraussetzung zu, dass keine Verwechslungsgefahr in der Darstellung entsteht.Schließlich haben manche Hersteller noch gar nicht reagiert und werden wohl zunächst ihre Händlerverträge nicht ändern wollen. Und das nicht ohne Grund. Denn für den einen oder anderen Konzern wäre eine Exklusivitätsklausel ein heißes Eisen. Die Gruppenfreistellung gilt nämlich lediglich bis zu einem Marktanteil (kumuliert über alle Konzernmarken) bis 30 Prozent. Darüber kommt nur noch eine Einzelfreistellung in Betracht. Um in den seltenen und ausnahmsweisen Genuss einer Einzelfreistellung zu kommen, darf der Marktanteil aber maximal 40 Prozent betragen und der Vertrag keine Exklusivität enthalten. Anderenfalls verstößt der gesamte Vertrag gegen das europarechtliche Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen und ist nichtig. Manch ein Hersteller wird sich also gut überlegen müssen, ob er seine bestehenden Verträge überhaupt ändern sollte.Schwieriger InvestitionsschutzAH: Was können Händler tun, um sich gegen die wachsenden Ansprüche der Hersteller in dieser Frage zu wehren? Gibt es Investitionsschutz?Ch. Boeminghaus: Man muss sich stets vor Augen führen, dass mit der Geltung der Vertikal-GVO zum 1. Juni 2013 keine Notwendigkeit besteht, die bislang bestehenden Verträge zu ändern. Ebenso entfalten die Bestimmungen der Gruppenfreistellungsverordnung keine unmittelbare rechtsgestaltende Wirkung zwischen Hersteller und Händler. Mit einfachen Worten: Ohne eine Kündigung und anschließende Neugestaltung der Händlerverträge gibt es für Bestandshändler keinen Grund, dem einseitigen Herstellerwunsch nach mehr Exklusivität nachzugeben, schon gar nicht ohne eine Bestandsschutzzusage für bereits im Portfolio stehende Zusatzfabrikate. Hier sind auch die Verbände, Branchenvertreter, aber auch die Wettbewerbshüter in Brüssel aufgefordert, Exklusivitätsklauseln auf ihre Zulässigkeit und ihre echte Befristung zu überprüfen und darauf zu achten, dass die Hersteller verantwortungsvoll mit dem Markenzwang und den Standards zur Markentrennung umgehen. Ansonsten droht die Gefahr, dass Hersteller mit überzogenen Standards zur Markentrennung eine unbefristete Exklusivität durch die Hintertür hereinlassen.Bei dem Thema Investitionen ist Vorsicht geboten. Soll der Händler aktuell Geld in einen bestimmten Markenauftritt investieren, sollte er sich zwingend zuvor von dem Hersteller bestätigen lassen, dass er die entsprechende Marke nicht aufgrund von Exklusivitätsklauseln aus seinem Portfolio verbannen muss, bevor sich die Investitionen amortisiert haben können. Anderenfalls könnten Händler in die Röhre schauen. Denn ein Anspruch auf Investitionsschutz ist in Deutschland – anders als in anderen europäischen Rechtsordnungen – nicht gesetzlich verankert. Zwar wird ein solcher Anspruch bei noch nicht amortisierten, markenspezifischen Investitionen auch von der deutschen Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt. Die Durchsetzung und Darlegung derartiger Ansprüche ist mitunter aber mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Händler sind deshalb gut beraten, vor der Tätigung erheblicher Investitionen externen Rat hinzuzuziehen und das Gespräch mit dem Hersteller zu suchen.AH: Herr Boeminghaus, wir danken Ihnen für das Gespräch. KurzfassungEine Rückkehr zur strikten Exklusivität ohne Bestandsschutz für vorhandene Mehrmarkenbetriebe wird wohl eher die Ausnahme bleiben. Ganz so einfach, wie zunächst befürchtet, ist es dann doch nicht, diese durchzusetzen. Trotzdem sollten Händler und Verbände wachsam sein, damit die Exklusivität nicht durch die Hintertür kommt.

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