Ausgabe 05/2009: Die Würfel fallen

Die Würfel fallenGVO F Der EU-Politiker Ingo Friedrich rät dem Automobilhandel, sich auf eine Position zu einigen und sämtliche Verbände, Organisationen und politischen Stellen für die Verlängerung zu sensibilisieren. von Prof. Hannes BrachatAm 7. Juni 2009 wird das EU-Parlament neu gewählt. AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach mit Dr. Ingo Friedrich, Präsidiumsmitglied des Europäischen Parlaments und stellv. Parteivorsitzender der CSU, über die grundsätzliche Bedeutung des Europäischen Parlaments und die Einflussmöglichkeiten hinsichtlich der GVO 2010.AH: Herr Dr. Friedrich, welche Bedeutung hat die anstehende Europawahl, welche Bedeutung hat Europa für uns alle?I. Friedrich: Die Europawahl ist von großer Bedeutung für die rund 375 Millionen wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger aus 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Ein Großteil der in Deutschland erlassenen Gesetze findet seine Wurzeln in europäischen Richtlinien, wie beispielsweise grundlegende Normen des Verbraucherschutzes oder die Einführung des EU-Führerscheins. Fragen wie Nichtraucherschutz, Klimaschutz, Atomenergie etc. werden im Parlament diskutiert und mit entschieden. Um diese Prozesse als Bürger beeinflussen zu können, ist es erforderlich, dass man als Bürger seine Interessensvertreter bestimmt. Für jeden Einzelnen ist die anstehende Europawahl eine Entscheidung, die sein persönliches Wohlbefinden beeinflusst. Besorgniserregend ist, dass einer Umfrage des Eurobarometers zufolge rund zwei Drittel der Bürger nicht wissen, dass am 7. Juni die Europawahl stattfindet. Straßburg oder Brüssel AH: Das Europaparlament sitzt in Straßburg, die Würfel aber fallen in Brüssel. Welche Wirkkraft geht überhaupt vom EU-Parlament aus?I. Friedrich: Ob das Europäische Parlament in Straßburg oder Brüssel tagt, spielt keine Rolle. Die meisten Sitzungswochen finden in Brüssel statt. Wenn die Parlamentarier einmal im Monat nach Straßburg reisen, folgen ihnen viele EU-Kommissare, Regierungsvertreter und Lobbyisten. Durch das Europäische Parlament wird der Bürger in Europa vertreten. Das Parlament teilt sich die Gesetzgebungsbefugnis, d.h. die Annahme europäischer Gesetze, mit dem Ministerrat, wobei der Ministerrat die Regierungen der Mitgliedsstaaten vertritt. Durch diese Mitwirkung der nationalen Ebene und des Europäischen Parlaments an der Gesetzgebung wird gewährleistet, dass nicht über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden werden kann. Schließlich übt das Parlament eine demokratische Kontrolle über die Kommission aus. Vor der Ernennung der Kommissare werden diese auf ihre Kompetenz und Integrität hin überprüft. Zudem kann es einen Rücktritt der Kommissare durch ein Misstrauensvotum erzwingen. GVO 2010 und EU-ParlamentAH: Für das Automobilgewerbe steht die Kfz-GVO 2002 auf dem Prüfstand. Die Wettbewerbskommission hat bereits deutlich gemacht, dass sie die kfz-spezifische GVO aufgeben und über die Schirm-GVO ersetzen möchte. Das Kfz-Gewerbe tritt geschlossen für die Fortsetzung der kfz-spezifischen Lösung ein. Hat das EU-Parlament hier eine Mitsprachemöglichkeit? Wie sehen die Sprecher der CSU den eigentlichen Sachverhalt?I. Friedrich: Bei der Kfz-GVO handelt es sich nicht um ein Gesetz, sondern um eine Exekutiventscheidung, d.h. die Kommission legt alleine Umfang, Anwendungsbereich und Ausführung der GVO fest. Sie ist hierbei weder an ein Votum des Parlaments noch des Ministerrats gebunden. Die Mitsprachemöglichkeiten des Europäischen Parlaments sind daher begrenzt. Sofern sich die Kommission dafür entscheidet, die Kfz-GVO auslaufen zu lassen, wird das Parlament lediglich informiert und hat keinerlei Einflussmöglichkeiten. Anders würde es liegen, wenn die Kommission beschließt, die Kfz-GVO zu verlängern. In diesem Fall könnte das Parlament auf der Grundlage eines Initiativberichts die Kommission auffordern, ihr geeignete Vorschläge für die Änderung der Kfz-GVO zu unterbreiten. Ich setze mich dafür ein, dass die Kfz-GVO nochmals um zehn Jahre verlängert wird. Ich bin darin mit Ihrem bayerischen Kfz-Landesverbandspräsidenten Klaus Dieter Breitschwert einer Meinung. Ich habe mich in diesem Sinne auch schon an die Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes gewandt.Durch die Kfz-GVO wird gewährleistet, dass die wirtschaftlich überlegenen Automobilhersteller nicht zu viel Macht über den Markt und dessen Gestaltung erhalten. Die Folgen könnten auch für den Verbraucher, beispielsweise in Form von geringeren Auswahlmöglichkeiten, spürbar sein. Ferner würden die kleinen und mittelständischen Unternehmen im Kraftfahrzeuggewerbe von dieser Veränderung getroffen werden. Gerade in der momentanen Phase der Finanzkrise gilt es, Unternehmen zu schützen und ihnen nicht zusätzliche Belastungen aufzuerlegen, welche existenzvernichtend sein könnten. Ich hoffe, dass den Belangen der 2,8 Millionen kleinen und mittelständischen Kfz-Betriebe in Europa Rechnung getragen und die bewährte Kfz-GVO verlängert wird.Formieren!AH: Was sollte das Kfz-Gewerbe tun, um entsprechendes Gehör für seine Sicht der Dinge zu erhalten? I. Friedrich: Zunächst muss sich das Kfz-Gewerbe auf eine eindeutige Position einigen. Für diese Forderung müssen Verbündete gesucht werden. Für das konkrete Beispiel der Verlängerung der Kfz-GVO müssen alle Verbände und Organisationen, die für eine Verlängerung sind, sich formieren und in Brüssel geschlossen auftreten. Neben der Kommission und dem Parlament müssen auch die nationalen Regierungen, d. h. das Wirtschaftsministerium, für das Thema sensibilisiert werden. Die Vertretung der Interessen der Bürger erfolgt durch die von den Bürgern gewählten Abgeordneten, d.h. durch das Europäische Parlament. Eine Möglichkeit wäre es, sich an zuständige Abgeordnete im Europäischen Parlament zu wenden, die dem Kfz-Gewerbe Gehör bei der Kommission verschaffen könnten. Dies würde auch über nationale und europäische Kfz-Verbände möglich sein. Wichtig ist, dass man mit einer Stimme gegenüber der Kommission auftritt und eventuell Verbündete im Parlament und in der Bundesregierung bzw. den Ministerien sucht. EU-KlimapolitikAH: Weshalb ist es so schwierig, auf EU-Ebene einheitliche Normen in Sachen Klimapolitik, alternative Energien u.a. zu finden? I. Friedrich: Da gibt es mehrere Gründe.Zunächst ist bei jedem Normerlassverfahren zu berücksichtigen, dass nicht jedes Land die gleichen Ziele bzw. Prioritäten hat. Dies hat zur Folge, dass man Kompromisse finden muss und manchmal auch zu keinem Ergebnis kommt.Bei den Diskussionen um Klimaschutz und Reduktion von CO2-Emissionen hatte Deutschland als Land mit viel energieintensiver Industrie ganz andere Interessen als zum Beispiel England, das kaum Industrie hat.Hinderlich ist auch, dass für eine Beschlussfassung im Ministerrat meist eine einstimmige Entscheidung nötig ist. Die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit ist nur in wenigen Politikbereichen möglich. Dies führt dazu, dass unliebsame Themen leicht blockiert werden können. Es ist sehr im Interesse der Europäischen Union, die Beschlussfassung straffer zu gestalten, insbesondere bei Themenbereichen wie der Bekämpfung des Klimawandels, der Energiesicherheit und der humanitären Nothilfe in Krisengebieten weltweit.Die Europäische Union arbeitet momentan noch mit einem für 15 Mitgliedsstaaten entworfenen System. Die Union ist jedoch mittlerweile auf 27 Mitgliedsstaaten angewachsen. Deswegen muss sie, um ihr Potenzial voll ausschöpfen zu können, modernisiert und reformiert werden. Dies sollte an sich mit dem Vertrag von Lissabon erreicht werden. zLesen SIe hier ...... wie über die Kfz-GVO entschieden wird und was der europäische Autohandel tun kann, um sich Gehör zu verschaffen.Zur PersonDr. Ingo Friedrich ist Präsidiumsmitglied des Europäischen Parlaments, dem er seit 1979 angehört. Im EU-Parlament wirkt er im Ausschuss für Wirtschaft und Währung mit. Seit 1993 ist Ingo Friedrich stellvertretender CSU-Parteivorsitzender. Friedrich vertritt den Wahlkreis Mittelfranken und hat sein Wahlbüro in Gunzenhausen.Kurzfassung1. Am 7. Juni wird das EU-Parlament neu gewählt. Vielen Bürgern ist das nicht bekannt, obwohl EU-Entscheidungen alle betreffen.2. Das EU-Parlament teilt sich die Gesetzgebungsbefugnis mit dem Ministerrat. Außerdem prüft es die EU-Kommissare hinsichtlich Kompetenz und Integrität. 3. Da die GVO kein Gesetz ist, kann die Kommission allein entscheiden, ob sie sie verlängert oder nicht. Friedrich setzt sich für eine Verlängerung ein.4. Branchenverbände und -organisationen sollten europaweit mit einer Stimme sprechen, um der Kommission ihre Position klarzumachen.5. EU-weite Beschlüsse zu treffen ist zäh, weil meist einstimmig entschieden werden muss, die einzelnen Länder aber unterschiedliche Interessen haben.

Ausgabe 05/2009: Die Würfel fallen

Die Würfel fallen

MEISTGELESEN

Neuer Mercedes GLC: Erste Bilder vom Innenraum

Neue Interessenvertretung: BYD Händler-Verband gegründet

Emil Frey Gruppe: Karl Schregle ist neuer Deutschlandchef

STELLENANGEBOTE

Account Manager (w/m/d) Full-Service Leasing Automotive im Außendienst für unsere Vertriebskooperation Ford Fleet Management Vertriebsregion Süd (Baden-Württemberg, Bayern) im Homeoffice

Großkunden/Fleet-Verkäufer (m/w/d) für unsere Marke Volvo

Kfz-Mechaniker/Kfz-Mechatroniker allg. Rep. (m/w/d)

Kfz-Mechatroniker (m/w/d) / Kfz-Mechaniker (m/w/d)

Kfz.-Servicetechniker (m/w/d)

NEWSLETTER