Knallgelbe Ungetüme recken ihre Arme in der Luft, drehen sich dabei surrend um die eigene Achse, um sich dann von einem aufgeschichteten Stapel eine der silbern glänzenden Metallplatten zu krallen. Mit immer wieder zuckenden Bewegungen taxiert der japanische Roboter sein Ziel auf dem parallellaufenden Förderband. Dann passt das Dach millimetergenau auf das Gerippe, das einmal ein Auto werden wird. Zwei eiserne Kollegen übernehmen, packen mit ihren Zangen zu und schweißen funkensprühend das Ganze zusammen.
Erst wenn das Puzzle viele Meter weiter von Automaten vollendet ist, lässt sich die Form erahnen. Hier entsteht ein Renault, noch dazu ein elektrischer. Unter dem Namen Megane E-Tech soll er sich demnächst der derzeitigen Übermacht von VW und den ID-Modellen ebenso entgegenstemmen wie den hochgelobten E-Autos von Hyundai oder Kia.
Die 40.000 Einwohner-Stadt Douai liegt im Nordosten Frankreichs, nicht weit von Lille entfernt. Bis Paris sind es 200 Kilometer, die Fahrt nach Brüssel dauert knapp 90 Minuten. Inzwischen ist die Region ein Auto-Hotspot. Im 50 Kilometer-Umkreis liegen auch Fabriken von Toyota und Peugeot. Das hat viele Zulieferer angelockt. Seit 1970 werden in Douai Autos gebaut, darunter berühmte Renault-Modelle mit den früher üblichen Nummern. wie Renault 9 oder 11, aber auch 19 und 21. Auch der sportliche Fuego lief hier vom Band.
Stromer läuft harmonisch
In der Geburtsstätte des Megane E-Tech herrscht friedliche Koexistenz von alter und neuer Welt. Der Stromer läuft harmonisch zwischen der Limousine Talisman, dem Familien-Shuttle Espace oder dessen kleinem Bruder Scenic. Es sind die gleichen Menschen, die klassische Verbrenner und neumodische Elektroautos herstellen. Auch wenn es Unterschiede gibt. Werden derzeit die Verbrennermodelle am Ende des Fließbandes mit etwas Benzin betankt, müssen jetzt die Batterien ihre erste Ladung erhalten. Da die ersten Kontakte zwischen Ladesäule und Stromspeicher für dessen Lebensdauer entscheidend sind, fließt zunächst nur etwa 30 Prozent der möglichen Menge in die Batterie. Später vor der Auslieferung an den Kunden wird dann nachgelegt.
"Natürlich mussten wir die bisherigen und müssen die neuen Mitarbeiter intensiv schulen", sagt Luciano Biondo, der Chef der sogenannten "ElectrCity". Unter diesem Namen hat Renault ein neues Unternehmen gegründet, dass sich um die Produktion von E-Autos kümmert. Neben Douai gehören noch zwei weitere Fabriken dazu. Biondo ist in der Nachbarschaft seines Werks geboren, war früher Leiter des nahegelegenen Toyota-Werks und davor lange Jahre beim Lokalrivalen Peugeot. Nicht ohne Stolz betont er, dass mit allen Gewerkschaften eine Vereinbarung erreicht werden konnte, die es Renault möglich macht, Elektroautos gewinnbringend auch in Europa zu bauen.
"Dazu haben wir die Fabrik verkleinert und gleichzeitig die Effizienz und Qualität vergrößert", erklärt er. Ein Beispiel: Alle zwei Wochen werden die Bänder für eine Stunde angehalten, damit die Mitarbeiter gemeinsam Erfahrungen austauschen und Vorschläge zur Verbesserung von Sicherheit, Handhabung, Kosten und Qualität entwickeln. In wenigen Tagen soll die Produktion des Megane E-Tech von derzeit 60 Autos pro Stunde mehr als verdoppelt werden.
Gleichzeitig endet nach nur sieben Jahren die Ära der größten Renault-Limousine Talisman. Einen Nachfolger wird es nicht geben. Auch die Tage des Espace und der verschiedenen Versionen des Scenic sind gezählt. Dafür startet im nächsten Jahr die elektrische Ausgabe des früheren Kult-Modells Renault 5.
Ab 2024: Wegfall langer Wege
Ab 2024 sollen dann auch die derzeit langen Wege vom Batterie-Lieferanten LG aus Südkorea bis nach Douai wegfallen. Renault hat einen Teil des firmeneigenen Parkplatzes an den chinesischen Batteriehersteller Envision AESC verkauft. Der wollte ursprünglich eine erhebliche größere Fabrik in einem Wald nahe der Renault-Fabrik aus dem Boden stampfen. Wegen Protesten von Umweltschützern, die sich um die Wildtiere und Pflanzen sorgten, nahmen die Asiaten das Renault-Angebot an und entschieden sich für die Parkplatzlösung.
Die Akkus von nebenan sollen dann den Megane und den kleinen Renault 5 elektrisieren. Mit dem familientauglichen Megane E-Tech baut Renault seine elektrische Modellpalette mit etwas Verspätung nach oben aus. Der 4,20 Meter lange Fünftürer lässt seinen Kunden die Wahl zwischen zwei Batteriegrößen und bietet eine Reichweite bis zu 470 Kilometern. Ohne Förderung starten die Preise bei 35.200 Euro.
Der kleinere Renault 5 soll im nächsten Jahr starten, trägt Designelemente des vor 26 Jahren eingestellten Klassikers und soll eine Reichweite bis zu 400 Kilometern ermöglichen. Renault spricht von einem Preis, der ein gutes Drittel unter dem heutigen E-Kleinwagen Zoe liegen soll. Das entspräche etwa 20.000 Euro.
Frank F