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Bürgermeister: München denkt über Diesel-Fahrverbot nach

14.06.2017 13:30 Uhr
Dieter Reiter
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter denkt angesichts neuer Abgasmesswerte in der Landeshauptstadt über ein flächendeckendes Fahrverbot für Dieselfahrzeuge nach.
© Foto: Michael Nagy

Dürfen in München bald keine Diesel-Fahrzeuge mehr fahren? Münchens Oberbürgermeister hat eine große Diskussion in Gang gebracht - und macht sich damit vor allem in der Wirtschaft keine Freunde.

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Nach Stuttgart denkt auch die Stadt München über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge nach. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur, dass man über Zufahrtsbeschränkungen für Dieselautos nachdenken müsse - "wenn es keine andere Lösung gibt, und ich kenne gerade keine". Hintergrund für seine Überlegungen seien neuere Abgas-Messwerte, die ihm die "Süddeutsche Zeitung" (Mittwoch) vorgelegt habe. Nach einem im März veröffentlichten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist die Landeshauptstadt dazu verpflichtet, bis Ende des Jahres Pläne für Fahrverbote von Dieselfahrzeuge vorzubereiten.

Laut SZ-Recherche wird danach der von der EU zugelassene Mittelwert für die Belastung durch das giftige Stickstoffdioxid nicht nur auf den großen Ring- und Einfallstraßen regelmäßig überschritten, sondern auch in weit davon entfernten Gegenden. "Ich glaube, dass aus diesen Fakten hervorgeht, dass es Handlungsbedarf gibt", sagte Reiter der dpa. Betroffen wären von einem Verbot laut «SZ» - je nach angewandter Abgasnorm - zwischen 133.000 und 170.000 Fahrzeuge. Insgesamt haben 295.000 der 720.000 in München zugelassenen Autos einen Dieselmotor.

Reiter erklärte, er habe seine Verwaltung gebeten, kurzfristige aber wirkungsvolle Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffbelastung auszuarbeiten. "Es geht ja um nicht viel weniger als die Gesundheit der Münchner Bevölkerung", sagte er. Auf Details etwa zu Ausnahmen für bestimmte Verkehrsmittel wollte sich der OB allerdings nicht festlegen - unter anderem, weil derzeit nicht klar ist, wer für den Erlass eine Dieselverbots in München zuständig ist. Darüber muss noch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden.

Die bayerische Landesregierung will rasch Maßnahmen zur Lösung des Problems anschieben. Das Kabinett werde zeitnah über notwendige Konsequenzen aus der Stickoxid-Belastung der Innenstädte, insbesondere in München, beraten, sagte der Sprecher der Staatskanzlei, Rainer Riedl, am Mittwoch auf Anfrage. Bereits am Wochenende werde sich Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) mit den zuständigen Ressortministern zusammensetzen. "Ziel ist es, ein Maßnahmenpaket vorzulegen, damit die zum Gesundheitsschutz notwendige Absenkung der Stickstoffdioxidwerte erreicht und gleichzeitig aber auch Berufs-, Versorgungs- und Individualverkehr gewährleistet werden", sagte der Sprecher. Für ein solches Maßnahmenpaket seien auf allen Ebenen und bei allen Beteiligten nachhaltige Anstrengungen notwendig, "damit Fahrverbote vermieden werden können".

Wirtschaft läuft Sturm gegen Diesel-Fahrverbot

Handwerk, Industrie und Handel in Bayern lehnen Fahrverbote ab. Waren könnten nicht mehr angeliefert werden, viele Pendler könnten ihren Arbeitsplatz nicht mehr erreichen, weil der öffentliche Nahverkehr überfordert sei, warnten die Wirtschaftsverbände am Mittwoch. Ein Drittel der oberbayerischen und die Hälfte der Münchner Handwerksbetriebe wären in ihrer Existenz bedroht, sagte der Sprecher der Handwerkskammer München und Oberbayern, Jens Christopher Ulrich. Das Dieselverbot wäre "eine Katastrophe".

Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft warnte, ein solches Fahrverbot würde der bayerischen Wirtschaft massiv schaden. Alle Diesel-Fahrzeugen hätten beim Kauf den Gesetzen entsprochen. Die wenigsten Privatleute und Betriebe könnten sich auf die Schnelle neue Fahrzeuge leisten, sagte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Die Stadt solle besser den öffentlichen Nahverkehr ausbauen.

Die Handwerkskammer erklärte, 79 Prozent der Handwerker seien zwingend auf den Diesel angewiesen, um Werkzeug und Lasten zu transportieren. Die heutigen Elektrofahrzeuge schafften das nicht. "Man kann nicht einfach sagen: Wir schneiden den Wirtschaftsverkehr einfach ab und schauen, was dabei rauskommt", warnte Ulrich.

BMW und VDA für Alternativen zu Diesel-Fahrverbot

Der Autobauer BMW und der Verband der Automobilindustrie (VDA) lehnen die Pläne für ein Diesel-Fahrverbot in ganz München ab. Grüne Welle und besserer Verkehrsfluss allein könnten den Stickoxid-Ausstoß schon um ein Drittel senken. "Um die Luftqualität in den Städten zu verbessern, gibt es intelligentere und schneller wirkende Maßnahmen als Fahrverbote", erklärten sie am Mittwoch unisono. Auch sollten Busse und Taxis im städtischen Verkehr durch modernste Fahrzeuge ersetzt werden, schlug der VDA vor.

BMW beschäftigt in München mehr als 42.000 Mitarbeiter, im Werk München wurden im vergangenen Jahr 217.000 Autos gebaut. Statt "vorschneller Einzellösungen" mit einem Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen sollte es zumindest bundesweit abgestimmte Regelungen geben, sagte ein Konzernsprecher. BMW-Vorstandschef Harald Krüger hatte auf der Hauptversammlung vor vier Wochen auch gemahnt: "Bestrafen wir nicht Hunderttausende Besitzer älterer Dieselfahrzeuge durch pauschale Fahrverbote."

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace begrüßte den Vorstoß dagegen: "Endlich ist einem Bürgermeister die Gesundheit der Menschen wichtiger als freie Fahrt für schmutzige Diesel." Nach Ansicht des Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, sind mögliche Diesel-Fahrverbote in München eine Folge der Politik des Bundesverkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU), der "weiter den Abgasbetrug von Autokonzernen" decke.

Keine automatische Kennzeichenerfassung zum Fahrverbot in Stuttgart

Nach einem kritischen Medienbericht nimmt das baden-württembergische Verkehrsministerium Abstand von dem Gedanken, zur Überwachung geplanter Fahrverbote automatisch Autokennzeichen zu erfassen. "Dieses Mittel wollen wir nicht einsetzen", sagte ein Sprecher von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Mittwoch in Stuttgart.

Zuvor hatte das Ministerium einen Bericht der "Südwest Presse" bestätigt, wonach es das Innenministerium gebeten habe, den Einsatz einer automatischen Kennzeichenerfassung zu prüfen. Bei dieser Prüfung könne allerdings auch herauskommen, dass der Einsatz des Systems zu diesem Zweck nicht möglich sei, hatte es geheißen.

An Tagen mit extrem hoher Luftbelastung soll es in Stuttgart ab 2018 Fahrverbote für Diesel geben, die die jüngste Abgasnorm Euro 6 nicht erfüllen. Die Kontrollen zur Einhaltung des Fahrverbotes gelten als schwierig. (dpa)

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KOMMENTARE


Rudi S.

14.06.2017 - 10:45 Uhr

Nachdem weder die Hersteller noch der Gesetzgeber sich wirklich dem Thema "wahre Sauberkeit" beim Diesel annehmen, sondern weiterhin Tricksereien und Gewinnmaximierung die obersten Prämissen sind, um Kunden über den Tisch zu ziehen, finde ich die Initiative von Hr. Reiter vorbildlich. Es kann nicht sein, dass die Allgemeinheit unter den Machenschaften von VW & Co. leidet. Leider geht es scheinbar wirklich nur mit Verboten weiter.


egonsamu

14.06.2017 - 10:50 Uhr

Wir brauchen keine Verbote. Wir brauchen Politiker, die physikalisch begründete, technisch realisierbare Regelungen treffen und mit der Autoindustrie einen sinnvollen Plan zur Umsetzung verabreden.Ideologie und populistischer Aktionismus sind keine Lösungen für wirkliche Probleme.


Klaus Weber

14.06.2017 - 18:20 Uhr

Der Bgm. hat grundsätzlich recht. Gesundheit geht vor Gewinnsucht der Konzerne. Allerdings haben wir Bürger nach Recht und Gesetz Dieselfahrzeuge gekauft. Hier müssen die Konzerne in die Verantwortung genommen werden. Eine gute Regelung wäre doch, diese Motoren mit einer Gasanlage (CNG oder LPG) auszurüsten.Die Kosten zahlen die Autokonzerne an den Staat und der Bürger wird bei Einbau durch eine geringere Steuer für seinen PKW entlastet. Ergo: Schadstoffrückgang um 70%.


D.Buschhorn

14.06.2017 - 18:42 Uhr

Es müssen nicht immer nur Verbote sein. Der Kunde hat es in der Hand und kann mit seinem Kaufverhalten entsprechend auf die Hersteller einwirken. Es ist doch bedauerlich was unter dem Deckmantel Euro 6 so alles fabriziert und auch zugelassen wird. Mein Rat an alle Diesel Interessenten : Lassen Sie sich nicht abschrecken aber kaufen sie keinen Diesel ohne SCR Kat.Richtig eingestellt und mit Ad Blue nicht gegeizt erreicht man schon heute die z.Zt. geltenden Vorgaben für 2020. Und bitte auch keinen Benziner mehr ohne Filter.


ThomF

14.06.2017 - 20:46 Uhr

eine großen Flughafen vor der Türe und Autos verbieten.Typisch SPD, SPD abwählen.


Hohmann

15.06.2017 - 07:39 Uhr

Es ist schlecht, dass die Wirtschaft dagegen einen Aufstand macht! Da sieht man, dass wir viel zu "wirtschaftsabhängig" sind!!


Dieter M. Hölzel

15.06.2017 - 13:19 Uhr

Ob es der " Politik " um die Gesundheit der Menschen geht darf doch sehr bezweifelt werden, denen geht es doch nur um ihre Selbstdarstellung, besonders vor Wahlen. So nehmen es die Bürger wahr, von daher ist der Sturzflug ROT-GRÜN die logische Folge, das aber werden sie erst nach der Wahl erkennen. Da heißt es aber dann, dass sie, die Verbieter-Parteien, es den Wähler nicht hinreichend erklärt haben. Das Umweltproblem betrifft die ganze Welt, von daher wird die Welt nicht am deutschen Wesen genesen, auch wenn so ganz Schlaue meinen die Welt noch retten zu können, von Berlin aus oder sonstwo in der Republik. Dem Vollpfosten Trump ist das alles ja ohnehin egal.


Werner Stanglhuber

16.06.2017 - 22:31 Uhr

Seit Ihr Politiker sowie die Presse eigentlich total bescheuert? Habt Ihr Euch eigentlich schon mal ernsthaft die Frage gestellt, dass Dieselfahrzeuge (zumindest ab EURO4) wahrscheinlich gerade mal die Hälfte bzw. vlt. max. 60% von dem an Verbrauch haben, was ein sogenannter "sauberer" Benziner an Sprit verbraucht ? Wenn ich jetzt nicht auch ganz so dämlich bin wie manche Bürgermeister & Politiker, dann kann man behaupten, dass dies somit auch die Umwelt enorm schone bzw. wertvolle Ressourcen einspare. Der Dieselmotor hat mehr Zukunft als jener Benziner. Die ganze Entwicklung der letzten Jahrzehnte nahezu aller Autobauer (zumindest hier in Deutschland) galt dem Dieselmotor. Wenn Ihr den Dieselmotor jetzt durch chronisches "Nichtwissen" ruiniert, dann werdet Ihr schlauen Herrschaften am Ende schon merken wo die Reise hingeht. Macht einfach so weiter, Ihr werdet am Ende den enormen volkswirtschaftlichen Schaden im Mrd.-Bereich am eigenen Leib noch zu spüren bekommen. (...) Alle Hersteller werden mich Loben. Und die es nicht tun sollen einfach Ihren Benziner mit einem Mehrverbrauch von fast 50% weiter fahren. Was ist jetzt umweltschonender ??? Immer überlegen Kameraden und dann Kommentare/Pressemeldungen raushauen. Mfg Stanglhuber (wstanglhuber@yahoo.de)


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