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Dieter Zetsche auf der RISE-Convention: Fischer im Ozean der Ideen

13.07.2018 16:16 Uhr
Dieter Zetsche auf der RISE-Convention: Fischer im Ozean der Ideen
Ungewöhnliches Bild: Daimler-Chef Dieter Zetsche mit Start-up-Guru Guy Kawasaki auf einer Bank vor einem Schnellimbiss in Hongkong.
© Foto: Daimler

Der Wandel der Autoindustrie beschleunigt sich, Künstliche Intelligenz wird wichtiger als Kilowatt. Auch geografisch verschieben sich zunehmend die Koordinaten. Das führt Männer wie Daimler-Chef Dieter Zetsche bisweilen an ungewöhnliche Orte.

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Von Benjamin Bessinger/SP-X

Die Luft ist stickig, die Decke niedrig und Tische und Stühle sind kaum größer als im Kindergarten. Doch der Schnellimbiss im Herzen von Hongkong ist gestopft voll – und der Mann am Grill draußen auf der Straße bekommt die Enten und Schweinebäuche gar nicht so schnell zubereitet, wie sie drinnen verzehrt werden. Mitten in diesem Chaos sitzt ein Mann, den man hier wohl am wenigsten erwartet hätte: Daimler-Boss Dieter Zetsche. Er mag zwar ein bisschen fremdeln mit der Atmosphäre und mit dem ungewöhnlich rustikal servierten Essen und die Schwüle drückt, ihm steht den Schweiß auf die Stirn. Doch an die Erkundung neuer Territorien und an ungewöhnliche Locations hat er sich in den letzten Jahren gewöhnt. Denn die Zeiten, in denen die Autobauer im eigenen Saft geschmort haben, sind längst vorbei – und Zetsche hat als einer der ersten erkannt, dass sich die alten Giganten öffnen müssen, wenn sie auch in Zukunft eine große Nummer bleiben wollen.

"Unsere Welt hat sich gravierend verändert, die Auto- und die Techbranche konvergieren und wir müssen an den Schnittstellen Präsenz zeigen", sagt Zetsche. Deshalb war Mercedes einer der ersten Autohersteller auf der CES in Las Vegas und beim Tech-Kongress South by Southwest in Austin, Texas. Und deshalb ist Zetsche jetzt in Hongkong, philosophiert mit Internet-Ikone und Start-Up-Guru Guy Kawasaki beim lokalen Lunchstopp über Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen, kreuzt mit der neuen A-Klasse durch Hongkong und demonstriert nicht den Fahrkomfort oder die Elastizität des Motors, sondern die lieber die selbstlernende Benutzeroberfläche MBUX. Und vom Imbiss aus marschiert er schnurstracks zur RISE-Convention, wo sich in diesen Tagen die Elite der Innovationen trifft: Beim größten Tech-Gipfel in Asien präsentieren hunderte von Start-ups neue Ideen und Dutzende von Investoren verteilen Millionensummen. Und zwischendrin bewegen sich Giganten aus der alten und der neuen Welt auf der ständigen Suche nach der großen Idee, die sie den entscheidenden Schritt weiterbringt.

Zuhören ist wichtiger als präsentieren

"Wir werfen hier ein großes Netz aus", sagt Zetsche über Besuche wie diese, die eher der Inspiration und der Offenheit dienen als einem Sendungsbewusstsein folgen. Zuhören ist deshalb wichtiger als präsentieren, selbst wenn der Daimler-Chef natürlich trotzdem eine halbe Stunde lang auf der Bühne sitzt und ausmalt, wie Mercedes die "Road to the Future" sieht. Wenn es um die Suche nach Input und Innovationen geht, weiß Zetsche allerdings selbst nicht so recht, was er hier erwarten soll: "Natürlich machen wir dabei auch manch unnützen Beifang. Aber wir alle hoffen auf den dicken Fisch."

Den fängt man nicht mehr auf der IAA oder der Motorshow in Detroit, diese Meinung ist mittlerweile allgemein verbreitet. Denn es geht in der Branche immer weniger um Kilowatt, sondern immer mehr um Künstliche Intelligenz: Maschinelles Lernen ist wichtiger als neue Motoren und die digitale Erlebniswelt wichtiger als das Design. Das Auto der Zukunft fährt elektrisch und autonom – davon sind sie hier alle überzeugt. Die entscheidenden Schritte dafür werden nicht von den Ingenieuren in Stuttgart oder Detroit gemacht. Sondern die neuen Ideen kommen auch aus der neuen Welt.

China auf der Überholspur

Allerdings nicht mehr unbedingt aus dem Silicon Valley. Denn vom Erfolg offenbar satt und damit träge geworden, haben sich die Amerikaner gerade von den Chinesen einholen und in manchen Disziplinen bereits überholen lassen, hat Zetsche beobachtet und liefert deshalb einen weiteren Grund, weshalb er ausgerechnet nach Hongkong gekommen ist. Mal ganz abgesehen davon, dass selbst die schwülste Imbissbude besser ist als ein weiterer Ortstermin im Verkehrsministerium und selbst die dümmsten Fragen der TV-Moderatorin beim Interview auf der Bühne weniger weh tun, als die Diesel-Inquisition, die sie in Berlin gerade gestartet haben. Und warum nach Dutzenden von Rekordmonaten plötzlich der Absatz sinkt, will hier in Hongkong von Mr. Mercedes auch keiner wissen.

Nach einem Tag auf der Convention ist Zetsche zwar voll neuer Eindrücke und seine Assistenten haben zahlreiche neuer Kontakte in ihren Notizbüchern. Und ganz nebenbei hat sich Mercedes vor ein paar tausend Entscheidern und Innovatoren als offene und moderne Marke präsentiert, die nicht ganz so verstaubt erscheint wie andere Blechbieger. Doch die großen Deals verkünden in diesen Tagen andere.

Neue Kooperationsverträge im Akkord

Denn während Zetsche über die Food-Märkte schlendert, sich beim Imbiss inszenieren lässt und im dritten Stock des Convention Centers auf Ideenfang geht, signieren seine Kollegen und Konkurrenten in Berlin neue Kooperationsverträge im Akkord. Während des Regierungsbesuchs aus China sind zahlreiche neue Joint-Ventures, Forschungsvorhaben und Pilotprojekte unterzeichnet worden, die den neuen Führungsanspruch der Chinesen eindrucksvoll untermauern. So sexy das Silicon Valley auch sein mag und so schwül es in Hongkong ist, spielt hier offenbar künftig die Musik.

Die konkreten Nachrichten kommen zwar diesmal aus Berlin. Doch auch in Hongkong hat Zetsche zumindest schon einen Fisch aus dem Ozean der Ideen an Land gezogen. Zwar keinen, mit dem er dem autonomen Fahren näher kommt oder dem künstlichen Lernen, aber einen, der zumindest ihm das Leben leichter macht. Denn auf dem Weg nach draußen hat ihm jemand einen Ventilator in die Hand gedrückt, den man ans Smartphone steckt und Mittagspausen wie die mit Guy Kawasaki in der Kellerkneipe neben dem Convention Center erträglicher machen. Und so, wie sich die Entwicklung der Autobranche abzeichnet, werden Männer wie Dieter Zetsche noch viel Neuland erkunden und viele ungewöhnliche Mittagspausen machen müssen. Da können ein bisschen frische Luft und ein kühler Kopf sicher nicht schaden.

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