Ausgabe 11/2014: CNG-Autos: Top oder Flop?

Der Fahrzeugmarkt für komprimiertes Erdgas (CNG) ist in Bewegung und zeigt konträre Fahrtrichtungen. Während VW, Audi, Seat Skoda, Fiat und Mercedes seit zwei Jahren ihr Angebot an Erdgas-Modellen erneuert und erweitert haben, hat sich Ford - zumindest vorübergehend - aus diesem Markt zurückgezogen. Auch Opel hat das CNG-Angebot reduziert. Ob dies vor dem Hintergrund der CO2-Flottenausstoß-Reduzierungen sinnvoll ist, wird der Markt beantworten, der Zuwächse bei den Zulassungen in Deutschland zeigt.50 Prozent Zulassungs-Plus in 2013Bei den 14.092 Neuzulassungen von gasbetriebenen Pkw 2013 wiesen die 7.835 Erdgas-Modelle - ein Plus von fast 50 Prozent zum Vorjahr - einen höheren Anteil als LPG-Modelle auf, die auf 6.257 Erstanmeldungen kamen. Starke Zuwächse gab es in Niedersachsen (plus 52 % = rund 1.600 Fahrzeuge) und Nordrhein-Westfalen (plus 57 % = 1.400 Fzg.). Im ersten Quartal 2014 entsprachen 2.174 neuzugelassene Erdgasfahrzeuge einem Plus von rund 20 Prozent gegenüber 2013. Ursache für den CNG-Vorsprung sind aber oft nachträgliche Umrüstungen auf bivalente Autogas-Modelle, die bei der Zulassung nicht als Gas-Fahrzeug registriert wurden.Neue Modelle als TreiberHintergrund des Erdgasfahrzeug-Wachstums sind neue Modelle, die in bisher kaum CNG-bedienten Segmenten neue Perspektiven bieten: Seat Mii, Skoda citigo und VW up! bedienen seit 2012 das Mini-Segment mit Erdgas-Modellen und messen sich hier mit Europa-CNG-Marktführer Fiat (Panda, Panda Trekking und 500L). Nach dem Erfolg des eco-up, der rund 20 Prozent der gesamten up-Verkäufe in Deutschland ausmacht, hat der VW-Konzern jetzt die Kompaktklasse im Visier: Nach Audi A3-g-tron, Seat Leon TGI und Skoda Octavia G-Tec steht nun der VW Golf/Golf Variant TGI Blue Motion bereit, um mit dem Marktführer-Image neue Kunden anzusprechen. Die Triebwerke haben einen 81 kW/110 PS starken bivalenten Erdgasmotor, der gegenüber den TSI-Ecofuel-Versionen von Passat/Passat Variant, Touran und Touran Cross nicht über Doppelaufladung (Kompressor und Turbo), sondern über einen einzelnen Turbolader verfügt. VW-Sprecher Peter Weisheit: "Mit dem 150 PS starken TSI Ecofuel-Motor aus Passat und Touran wäre der Golf übermotorisiert und teurer geworden. Dank unseres modularen Motorenbaukastens konnten wir auf einen passenden Motor zurückgreifen. Der große Bestell-Vorlauf für den Golf TGI zeigt, dass diese Entscheidung richtig war."Neben Volkswagen-Konzern, Opel und Fiat bekennt sich auch Mercedes-Benz zum Erdgas und offeriert in der B- und E-Klasse NGD-Versionen (NGD = Natural Gas Drive). Dass die Marken trotz bescheidener Nachfrage in Deutschland Erdgas-Modelle anbieten, resultiert aus der hohen Nachfrage in Ländern wie Russland, Brasilien, Schweden etc.Schwachpunkt Tankstellen-NetzDie bisher ausschließlich angebotenen bivalenten Erdgas-Pkw (CNG und Benzin) verfügen nur über kleine Erdgas-Tanks und haben eine CNG-Reichweite von maximal 500 km. Bei monovalenten Erdgas-Autos mit größerem Gastank und höherer Verdichtung wären mehr als 1.000 km möglich. Die "weichere" Verbrennung vermindert auch das Motorgeräusch. Problematisch ist aber die Erdgas-Infrastruktur. Die EU-Kommission forciert daher den Aufbau eines EU-weiten Tankstellennetzes, das maximal 150 Kilometern zwischen den Stationen vorsieht.Handel und Service: Wenig Aufwand - und bisher wenig ErtragFür den Handel sind Erdgas-Autos eine Chance, sich im Umweltschutz zu profilieren. Das kommt bei den Kunden gut an, ist aber für Händler oft wenig erstrebenswert, denn die Verkaufszahlen reichen nicht für attraktive Prämien, Rabatte und Incentives. Sinnvoll kann daher sein, mit örtlichen Tankstellen Kontakt zur Erweiterung des Angebots um CNG aufzunehmen, um den regionalen Markt zu beleben. Autohaus-eigene CNG-Tankstellen sind wegen der erforderlichen Erdgas-Leitungen nur in Ballungsräumen sinnvoll.Was meinen die Experten?Dipl.-Ing. Bernd Mayer, Geschäftsführer der VDIK Service & Beratungs-GmbH, sieht auch die Autohäuser in der Pflicht: "Der Handel muss das Thema aufnehmen, denn es gibt viel Potenzial. Der Markt kann sich schon 2015 deutlich verändern." Neue CNG-Modelle seien von deutschen und internationalen Marken zu erwarten. Künftig werde es auch synthetisch aus überschüssiger Wind- und Solarenergie gewonnenes Erdgas geben. Der Service unterscheidet sich kaum von benzinbetriebenen Autos. Die Erdgastanks aus Stahl oder einem Stahl-/Karbonfasergemisch sind meist unter dem Wagen- bzw. Kofferraumboden verbaut und sind sicherer als die Kunststofftanks bei Benzin und Diesel. Anlagen, die nach der EU-Verordnung ECE R-110 zugelassen sind, müssen je nach Bauart nur alle 36 Monate einer Sichtprüfung unterzogen werden. Der Aufwand für die von den OEM angebotenen Schulungen für Gasanlagen ist überschaubar.Die Zukunft im FokusUm die ab 2020 verschärften CO2-Emissionsgrenzwerte zu erreichen, arbeitet die Branche an neuen Technologien. "Von den 100 Millionen Fahrzeugen, die 2020 weltweit produziert werden, wird nur ein Bruchteil rein elektrisch unterwegs sein", argumentierte Prof. Dr. Lino Guzzella von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Daher gelte es, auch den Verbrennungsmotor effizienter zu machen. Der "Zukunft Erdgas e.V." verweist auf eine Umfrage von "management consult", nach der 73,8 Prozent bis 2020 eine stärkere Bedeutung von Erdgas bei der Mobilität erwarten. "Diese Entwicklung wird sich fortsetzen und den Markanteil steigern", prognostiziert auch Dr. Timm Kehler, Geschäftsführer der Erdgas mobil GmbH, "da neue Volumenmodelle wie Golf und A3 größere Zielgruppen ansprechen." Wichtig für eine höhere Akzeptanz von Erdgas sei, dass die Marken stärker in Erdgasantrieb investieren.Erdgas auch für Lkw und BusseErdgas kommt auch im Nutzfahrzeugund Bus-Markt voran. In Städten sind schon monovalent CNG-betriebene Busse im Einsatz. Weltweit kommt auch LNG (Liquified Natural Gas = verflüssigtes Erdgas) auf Touren. Mit LNG, das bei -163 °C unter Normaldruck flüssig wird, sind Reichweiten von über 1.000 Kilometern realisierbar. Die Hersteller haben LNG-Trucks in der Erprobung oder bieten sie schon an. Die Lärmemissionen sind bis zu 50 Prozent geringer als bei Diesel."Wahnsinns-Potenzial vorhanden"Dr. Stefan Behrning vom Gasantriebs-Kompetenzzentrum der TÜV Saarland Automobile GmbH: "Der Golf wird Interesse wecken und einen Schub bringen. Die Probleme bleiben aber, denn bivalente Antriebe sind eine Krücke, da sie die Chancen von CNG nicht ausnutzen. Das Leistungspotenzial ist noch nicht ausgereizt, denn durch höhere Verdichtung mehr Effizienz zu schaffen ist nur bei monovalenten Motoren möglich. Da ist ein Wahnsinns-Potenzial vorhanden. Wir müssen daher die Hersteller überzeugen!"Autogas (LPG) Und Erdgas (CNG)Neuzulassungen Deutschland 2013: - LPG: 6.257 Pkw- CNG: 7.835 PkwBestand Deutschland (Stand 01.01.2014):- LPG: 500.867 Pkw- CNG: 79.065 Pkw

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